Zu allererst möchte ich festhalten, dass ich von diesem Forum begeistert bin. Ich habe schon einige Threads durchgelesen und fand die Antworten stets kompetent und hilfreich. Ich habe im Internet / in der Schweiz nichts Vergleichbares gefunden.
Als Zweites möchte ich gerne auf das folgende Zitat von Strittmatter zu sprechen kommen: „Der Beruf ist als ein prinzipiell unvollkommen gelingendes Unternehmen darzustellen – als eine Aufgabe für forschende, experimentierende, sich ständig evaluierende, sich am Gelingen freuende, ständig sich fortbildende Menschen.“
Dieses Zitat wurde in diesem Forum zum Thema „Aggressionen ausgelöst von SuS“ von „mars“ gepostet. Ich finde das Zitat sehr zutreffend. Ich denke, ich bin eine solche Person, die sich ständig fortbilden möchte, experimentiert und den Unterricht reflektiert. Allerdings erachte ich mein exploratives Verhalten mehr extrinsisch als intrinsisch motiviert. Immer wieder fühle ich mich von verschiedensten Situationen mit den Kindern überfordert und / oder werde meinen Ansprüchen nicht gerecht. Dieses unangenehme, abwertende Gefühl möchte ich ausmerzen, indem ich mich informiere, Bücher lese und nach der einen Lösung strebe, die alle Schwierigkeiten behebt.
Ich leugne quasi die im Zitat erwähnte unvollkommen gelingende Eigenschaft unseres Berufs. Dies widerspricht meinem Willen. Gerne möchte ich mir mehr Zeit lassen und die jetzigen Ansprüche herabsetzen. Bestimmt lässt es sich mit mehr Erfahrung einfacher unterrichten (ist es denn so?) und dies braucht einfach Zeit.
Im Moment wechseln sich zwei Phasen ab: Die Phase, in der ich motiviert bin und auf der Suche bin nach dieser einen Lösung und die Phase, in der ich einsehe, dass ich diesen Anspruch nicht erfüllen kann. Dieses Wechselbad der Gefühle ist ziemlich zermürbend. Welchen Rat können Sie mir für meine Situation geben?
Lieber Eddie
Du nimmst deine berufliche Situation sehr differenziert und der Situation entsprechend wahr.
Hier ein persönlicher Eindruck dazu: du übernimmst sehr viel Verantwortung für deine Arbeit. Möglich, dass du dich als ‘Einzelkämpfer’ verstehst. Ein gefährliches Berufsverständnis im bestehenden Schulsystem. Gibt es in deinem Umfeld Kolleginnen/Kollegen, die ähnlich empfinden wie du? Wenn ja, schliesst euch zusammen, tauscht euch aus und sucht nach Möglichkeiten, wie ihr gemeinsam entlastende Lösungen entwickeln könnt.
Liebe(r) jomali
Herzlichen Dank für diese wichtige Ergänzung.
Auch dazu gibt es einen tollen Merksatz:
„Wer alleine arbeitet addiert. Wer zusammenarbeitet multipliziert.“
Viel Erfolg beim Multiplizieren.
Liebe Grüsse mars
Vielen Dank für die Antworten und hilfreichen Anregungen!
Das Zitat („Wer alleine arbeitet addiert. Wer zusammenarbeitet multipliziert.“) gefällt mir sehr. Es ist aus meiner Sicht ein Spruch, den man gut und gerne auch mit den SuS zum Motto machen kann. Ich sah / sehe mich schon ein wenig als „Einzelkämpfer“. Als ich in den Lehrerberuf einstieg, hatte ich eine Mentorin (die Lehrperson, der einzigen Parallelklasse), die schon über 10 Jahre im Schulhaus – und somit auch auf dem Beruf – arbeitete und über reichlich Erfahrung besitzt. Meine Ideen allerdings nahm sie nicht sehr offen entgegen. Ich meinerseits beharrte darauf, einige dieser umzusetzen. Wir fanden nicht wirklich einen gemeinsamen Weg und beschränkten uns schliesslich auf die Zusammenarbeit / den Austausch im Fach M&U. Somit musste ich mir vieles selbst erarbeiten und meinen eigenen Weg finden. Mittlerweile wird meine Stufe dreifach geführt. Es kam eine junge Lehrperson hinzu, mit der ich eine Zusammenarbeit gesucht und lanciert habe. Nach dem Feedback von jomali konnte ich die Zusammenarbeit mit ihr intensivieren, indem nun ein wöchentlicher Austausch über den aktuellen Stand / Unterrichtsstoff stattfindet.
Die vorgeschlagene Einzelberatung habe ich mir „gegönnt“ und mittlerweile nach zwei Sitzungen abgeschlossen. Wir haben unter anderem über meine hohen Ansprüche an mich selbst gesprochen. Ich zog das Fazit, dass ich wohl kaum in der Lage bin, die Ansprüche zu reduzieren. Das ist meine Einstellung, die in meinem Kopf eingebrannt scheint. Wenn ich etwas tue, dann gebe ich mein Bestes. Entsprechend erwarte ich eine gewisse Qualität, die ich grundsätzlich erreiche, dafür aber auch einen gewissen Aufwand betreiben muss. Diesen Aufwand möchte ich leisten, dafür bin ich bereit, in anderen Bereichen Einbussen in Kauf zu nehmen. So habe ich mir vorgenommen, auf meine Arbeitszeiten und meine Bedürfnisse zu achten sowie einzugestehen, dass für andere, weniger wichtigere Aufgaben nun halt keine Zeit mehr bleibt. Das Fazit umfasst zudem, dass ich positive Taten, Erlebnisse oder Rückmeldungen stärker wahrnehmen und geniessen / „feiern“ möchte. Ich bin sehr selbstkritisch und so liegt der Fokus meist auf dem Negativen. Dabei hätte ich es verdient, vermehrt auch das Positive an meiner Arbeit hervorzuheben. Dies möchte ich zukünftig öfters tun.
Ich denke, ich bin einen Schritt weitergekommen. Ganz allgemein geht es mir wieder etwas besser. Ich spüre mehr Energie in mir – ich schätze, das liegt auch an der Jahreszeit.