Ich arbeite in einem Tagi und sitze mit 5 Kindern am Mittagstisch beim Dessert. Die Stimmung ist fröhlich. Auf meine Frage, wer heute an der Reihe sei den Tisch zu putzen, zeigen zwei Mädchen auf Dimo. Dimo geht in die erste Klasse, sprich zwar recht gut Deutsch, aber es ist nicht seine Muttersprache. Er scheint im ersten Moment nicht zu verstehen, worum es geht. Ich erkläre ihm unsere Abmachung, dass jedes Mal jemand anderes an die reihe käme. Dimo ist nicht einverstanden, wehrt sich, er sei heute nicht dran. Die anderen Kinder mischen sich ein und versuchen, es ihm zu erklären. Dimo beginnt zu weinen, wehrt sich und erklärt trotzig: „Nein, ich putze den Tisch nicht, das mache ich nicht.“ Ich versuche ihn zu beruhigen, aber alles nützt nichts. Einerseits will ich darauf beharren, dass auch er diese Arbeit macht, andererseits kann ich ihn nicht zwingen und muss irgendwann auch fertig werden, also übergebe ich es jemand anderem. Das finde ich aber auch nicht gut, denn die andern lernen daraus, dass es Kinder gibt, die sich einer Aufgabe entziehen können. Ich weiss nicht, wie ich mit einer solchen Situation umgehen soll, was pädagogisch geschickt oder richtig ist.
Liebe XY
Das ist eine unangenehme Situation, und so ein entschiedenes Nein von einem Erstklässler kann uns als Erwachsene/ Erziehende oder Lehrpersonen sehr herausfordern. Ich denke, so wie Sie es für den Moment gelöst haben ist es sinnvoll. Ein Beharren und Erzwingen hätte dem Nein eine noch grössere Bedeutung gegeben, Dimo hätte die ganze Bühne gehabt.
Ich sehe zwei Ebenen die Situation anzugehen.
Bei der Installation von Ämtli, bzw. Aufgaben und Verantwortungen welche alle zum Wohl der Gruppe reihum übernommen werden ist es wichtig, die Kinder einzubeziehen.
Sie helfen mit beim Benennen von wiederkehrend anfallenden Aufgaben. Hilfreich ist, wenn sie für alle sichtbar irgendwo notiert sind. So wissen sie immer wann sie an der Reihe sind und werden nicht überrascht. Beim Verteilen kann es helfen, wenn die Kinder wählen können, aber auch sichtbar ist, wer was schon gemacht hat. Das tönt nach einer Buchhaltung und ist nicht unbedingt lustvoll. Es kann jedoch Fakten sichtbar machen, dort wo ein Kind das Gefühl hat, willkürlich ausgewählt worden oder zu kurz gekommen zu sein. Dabei finde ich es wichtig, dass auch Aufgaben genannt werden, welche kreativ und gestaltend sind, ein Lied oder Spiel wünschen können, verantwortlich für eine Dekoration oder das Bereitstellen einer Mahlzeit zu sein. So können die „Ämtli“ mehr werden, als für die anderen zu putzen oder aufzuräumen.
Die andere Möglichkeit kann sein, mit Dimo allein zu sprechen und ihn erzählen zu lassen, wie es zu diesem „Nein“ gekommen ist. Vielleicht geht da eine Türe auf und er kann benennen, was er denn an Stelle des Tischabräumens übernehmen möchte.
Was haben Sie im Sinn?
Liebe Grüsse
Niesen