Liebes Team
Ich bin sehr dankbar, dass ich auf eure Möglichkeit des Austausches gestossen bin.
Ich bin 31 Jahre alt (Ausbildungen: SVEB-Kurs, Dipl. Berufsfachschullehrer/in Berufskunde im Nebenberuf, Erfahrungen: 5 Jahre Dozentin an Feusi Bern, Erwachsenenbildung) und unterrichte jetzt an der Berufsfachschule für medizinische Praxisassistentinnen seit drei Jahren und habe meine Unterrichtslinie noch nicht ganz gefunden.
Ich unterrichte jeweils 2-4 Lektionen pro Woche. Ein regelmässiger Erfahrungsaustausch unter den Lehrern/innen findet nicht statt. Dies möchte ich in der nächsten Sitzung im nächsten Schuljahr ansprechen, da mir dies extrem fehlt.
Vor allem in Bezug auf das Classroom Management, Regeln/Konsequenzen gerate ich immer wieder an den Punkt, wo ich mich frage:
- „Wie verhalte ich mich in dieser Situation nun am besten?“
- „Nehme ich die unterstützende/beratende Position ein?“
- „Appelliere ich an die Eigenverantwortung?“ oder
- „Gibt es Konsequenzen und wenn ja, welche?“
Um auf die erste Frage besser vorbereitet zu sein, habe ich nun in meine Unterrichtsplanung Folgendes hinzugefügt: Ich schreibe jeweils zu jeder Unterrichtsform auf:
- was erwarte ich von den Schülerinnen?
- was tue ich, wenn diese Erwartungen nicht erfüllt werden?
z.B. Die Schülerinnen machen eine Einzelaufgabe, ich erwarte, dass sie für sich arbeiten. Wenn sie dies nicht tun, warte ich kurz, um zu schauen, ob sie sich „nur“ orientieren, falls es anhält, gehe ich zu der Schülerin und frage nach, ob es Fragen gibt oder etwas unklar ist. Oder beim Lehrervortrag erwarte ich, dass die Schülerinnen andere nicht ablenken und zuhören. Falls dies nicht beachtet wird, gebe ich einen Blickkontakt, ziehe diese Personen in meinen Lehrervortrag ein, frage sie etwas oder erinnere sie an die Präsenz. Führt dies nicht zum Erfolg, spreche ich die Schülerin an und sage, dass es mich stört, falls dies nicht zu einer Besserung führt, führe ich ein Privatgespräch nach dem Unterricht mit der Schülerin.
Die Haltung dabei ist freundlich.
Ich habe gemerkt, dass ich so im Sinne eines effizienten Unterrichts handeln kann, ohne Schülerinnen bloss zu stellen oder dass ich selber in Abwehrhaltung gelange und Konsequenzen treffe, die keinen Sinn machen.
Gleichzeitig kann ich nach dem Unterricht reflektieren, was gut war und was verbessert werden kann.
Leider kam mir die Coronasituation dazwischen, ich praktiziere dies nun seit Januar.
Welche Regeln sind jedoch in der Berufsfachschule sinnvoll?
Ich unterrichte im 1. und im 3. Lehrjahr.
Im 1. Lehrjahr habe ich 10 goldene Regeln (pünktlich sein, Unterrichtsunterlagen dabei/parat, Handy nur während den Pausen, aktiv beteiligen, Respekt allen gegenüber, Finger strecken usw.) Wir erarbeiten jeweils im 1. Lehrjahr auch die Erwartungen der Schülerinnen an mich.
Da ich die Schülerinnen im 2. Lehrjahr gar nicht sehe, habe ich dieses Jahr im 3. Lehrjahr diese Regeln nochmals aufgezeigt (genau gleiches Flipchart wie im 1. Lehrjahr). Und die Schülerinnen haben mich ausgelacht und untereinander gesagt: Schau mal, da steht ‚Finger strecken‘. Der Start war somit schon dahin, ich hielt an den Regeln fest, da wir diese im 1. Lehrjahr bereits hatten. Eintragungen bei Nichteinhalten habe irgendwie nur ich gemacht, andere Lehrpersonen machen im 3. Lehrjahr keine Einträge mehr, obwohl dies einer der vereinbarten Konsequenzen ist. Entweder funktioniert es bei allen anderen Lehrpersonen super oder die handhaben es einfach anders. Allgemein war diese Klasse jedoch für mich schwierig.
Da frage ich mich jetzt aber, sind es allgemein die falschen Regeln für eine Berufsfachschule? Oder soll ich die Regeln zwischen dem 1. und 3. Lehrjahr anpassen? Sollen auch die Konsequenzen angepasst werden?
Wenn ich im August in das 3. Lehrjahr einsteige, möchte ich dies gerne anders gestalten. Ich möchte einen besseren Einstieg, eine freundlichere Grundhaltung, nicht direkt eine Abwehrhaltung der Lernenden spüren.
Meine Gedanken für das 3. Lehrjahr dazu ist: Ich teile zwei Grundregeln mit: Aktiv beteiligen und Respektvolles miteinander. Erkläre, was ich darunter verstehe und appelliere dabei an die Eigenverantwortung, welche die Schülerinnen im 3. Lehrjahr mitbringen sollen. Die Konsequenzen ergeben sich dadurch selber, da die Schülerinnen einen Abschluss erreichen wollen. (z. B. kommen sie zu spät, verpassen sie die ersten 5 Minuten, haben sie die Hausaufgaben nicht erledigt, haben sie nicht das Wissen für die Prüfung, haben sie die Unterrichtsmaterialien nicht dabei, können sie nicht arbeiten usw.)
Bei dem Punkt, dass ein Unterrichtsklima herrscht, so dass alle lernen können, möchte ich strikte verfolgen und auch Konsequenzen ziehen, falls dies nicht der Fall ist.
Was sind jedoch in diesem Fall angebrachte Konsequenzen für ein 3. Lehrjahr? Ich bin absolut nicht Fan von Schulzimmer verlassen oder Platzverschiebungen.
Ich habe auch gemerkt, dass sich die Dynamik zwischen 1. und 3. Lehrjahr ändert. Und diese Dynamik konnte ich in diesem 3. Lehrjahr nicht greifen.
Die geeignete Rolle für diese Schulklasse habe ich nicht gefunden. Definitiv gemerkt habe ich, dass ich im 3. Lehrjahr mehr an die Eigenverantwortung der Lernenden abgeben kann. Ob dies der Lösungsschlüssel für mein Anhaften eines effizienten Unterrichtes ist, weiss ich noch nicht
Vielen Dank für Ihre Antwort.
Liebe Grüsse