Einer meiner Schüler (14) war schon immer träge und minimalistisch. Jetzt hat es sich jedoch verstärkt und seine Leistungen fallen immer weiter ab. In Gesprächen sagte er stets, dass es ihm gut gehe. Er fühle sich wohl in der Schule, zu Hause und mit seinen Kollegen. Der Junge unternimmt kaum etwas, sondern verbringt die meiste Zeit vor dem Computer/TV. Bisher hatte er zwei-drei Fächer, die er sehr gerne hatte und daran interessiert war.
Nun habe ich wieder das Gespräch mit ihm gesucht. Er sagte, dass jede Person um ihn herum das Gefühl habe, er sei depressiv, nur er selbst nicht, er sei einfach müde. Er würde Medikamente gegen seine Schlaflosigkeit nehmen (er schläft nicht mehr als 5 Std. pro Nacht).
Daraufhin habe ich mit der Mutter telefoniert. Sie empfindet, dass ihr Sohn eine völlige Schulkrise habe, ihn nun überhaupt nichts mehr interessieren würde (auch seine bisherigen Lieblingsfächer) und er wegen seines Schlafmangels ärztlich mit Schlafmedikamenten begleitet würde. In der Familie und Kollegenkreis sei alles in Ordnung und er würde ihr sagen, dass er trotz Desinteresse gerne in die Schule kommt.
Mein Empfinden ist es, dass der Junge völlig reizüberflutet ist mit all den Stunden, die er mit Gamen, Fernsehen, etc. verbringt und ihm eine körperliche Müdigkeit fehlt. Auch andere Lehrpersonen vermuten dahinter eine Gamesucht. Drogen, Alkohol oder andere Substanzen werden von niemandem vermutet, jedoch scheinen Schlafmedis nicht die optimale Lösung.
Ich bin Berufsanfängerin und weiss nun nicht so recht, wie ich vorgehen kann, was sinnvoll ist. Soll ich die Vermutung der Gamesucht bei Eltern und Schüler auf den Tisch bringen, nur den Eltern, etc.? Ich weiss auch nicht, wie genau die ärztliche Begleitung aussieht (Häufigkeit, was weiss er,…). Wie gehe ich damit um, dass das Umfeld des Schülers von einer Depression spricht, nur er selbst nicht? Wie wird die Gefährdung dieses Schülers von Fachpersonen wahr genommen? …?
Liebe Ann
In Ihren Fragen und Gedanken ist eine grosse Sorge um das Wohlergehen Ihres Schülers spürbar. Sie beobachten Veränderungen im Verhalten und einen Abfall der Leistungen. Sie kümmern sich, suchen das Gespräch mit ihm, lassen den Faden nicht abreissen. Ich habe den Eindruck, dass Sie genau richtig reagieren, nach einem Gespräch mit dem Schüler haben Sie die Mutter kontaktiert.
Die Eltern scheinen die Schwierigkeiten wahrzunehmen, jedenfalls haben sie sich mit ihrem Sohn in ärztliche Behandlung begeben. An diesem Punkt würde ich auf den Arzt vertrauen, der den Jugendlichen behandelt. Ich gehe davon aus, dass Ärzte ihre Patienten begleiten und nicht leichtfertig Medikamente verschreiben. Es scheint sich nicht um eine Diagnose zu handeln, bei der es zwingend ist, dass die Lehrpersonen einbezogen und informiert werden, das gilt es zu akzeptieren.
Versuchen Sie bei Ihren Beobachtungen zu bleiben, halten Sie fest, was Sie an Veränderungen feststellen, wie sich seine Leistungen entwickeln.
Geben Sie dem Jungen Zeit, bleiben Sie mit ihm in Kontakt und Austausch. Suchen Sie nach einigen Wochen wiederum das Gespräch mit ihm und der Mutter. Teilen Sie Ihre Beobachtungen mit und allenfalls dass es Sie beunruhigt. Dabei können Sie auch auf die Problematik der abfallenden Leistungen hinweisen und was das für die Schullaufbahn bedeuten kann.
Ob das eine Antwort auf Ihre Fragen ist?
Freundliche Grüsse
Niesen