Überstunden im Lehrberuf

Nächsten Sommer starte ich als Lehrperson in den Berufsalltag. Während den vergangenen Praktika habe ich vermehrt festgestellt, dass mein Aufwand für die Vorbereitung und Nachbereitung des Unterrichts übermässig gross ausfällt. In anderen Berufen würden die geleisteten Überstunden verrechnet werden. Wie ist das im Lehrerberuf? Und gibt es gewisse Tools, die einem helfen, einen Überblick über den eigenen Arbeitsstundenhaushalt zu bekommen?

Liebe/r Cracious

Du sprichst hier ein Thema an, das nicht nur während der Ausbildung und dem Berufseinstieg grosse Relevanz hat. Weil jede Lehrperson ja immer noch etwas optimieren kann und man sich selber sagen muss, wann genug ist, bleibt die Thematik je nach Persönlichkeit, Ansprüchen und erarbeiteten Strategien ein ganzes Berufsleben aktuell und brisant.
Zudem fällt die Arbeit als Lehrperson nicht schön regelmässig an, man muss sich also auch auf Belastungsspitzen (z.B. während den Elterngesprächen) einstellen können. Es fallen also Überstunden an, diese müssen aber in Eigenverantwortung wieder abgebaut werden.

Die Bildungs- und Kulturdirektion schreibt dazu auf Ihrer Homepage:
In der unterrichtsfreien Zeit sind Lehrpersonen in weitere Arbeitsfelder des Berufsauftrags eingebunden. Sie kompensieren in dieser Zeit auch die während der Schulwoche geleistete Mehrarbeit und die überdurchschnittlichen zeitlichen Belastungen, wie beispielsweise Elterngespräche, Schulprojekte, Landschulwochen, Abschlussreisen, etc. Nebst der Erholung dienen die Schulferien der langfristigen Planung des Unterrichts, der individuellen Weiterbildung, aber auch der Mitarbeit an Unterrichts-, Schul- und Qualitätsentwicklung.
Lehrpersonen haben grundsätzlich analog dem Kantonspersonal Anrecht auf fünf Wochen Ferien pro Jahr. Die persönlichen Ferien müssen während den offiziellen Schulferien bezogen werden.

Wichtig erscheint mir, dass Lehrpersonen sich selber immer besser kennen (lernen), ihre eigenen Ansprüche, ihren Hang zur Perfektion und ihre Antreiber. Es gilt Copingstrategien zur Entlastung zu erarbeiten und zu lernen, dass gut, gut genug sein kann. In den Angeboten des Fachbereichs Berufseinstieg können sich Berufseinsteigende mit diesen Inhalten auseinandersetzen und in der Ausbildung erlernte Strategien verstärken und erweitern.

Auszug aus den Webseiten der Bildungs- und Kulturdirektion:
Die Arbeitszeit der Lehrerinnen und Lehrer ist als Jahresarbeitszeit zu verstehen. Sie setzt sich aus der Unterrichtszeit sowie der sogenannten unterrichtsfreien Zeit zusammen. Der Beschäftigungsgrad der Lehrpersonen wird durch die Anzahl Wochen oder Jahreslektionen berechnet.
Im Berufsauftrag wird die Aufteilung der Arbeitszeit in Unterrichten/Erziehen/Beraten/Begleiten (85% der Jahresarbeitszeit), Zusammenarbeit und Mitarbeit bei der Unterrichts-, Schul- und Qualitätsplanung (12%) und die Weiterbildung (3%) geregelt.

Umfassende Informationen zu diesen Themen findest du hier:

Es empfiehlt sich sehr, während dem Berufseinstieg die Arbeitszeit zu erfassen. Der Berufsverband «Bildung Bern» stellt dazu ein hilfreiches Instrument zur Verfügung.
Entsprechende Instrumente finden sich auch bei der Bildungs- und Kulturdirektion:

Wenn du während deinem Berufseinstieg merkst, dass Belastung und Erholung nicht in Balance sind, empfiehlt es sich, diese Situation in einer Beratung zu analysieren und hilfreiche Strategien zum Ausgleich zu entwickeln.
Entlastend hat sich der Austausch in der Peergruppe in den Praxisbegleitgruppen erwiesen. Die beiden Angebote findest du auf der Website des Fachbereichs Berufseinstieg und im angehängten Flyer.

Ich wünsche dir einen guten Abschluss des Studiums und dann einen erfüllenden Berufseinstieg.

Mit freundlichen Grüssen
mars

In diesem Zusammenhang finde ich bemerkenswert, was uns die Arbeitszeitstudiensagen:

Im Vergleich zur Referenzarbeitszeit oder anderen Berufen liegt das Total/der Schnitt etwa 200 Std. jährlich darüber (Brägger 2019, S. 32).
Die Zeiten sind im Wochen- und Jahresverlauf zudem ganz anders verteilt. „An drei Werktagen arbeiten Lehrpersonen rund 9 Stunden, am Mittwoch und Freitag – die beiden Wochentage mit verbreitet unterrichtsfreiem Nachmittag – arbeiten sie gut 8 Stunden“ (ebd., S. 30-31).
Und: „Die mittlere Arbeitszeit beläuft sich in der Regel auf 44-49 Stunden. In der 2. Kalenderwoche sowie der letzten Woche vor den Sommerferien und vor den Herbstferien arbeiten die Lehrpersonen mit 35-42 Stunden weniger. Auch innerhalb der Schulferien treten grössere Unregelmässigkeiten auf“ (ebd., S. 32).

Brägger, Martina (2019): LCH Arbeitszeiterhebung 2019 (AZE’19). Bericht zur Erhebung bei 10’000 Lehrpersonen im Auftrag von Lehrerinnen und Lehrer Schweiz LCH. Dübendorf.

Guets Tägli!

Ich habe für mich die Rechnung so gemacht:
Jahresarbeitszeit 1930 Stunden. Gehen wir mal von 52 Wochen aus, und ziehen 5 Ferienwochen ab. Ich muss bei 100% also in 47 Wochen 1930 Stunden arbeiten. Dies macht für eine Woche rund 41 Stunden. Für mich rechen ich in Wochen ab. Erfahrungsgemäss gibt es während den Unterrichtswochen mehr, und in den Schulferien (=Schülerferien) wird das Plus abgebaut. Ganz genau stimmt die Rechnung dann nicht, es sind ja auch etwas mehr als 52 Wochen. Aber so habe ich meine Zeit wöchentlich im Griff und den Überblick, wo ich in etwa stehe.
Aber ich habe auch die Erfahrung gemacht, dass ich nicht. auf 5 Wochen Ferien komme, oder nicht die gesamte Überzeit abbauen kann… weil ich alles zu perfekt machen will, aber auch, weil ich meinen Job sehr mag. Da habe ich auch schon Beratung in Anspruch genommen.
Als Tool habe ich mir einfach eine (Stunden-pro-Tag-) Tabelle ausgedruckt, wo ich mit Leuchtmarker meine Arbeitszeit festhalte. Das geht mir im Moment schneller als digital und ich habe es mit meinem Lehrertagebuch gleich zur Hand.

Ich wünsche allen ein gelungenes Zeit-Management!

Hallo
Ich arbeite jeweils mit der Tabelle von Bildung Bern (eine Excel Tabelle - du musst nur noch deine Infos eintippen). Dort ist auch die Unterteilung gemacht (85% Unterricht, 3% Weiterbildung usw.).
Ich schreibe mir jeweils unter der Woche meine Stunden auf (Notizzettel oder Handy) und trage dann die Zeiten nach. Das tolle an dieser Tabelle finde ich, dass du sehen kannst, wo du wie viel Zeit brauchst und wo du evtl. versuchen willst, Stunden zu sparen (dann hast du z.B. schwarz auf weiss, dass verhältnismässig zu viele Stunden fürs Präpen eingesetzt werden). Du kannst aber die Unterteilung auch weniger genau nehmen und einfach für dich die Stunden aufschreiben.
Ein Nachteil sehe ich darin, dass die Stunden gleichmässig auf die Monate verteilt sind, aber du (wie bereits erwähnt) sicherlich strengere und weniger strenge Wochen/Monate hast. Dann hilft der Blick auf die Jahresarbeitszeit. Ausserdem hilft es auch, wenn du deine fixen Lektionen bereits fürs ganze Jahr einträgst (Anpassungen kannst du ja dann immer noch machen), so siehst du bspw. die ‚‚übrige Zeit‘‘ für Vor- und Nachbereitung.

Ich wünsche dir einen guten Start und eine gesunde Balance!
LG Schokolade

Und gibt es gewisse Tools, die einem helfen, einen Überblick über den eigenen Arbeitsstundenhaushalt zu bekommen?
Du sprichst indirekt ein ungelöstes Problem des Lehrberufs an: Gesundheitsfürsorge für Lehrpersonen. Eine konsequente Fürsorge fehlt im Kanton Bern. Die entsprechende Gesetzeslücke entlastet den Arbeitgeber vor jeglicher Verantwortung und Kontrolle der Arbeitsbedingungen im Schulalltag. Mit entsprechend hoher Ausfallquote (Burnout) im Lehrberuf.
Achte weiterhin eigenverantwortlich auf deinen Energiehaushalt, das werden auch deine Schüler zu schätzen wissen.