Im Kindergarten ist ein Kind aufgefallen, das oft schmutzige Kleider trägt. Sie hat fettige Haare und riecht teilweise etwas unangehm. Die anderen Kinder fragen sie dann, wieso sie so dreckige Kleider hat. Darauf antwortete sie schon vermehrt, dass ihre Mutter nicht gewaschen hätte. Es ist bekannt, dass eine Familienbegleitung diese Familie bereits unterstützt.
Meine Frage ist, wie ich am besten vorgehen soll und wie ich dieses heikle Thema ansprechen kann?
Ich denke, es ist wichtig, mit den Eltern bald ein Gespräch zu führen und auf die Situation im Kindergarten aufmerksam zu machen. Dabei können Sie die Eltern fragen, ob es schwierig ist, „richtig“ zu waschen und warum.
Ebenfalls kann die Hygiene des Kindes thematisiert werden – kann das Bad oder die Dusche ritualisiert werden?
Falls keine Badewanne oder keine Dusche vorhanden ist, wie kann die Wäsche und die Haarwäsche vollzogen werden? Benötigen die Eltern Hilfestellungen? Kann die Familienbegleitung eingebunden werden?
Ein Gespräch in dieser Form kann das Vertrauen der Eltern zur Institution Kindergarten aufbauen und Sie gewinnen mehr wichtige Informationen über die Situation des Kindes. Sie können das Kind dann auch im Kindergarten durch Gespräche unter vier Augen aber auch im Kreis besser unterstützen.
Ich hoffe, Ihnen dient diese Antwort.
Mit freundlichen Grüssen
Manaso
Liebe 19she85
Gut, dass Sie bereit sind, dieses heikle Thema anzusprechen. Sobald ein Kind auf Grund einer Vernachlässigung von den Schülerinnen und Schülern angesprochen wird oder sogar darunter zu leiden beginnt, ist es wichtig, dass es davor geschützt wird.
Am einfachsten für Sie ist sicher eine Kontaktaufnahme mit der Familienbegleitung. Schildern Sie Ihre Beobachtungen und bitten Sie die Person, dass Sie Einfluss darauf nehmen wird.(Bitte beachten: Dieser Schritt erweist sich aus rechlticher Sicht problematisch. Siehe weiter unten.)
Eine grössere Herausforderung ist das direkte Gespräch mit den Eltern. Vielleicht haben Sie ein Erstgespräch geplant. Dann können Sie das Thema zu diesem Zeitpunkt erwähnen. Wenn nicht, macht es Sinn, baldmöglichst ein Treffen abzumachen. Bitten Sie telefonisch die Eltern um einen Termin, damit Sie mit ihnen über wichtige Punkte ohne das Dabeisein des Kindes reden können. Erwähnen Sie den Hauptgrund nicht am Telefon. Heikle Themen sollen im Gespräch angegangen werden.
Reden Sie nicht „um den Brei herum“. Bedanken Sie sich für das Kommen der Eltern/der Mutter und leiten Sie dann gleich zum Thema über. Oft hilft es, dass Sie damit beginnen, dass es für Sie schwierig sei, nun etwas Persönliches anzusprechen, dass es aber gleichzeitig zum Schutz ihres Kindes sei. Beschreiben Sie, was Sie wahrgenommen haben. Wichtig ist, dass Sie erwähnen, dass die Kinder sie auf die schmutzigen Kleider ansprechen. Und schliessen Sie dann mit dem Wunsch ab, dass das Kind so in den Kindergarten kommen kann, dass es nicht mehr in diese unangenehme Situation geraten muss.
Für schwierige Gespräche empfehle ich eine wörtliche schriftliche Vorbereitung. Wie will ich begrüssen? Wie beginne ich das Gespräch? Wie führe ich ins Thema ein? Was dann geschieht, kann ich nicht mehr vorbereiten. Es bleibt offen zu sein für die Reaktion der Eltern und einen verständnisvollen Umgang damit. Ich gehe davon aus, dass diese Eltern selber auch in Not sind.
Ich wünsche Ihnen Mut, möglichst rasch das Gespräch zu suchen und ein gutes Feingefühl in der Begegnung mit den Eltern.
Darf ich die Familienberatung kontaktieren ohne dass dies die Eltern wissen? Muss ich nicht erst die Eltern um Erlaubnis fragen, mich mit der Familienberatung in Kontakt zu setzen?
mit Blick auf die von Dir geschilderte Situation ist Art. 29 („Mängel in Erziehung und Pflege“) des bernischen Volksschulgesetzes (VSG; BSG 432.210) einschlägig. Dessen Abs. 1 lautet wie folgt:
Sind Anzeichen für Mängel in der Erziehung oder Pflege oder für eine anderweitige Gefährdung der Schülerinnen und Schüler vorhanden, informiert die Lehrerschaft oder die Schulleitung die Eltern.
In Abs. 2 wird sodann Folgendes festgehalten:
Nötigenfalls benachrichtigt die Schulkommission die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde. Zum Schutz des Kindes kann in Ausnahmefällen die Benachrichtigung der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde ohne vorgängige Information der Eltern erfolgen.
Ob nun in Deinem Fall die Familienbegleitung/-beratung durch die KESB in Auftrag gegeben bzw. angeordnet wurde (was sehr wahrscheinlich ist) oder nicht, spielt keine Rolle. Die massgebenden Grundsätze sind nämlich so oder so diejenigen des Kindeswohls („zum Schutz des Kindes“) und der Verhältnismässigkeit („nötigenfalls“, „in Ausnahmefällen“).
Das bedeutet, dass eine Information schulexterner Stellen nur dann ohne vorgängige Information der Eltern erfolgen darf, wenn dies als die einzige Möglichkeit zur Wahrung des Kindeswohls erscheint. Für diesen schwierigen Entscheid zuständig ist in jedem Fall die jeweilige Schulkommission - und damit weder die Schulleitung noch die Lehrperson.
Aus meiner Sicht sind zunächst die Eltern (im Rahmen des von manaso empfohlenen Gesprächs) darüber aufzuklären, dass eine Benachrichtigung der KESB/Familienberatung laut Gesetz in Betracht gezogen werden muss, falls sich die Situation nicht bald markant bessert. Anschliessend würde ich, sofern keine spürbare Verbesserung eintritt, die Familienbegleitung informieren, die Eltern aber vorgängig hierauf hinweisen. Dauert die Verwahrlosung hernach dennoch weiter an, müsste man in der Tat die KESB einschalten, und zwar in der Tendenz effektiv ohne vorgängige Information der Eltern.
Spontane Gedanken zum Kindergärtner/innen - Beruf: Gefahr der beruflichen Überforderung. Gespräche mit Eltern sind in der Regel sehr intensiv: zeitlich und oft auch emotional. Zusätzlich zum normalen anspruchsvollen Pensum. Gefahr der Rollenanhäufung: Kindergärtner/in, Beraterin, Sozialarbeiterin, Erziehungsberaterin, Mediatorin ua.
Günstig, wenn eine Schule eine Person für Sozialarbeit hat, deren Rolle und Aufgaben klar definiert sind. Eltern werden vor Schuleintritt ihres Kindes informiert, wann sie von der Schule kontaktiert werden, wie die Eltern mit der Schule Kontakt aufnehmen können, z.B. im Fall von Armut, Sozialhilfe, anderer Hautfarbe. Stigmatisierungen von Lernenden müssen mit allen Mitteln verhindert werden.