Seit dem Sommer unterrichte ich an einer äusserst lebhaften und tolle Kindergartenklasse. Nun bin ich in einer Situation, in der ich nicht weiss, welcher Lösungsweg am sinnvollsten ist.
In meiner Klasse gibt es einen Jungen (2.KG). Ich schätze ihn sehr als Mitglied dieser Klasse und finde seine kindliche Begeisterung, seine Empathie und seinen Witz sehr toll. Er scheint auch sehr intelligent zu sein. Es ist jedoch auch so, dass der Junge sehr unruhig + leicht ablenkbar ist. Zudem verfügt er über eine äusserst geringe Frustrationstoleranz.
In Kreissequenzen ist es häufig so, dass er mit seinem Verhalten (unruhig auf Stuhl sitzen, Geräusche machen, dazwischenrufen, frustriert weinen aufgrund von Nichtaufrufen, sich nicht auf Gesagtes fokussieren können…) den Unterricht derart stört, dass sich die Klasse nicht konzentrieren kann. Auch während des Freispiels ist es für ihn herausfordernd, an einem Platz zu verweilen. Regelmässig wechselt er nach kurzer Zeit den Platz, selbst bei Plätzen, die ihm gut gefallen. Ausserdem gerät er immer wieder in Konflikte und gegen Ende der Woche nimmt seine geringe Frustrationstoleranz weiter ab, da er müde zu sein scheint. In solchen Momenten neigt der Junge wegen Kleinigkeiten zu heftigen Weinanfällen.
Der Knabe nimmt in meinem Unterricht so viel Platz ein, dass ich den anderen Kindern zum Teil nicht gerecht werden kann.
Ich habe unter anderem folgende Massnahmen bereits ausprobiert:
- Therapieknete im Kreis
- Ein individuelles Belohnungssystem im Kreis, bei dem er Kleber sammeln konnte
- freiwillige Nutzung des (Auszeit-)Zeltes
Die Fachlehrpersonen, die ebenfalls an der Klasse unterrichten, sind der Meinung, dass er durch die Heilpädagogin unterstützt werden müsste (Förderstufe A). Nun ist es jedoch so, dass im Kanton Solothurn die Eltern ihr Einverständnis für diese Förderstufe geben müssen. Somit haben sie eine Wahl, ob sie es wollen oder nicht. Wir haben deshalb das Gespräch mit den Eltern gesucht und ich hatte den Eindruck, dass wir sehr wohlwollend und wertschätzend aufzeigen konnten, dass wir den Jungen für den Schulstart im Sommer stärken möchten. Die Eltern dieses Jungen verweigern sich und lehnen dieses Angebot trotz Unterrichtsbesuch vehement ab, da sie den Jungen nicht „abstempeln“ möchten.
Dem Schulleiter ist der Junge während eines Unterrichtsbesuchs ebenfalls aufgefallen und er hat gemeint, dass ich die Eltern zu einem Beratungsgespräch beim schulpsychologischen Dienst überzeugen soll - ich brauche jedoch auch dort ihr Einverständnis. Falls sie sich weiter weigern, könnte ich die Eltern an den Schulleiter verweisen. Gemäss Schulleiter hatten Verwandte dieser Familie negative Erfahrungen mit der Schule gemacht, weshalb ich davon ausgehe, dass die Grundhaltung der Familie gegenüber der Schule negativ ist. Ich bin deshalb skeptisch, ob dies der richtige Weg ist. Ich habe Bedenken, dass sich die Fronten dann verhärten und sich dies auf die Beziehung zum Jungen negativ auswirken könnte.
Die Eltern sind gegen die Unterstützung. Von meinem Team erhalte ich unterschiedliche Botschaften, etwas salopp formuliert:
- Der Junge braucht klar Förderstufe A und die Eltern können eigentlich nicht frei entscheiden. Du solltest sie unbedingt davon überzeugen und ansonsten zum Schulleiter verweisen.
- Du kannst ihren Entscheid akzeptieren und zusätzlich einen Brief senden. Darin kannst du dann betonen, dass es ihre Verantwortung ist, ob das Kind unterstützt wird und somit einen positiven Start in die erste Klasse hat.
- Nachfragen, was die Familie privat dazu beiträgt, dass der Junge ein adäquates Verhalten lernt (bsp. mit Judo Besuch oder ähnliches).
Ich weiss nicht recht, wie ich handeln soll. Haben Sie vielleicht eine gute Anregung?
Herzliche Grüsse