Liebes Forum,
Im August 2010 habe ich die Stelle als IF an vier Schulhäusern in der Agglomeration Bern übernommen.
Das Pensum umfasst 16 Lektionen (ca. 53 Stellenprozent).
Sofort hatte ich einen Stundenplan, in dem ich 33 Kinder in Gruppen unterrichtet habe.
Gemäss der Weisung von oben habe ich keine Warteliste geführt, sondern alle Kinder mit Antrag von der EB, sowie alle Anfragen um eine Kurzzeitintervention angenommen.
Dies habe ich gemacht, weil ich den Lehrkräften wirklich eine Hilfe sein wollte, und weil ich erfahren wollte, was
tatsächlich leistbar ist. Ausserdem wollte ich selber ein Beispiel sein für integrativen, individuellen und selbstverantwor-
teten Unterricht.)
( Es war mir natürlich nicht mehr möglich, alle Kinder sorgfältig zu erfassen. Es gelang mir aber im Unterricht den jewei-
liegen Förderbedarf des Kindes wahrzunehmen und darauf einzugehen. Dies verdanke ich einem soliden Studium.
Viele Kinder haben Hilfe erhalten, und etliche davon konnte ich nach einer Kurzzeitintervention wieder abgeben.)
In dieser Zeit, als ich alle Kinder angenommen habe, die mir gemeldet wurden, wuchs eine Gruppe auf neun Kinder an.
Ich wusste, mit einer präzisen Vorbereitung gelingt es, diese Kinder auf 4 verschiedenen Niveaus in Deutsch und Math.
zu unterrichten.
Womit ich aber nicht gerechnet habe:
Während ich fleissig gearbeitet habe, wuchs der Stapel von Anträgen und Anfragen auf meinem Schreibtisch.
Auch diese Hürde wollte ich nehmen.
Im Februar musste ich einen völlig neuen Stundenplan auf die Beine stellen, mit allen Lehrkräften Kontakt aufnehmen und neue Gruppen bilden.
Und nun geschah es, dass ich den Überblick verlor.
Nun war ich auf einmal mit der Geschichte von über 40 Kindern konfrontiert. Und auch die Nachbetreuung einiger Kinder erforderte meine Aufmerksamkeit.
Ich musste bemerken, dass ich an meine Grenze gestossen bin.
Es ist nicht eine Frage meiner Merkfähigkeit. Es ist viel mehr eine Frage meiner Seele.
Ich kann mich nicht auf 40 Kinder, ihre Klassenlehrkräfte, ihre Teilpensenlehrkräfte, auf die dazu gehörenden Eltern, Elternabende, Elterngespräche und Rücksprachen mit der EB einlassen, ohne dass ich mich wie ein Kaleidoskop aufgesplittert vorkomme!
Das sind einfach zu viele Informationen die ich zu verarbeiten habe.
So habe ich mich entschieden, doch eine Warteliste zu führen.
Und nun bin ich damit konfrontiert, die Frustration der Lehrkräfte einzustecken, wenn ich ihnen erklären muss, dass ich im Moment keine Kapazität habe, auf ihre Anliegen einzugehen. Aber genau das wollte ich vermeiden.
(Die Psychomotorik-, die Legasthenietherapeutin und die Logopädin haben kein Problem damit, eine Warteliste zu führen. Sie arbeiten schon mehrere Jahre an diesen Schulen, und die Erfahrung hat sie dies gelehrt.)
Im Moment unterrichte ich 28 Schüler in Gruppen.
Und, ich führe eine Warteliste.
So weit so gut, könnte man meinen, nun hat Malena ja ihren Weg gefunden.
Leider ist dem nicht so.
Nachdem nun also nicht mehr alle Kinder den IF-Unterricht besuchen können, taucht ein neues Problem auf:
Welche Kinder sollen nun von der IF-Lehrkraft unterstützt werden?
Ich begleite Kinder mit Antrag von der EB oder in einer Kurzzeitintervention, von denen ich sagen muss, dass ich lediglich die Funktion einer Nachhilfelehrkraft erfülle. Und dabei habe ich Kinder auf der Warteliste, die meiner heilpädagogischen Unterstützung dringend bedürften!
Wie also kann ich die wirklich akuten, dringenden und „heilpädagogischen“ Fälle von weniger akuten, dringenden und „nicht heilpädagogischen“ Fällen unterscheiden?
Gibt es einen Weg, die Lehrkräfte so zu informieren, dass sie mir nur noch jene Kinder anmelden, die ganz schwerwiegende Probleme zeigen?
Und ganz Grundsätzlich: Wie gehe ich mit dieser Situation um?
Wie kann ich den Kindern und Lehrkräften gerecht werden, ohne allzuweit über meine Grenzen gehen zu müssen?
Nun, mir ist klar, dass das Thema der Integration im Raume steht.
Aber leider wurde die Integration von allen vier Schulhäusern geschlossen abgelehnt.
(Ihr könnt mir glauben, ich habe mich ganz schön aus dem Fenster gelehnt, um den Lehrkräften die Integration schmackhaft zu machen, und ich habe mir leider auch dabei etliche „FeindInnen“ gemacht ;-( )
Also, hier noch einmal meine ganz konkreten Fragen:
- Wie kann ich in dieser Situation helfen?
- Wie kann ich jene Kinder erfassen, die mich am dringendsten brauchen?
- Wie kommuniziere ich den Lehrkräften meine Situation?
- Wie sieht eine Regelung aus, damit mir nur noch jene Kinder gemeldet werden, die tatsächlich die Hilfe einer Heilpäda-
gogin brauchen?
Ich hoffe auf ForumsbesucherInnen, die diese Situation kennen und verstehen.
Und ich hoffe auf Hinweise, wie ich all den vielen Lehrkräften gerecht werden kann, die eine Unterstützung brauchen.
Ich hoffe aber vor allem auf konkrete Vorschläge, wie ich als IF-Lehrkraft dieser Situation gerecht werden kann.
Mit lieben Grüssen und bestem Dank im Voraus,
Malena