Letztes Jahr hatte ich meinen Berufseinstieg mit meiner 3. Klasse. Nach einem Jahr bin ich nun kurz davor, auszubrennen. Ich habe daher heute der Schulleitung meine Kündigung überreicht. Diese hat ziemlich niedergeschlagen reagiert, meinte dies „scheisse sie an, die Stelle auszuschreiben“ und anschliessend nach meinen Gründen gefragt. Sie führte auch den Punkt an, dass sie als SL noch nie so viel in eine Klasse investiert habe und offenbar ihr Ziel verfehlt habe, weil ich gehen wolle, dies habe also alles nichts gebracht. Auch meinte sie, gewisse seien halt geschaffen für den Lehrerberuf und andere nicht. Was ich denn für eine Perspektive habe? Auch meinte sie, man müsse in den ersten Jahren halt echt durchbeissen.
Sie erwähnte auch, wie sehr sie mich schätze, das Kollegium mich schätzt, ich eine gute LP sei, engagiert usw. Schlussendlich eröffnete sie mir die Möglichkeit, eine andere Klasse als KLP übernehmen zu können. Dort könne ich mich vielleicht mehr entfalten, ohne die Einschränkungen meiner Stellenpartnerin, die manchmal „fix“ in ihrem System drin ist und Neuerungen oder Änderungen nicht mag, die ich vorbringe. Unsere Zusammenarbeit (mir und Stellenpartnerin) gestaltet sich im Moment sehr schwierig.
In dieser ganzen Sache hat es viele „wenns“ und „aber“ drin. Viele Dinge wären bzgl. der neuen Klasse nicht geklärt, die Situation ist noch sehr offen. Gleichzeitig frage ich mich kritisch, ob mich die SL einfach einwickeln will, damit sie die Stelle nicht neu ausschreiben muss und mich „behalten“ kann. Einige von ihren gemachten Aussagen stören mich, bei gewissen habe ich auch sachlich und klar dagegengehalten. Hat sie mir Honig ums Maul geschmiert? Ich merke, wie ich nach jedem Gespräch mit der SL ins Wanken komme, wenn ich nicht 100% sicher bin, was ich will. Das Angebot mit der anderen Klasse hat mich nun wieder einmal ein bisschen aus der Bahn geworfen.
Daher meine Frage: Inwiefern ist die SL einer klaren, transparenten Kommunikation verpflichtet? Inwiefern hat sie vielleicht „recht“ mit ihren Einwänden oder Punkten?
Meine Kündigung bleibt nach gemeinsamer Vereinbarung bestehen, je nachdem kann ich sie flexibel auslegen und dann besagte andere Klasse übernehmen.
Liebe Valora
Ihr erstes Jahr im Berufseinstieg geht in diesen Tagen zu Ende, so wie Sie schreiben war es ein turbulentes, forderndes und anstrengendes Jahr. Es scheint in verschiedener Hinsicht ein anspruchsvoller Start ins Berufsleben gewesen zu sein: Sie benennen die Zusammenarbeit mit der Stellenpartnerin als schwierig, die Schulleitung scheint während des Jahres auch involviert gewesen zu sein um Sie und die Klasse zu unterstützen. Sie befürchten sich zu erschöpfen an der Aufgabe und schreiben, dass Sie sich entschieden haben, die Anstellung in diesen letzten Tagen des Schuljahres zu kündigen.
Ich habe da ganz praktische Rückfragen: Der ordentliche Kündigungstermin auf Ende dieses Schuljahres war am vergangenen 30. April und der nächste ist am 31. Oktober 2021 auf Ende des ersten Semesters im nächsten Schuljahr, also per 31. Januar 2022.
Läuft eine befristete Anstellung aus, so dass Ihre Schulleiterin nicht auf den Kündigungsterminen besteht und Sie verpflichtet sind, das nächste Schuljahr anzutreten?
Sie fragen, ob die Schulleitung zur transparenten Kommunikation verpflichtet sei.
Ehrlich gesagt finde ich Ihre Schulleitung kommuniziert sehr transparent:
• Sie tut offen kund, dass Ihre Kündigung sie in eine ganz schwierige Situation bringt, die Kündigungstermine sind vorbei, idealerweise sind die Stellen zu diesem Zeitpunkt besetzt.
• Die SL scheint Sie und Ihre Klasse im vergangenen Jahr mit zeitlichem Aufwand begleitet und unterstützt zu haben und sie ist jetzt enttäuscht, dass Sie nicht bleiben, sich ihr Aufwand nicht «ausbezahlt»
• Sie gibt Ihnen, und dies hat auch einen unangenehmen Teil, eine ungefragte Rückmeldung, wo sie als Vorgesetzte Ihre Stärken und Schwächen sieht.
• Sie macht Ihnen dennoch ein neues Angebot, weil sie auch an Sie glaubt und Ihnen das Klassenlehramt zutraut und anerkennt, dass die Arbeit im Klassenteam anspruchsvoll war.
Sie schreiben, dass Sie das Angebot der Schulleitung zu bleiben und an einer neuen Klasse zu unterrichten verunsichert, weil Ihnen klare Angaben zur Situation an der Klasse fehlen.
Aus Sicht der Schulleitung kann ich das verstehen, da scheint eine Stelle nicht besetzt zu sein, viele Dinge lassen sich erst mit den neu angestellten Personen klären.
Sie haben sich entschieden zu gehen, die Schulleitung bittet Sie zu bleiben und bietet Ihnen eine andere Stelle an. Das empfinde ich wie gesagt als transparent.
Ich kann mir vorstellen, mit dem Einreichen der Kündigung hatten Sie sich entschieden: Sie waren sich sicher was Sie wollten und sich entschieden zu gehen.
Durch das neue Angebot müssen Sie sich nun neu entscheiden und den Prozess noch mal durchlaufen. Einige Fragen müssen Sie sich nochmals überlegen:
• Wie geht es mir in dieser Schule?
• Wie geht es mir im Kollegium?
• Fühle ich die Unterstützung der Schulleitung?
• Kann ich mir eine Arbeit an der neuen Klasse vorstellen?
• Kann ich mir vorstellen, das nächste Jahr an dieser Schule zu unterrichten?
Vielleicht ist es hilfreich, wenn Sie diese Fragen für sich selbst beantworten um ein Ja oder ein Nein zu finden.
Unabhängig davon, wie es im Detail an der neuen Klasse genau sein wird.
Ich wünsche Ihnen einen guten Entscheid.
Meine Kündigung habe ich tatsächlich mit „Wunsch“ per Ende Oktober eingereicht, rechtlich korrekt greift sie dann am 31.01.22. Ich bin mir in diesem Sinne bewusst, dass ich die ganze Situation noch ein paar Monate werde aushalten müssen.
Grundsätzlich fühle ich mich an der Schule und im Kollegium sehr wohl. Bezüglich der neuen Klasse wäre es mir jedoch wichtig, dass das Klassenteam stimmt (weil dies bei mir jetzt 50% des Kündigungsgrunds ausmachte) und ich einen räumlichen Abstand zu meiner momentanen Stellenpartnerin haben könnte. Nach dem Sommer zügelt besagte Klasse neben uns auf den gleichen Stock - eine Übernahme dieses Zimmers und Weiterarbeit neben meiner aktuellen Stellenpartnerin kann ich mir momentan nicht vorstellen. Und dann wäre das Dilemma, welche andere Klasse wohl ihr Zimmer aufgeben und dort rüberzügeln würde? Ich fände es vermessen, andere LP’s darum zu bitten oder zu fragen.
Danke auch für die Antwort bezüglich der transparenten Kommunikation der Schulleitung. Genau aus diesem Grund wollte ich eine Rückmeldung von aussen, um meine eigene Wahrnehmung zu reflektieren.
Ich werde diese Fragen, wie Sie schreiben, wohl noch ein bisschen bearbeiten und dann meine eigene Antwort finden müssen. Vielen Dank fürs Puzzlestück dazu.
Stichwort ‚Stellenpartnerin‘:
am liebsten würden Sie der Stellenpartnerin nicht begegnen im Schulhaus. Da scheinen einige ungelöste, emotional belastende Konflikte vorhanden zu sein. Es kann sinnvoll sein, diese immer noch vorhandene Abneigung supervisorisch anzugehen, zuerst als Einzelsupervision, später gemeinsam mit Ihrer Kollegin, mit dem Ziel, vorhandene Verletzungen anzusprechen und zu ‚neutralisieren‘.
Allgemeine Überlegung:
Teamarbeit im Lehrberuf ist ausserordentlich anspruchsvoll, weil persönliche Werthaltungen, Berufskonzepte und individuelle Biographien aufeinanderprallen. Ohne entsprechende Vorabsprachen und Überprüfung der ‚Chemie‘, sind tägliche Konflikte programmiert, die zu Kündigungen führen können.
Teamarbeit enthält Chancen und Entlastungen, aber auch Fallen und Belastungen.
Vielen Dank für den Hinweis. Mittlerweile habe ich eine personenzentrierte Beratung an der PHBern in Anspruch genommen und ein entsprechendes Gespräch (gewaltfrei formuliert!) vorbereitet. Diese Notizen habe ich meiner Stellenpartnerin bei einem Gespräch dieser Woche vorgelesen und ihr dort auch gesagt, dass ich die Schule auf Ende Januar 2022 verlassen werde.
Für meine Stellenpartnerin kam diese Ansage unerwartet und danach hat sie konkret nachgefragt, was denn wirklich der Grund für die Kündigung sei. Ich konnte dies entsprechend ausformulieren und Knackpunkte nennen, bei deinen sie auch sagen konnte „Ja, das stimmt…“. Schlussendlich weiss ich jetzt, was ihre Sicht und Motivation des ganzen war und dies hilft mir sehr. Viele Dinge waren gut gemeint, gingen jedoch in die falsche Richtung, weil ich andere Bedürfnisse hatte. Wir wissen nun beide, was wir brauchen und wie es der andere gemeint hat. Das Gespräch war sehr ehrlich und offen.
Mit diesem Wissen können wir hoffentlich die nächsten 6 Monate für beide Seiten angenehm gestalten. Erste Vereinbarungen haben wir bereits genagelt. Das tut gut. Nach diesem Gespräch war ich sehr erleichtert, konnte ich nun endlich meine Gedanken und Gefühle in Worte fassen.
PS: Danke für den Hinweis zur Zusammenarbeit, dies kann ich für mein nächstes Team brauchen!
Da ist Ihnen eine sehr gute, lösungsorientierte Arbeit gelungen. Bravo! Auf dieser Grundlage wünsche ich Ihnen für die nächsten sechs Monate eine bereichernde, angenehme Zusammenarbeit.