Guten Tag
Ich bin Sekundarlehrerin phil. II und habe im Sommer eine 1. Kleinklasse (Oberstufe) in einer Stadt übernommen. Ich habe vier Mädchen in der Klasse, die keinerlei Probleme bereiten, und sechs Knaben, die ich einfach nicht in den Griff bekomme, selbst die Fachlehrpersonen beklagen sich täglich.
Ich selbst bin mehr und mehr am Anschlag. Die gesamte Klasse fühlt sich miserabel, weil sie in einer Kleinklasse gelandet sind und haben einen enormen Druck von den Eltern, im kommenden Schuljahr in die Real wechseln zu können. Die Klasse ist relativ gut, was die Leistungen betrifft, aber ich sehe für neun SuS keine Möglichkeit, in der Real bestehen zu können. (Ich habe auf Anweisung der Schulleitung auch das Deutsch- und Mathe-Modul durchgeführt, was meine Vermutung bestätigt hat.) Die Module habe ich dann auch mit der Klasse besprochen, worauf es bei vielen Tränen gab und dass sie sich nun kaum mehr nach Hause trauen würden. Einige geben mir nun sogar die Schuld für ihre Situation.
Ich habe schon so vieles getan, um der Klasse aufzuzeigen, was für tolle Berufmöglichkeiten auch aus einer Kleinklasse vorhanden sind, dass es viel besser ist, ein guter Kleinklässler zu sein als ein schlechter Realschüler, Elterngespräche, Gespräche Schulleiter mit Klasse, etc. Es nützt alles nichts. Sie fühlen sich wie „Dreck“ und WOLLEN in die Real - um jeden Preis.
Dieser ganze Druck auf den Schultern der SuS löst auch Spannungen und Unruhe in der Klasse aus. Es wird gezankt, gestritten, Dampf abgelassen, etc. So können sie sich am Morgen zur Begrüssung freundschaftlich umarmen, nach 10 Minuten muss ich die Schulleitung kommen lassen, weil ich Angst habe, dass gleich eine Massenschlägerei beginnt.
Und das zweite Problem ist, dass ich mir langsam als Versagerin vorkomme. Ich erhalte Unterstützung von der Schulleitung, von der Schulsozialarbeit, jedoch gelingt es mir nicht, vor allem diese sechs 13-jährigen Knaben in den Griff zu bekommen. Es muss doch an meiner mangelhaften Klassenführung liegen, wenn ich das nicht schaffe.
Vor drei Wochen war der Schulleiter auf Unterrichtsbesuch, und er hat beim Mitarbeitergespräch gesagt, dass doch alle so lieb seien, da hätte ich ja fast den Sechser im Lotto getroffen mit dieser Klasse. (Ist ja logisch, dass die Klasse sich zusammenreisst, wenn der Schulleiter hinten sitzt.) Sie sind auch sehr nett und höflich, wenn man alleine mit ihnen spricht, aber zusammen - ein Sack voller Flöhe.
Mittlerweile habe ich durch Gespräche mit den ehemaligen Primarlehrkräften eben auch herausgefunden, dass einige SuS (mindestens 5) zu Hause häusliche Gewalt erleben, zwei sexuell extrem auffällig waren und nochmals zwei ein starkes ADHS haben, die Eltern jedoch die Medikamentenabgabe verweigern. All diese Dinge habe ich erst letzte Woche (!!!) erfahren, was mich sehr ärgert. Solch wichtige Dossiers wurden von der Primarschule einfach nicht an die Oberstufe weitergeleitet und vertuscht.
Ich weiss im Moment einfach nicht weiter, fühle mich unmotiviert, müde, depressiv, überfordert… Ich weiss nur eins: Ich muss diese Klasse nun so schnell wie möglich unter Kontrolle bekommen.
Danke fürs Zuhören.
Mit liebem Gruss
Calimero