Warum sagt oder tut niemand etwas

Seit einigen Monaten werde ich im Kollegium ausgegrenzt. Wenn ich einen Raum betrete, schweigen plötzlich alle. Wenn ich mich an einer Sitzung äussere, verdrehen sie die Augen. Wenn ich eine Frage stelle, sagt niemand etwas, wenn ich eine Idee habe, hört man sie nicht.
Wenn ich die „Kollegen/innen“ auf meine Wahrnehmungen anspreche, belächelt man mich, sieht weg, geht weg. Ich habe mit der Schulleitung darüber gesprochen und ihr gesagt: ich fühle mich nicht willkommen, ich habe das Gefühl, dass ich, was ich mache, es falsch mache. Die SL bestätigt meine Wahrnehmung und sie kann nachvollziehen, dass ich das Gefühl habe. Aber die Schulleitung unternimmt nichts. Sie bemerkt es, bestätigt es, duldet es, akzeptiert es. Trägt es mit?
Ich habe nun gekündigt, noch steht ein Quartal vor mir. Wie kann ich das noch so lange ertragen, ohne dass ich scheitere? Warum sagt niemand etwas? Warum passiert mir das? Habe ich das verdient?

Liebe/r Miupmiup

Habe ich das verdient? fragen Sie zum Schluss Ihrer Forumsfrage, ich finde nein.

Niemand hat das verdient. Ich habe die Vorstellung von Schule als einem Ort, zu deren bedeutsamen Aufgaben es gehört, alle Schülerinnen und Schüler willkommen zu heissen, sich dafür einzusetzen, dass niemand zurückbleibt oder nicht dazu gehört. Ein wichtiger Beitrag zum Zusammenhalt in unserer Gesellschaft. Umso bitterer scheint es mir, in einer dieser Institutionen als Mitarbeitende/r gegenteilige Erfahrungen zu machen.

Sie schreiben, dass Sie Ihre Kolleginnen direkt angesprochen haben, ihnen Ihre Wahrnehmung mitgeteilt haben. Das finde ich mutig, Sie sprechen Dinge an und setzen sich aktiv für eine Veränderung an ein. Als dieser Schritt keinen Erfolg zeigte, haben Sie auch die Schulleitung kontaktiert. Dort wurden Sie zwar gehört und verstanden, jedoch hat die SL, als pädagogische Leitung dieser Schule und Vorgesetzte Ihrer Kolleginnen, nicht reagiert. Aus Ihren Zeilen lese ich auch nicht, dass die SL Sie stärken oder unterstützen würde in Ihrem Umgang mit der Situation.

Jetzt sind Sie noch einen Schritt weiter gegangen: Sie haben sich entschieden, eine für Sie schwierige Situation, die Sie nicht mehr positiv beeinflussen oder verändern können, zu verlassen. Auch hier beeindruckt mich Ihre Tatkraft.
Sie überlegen sich nun, wie Sie das letzte Quartal schaffen und haben Angst zu scheitern. Spontan denke ich, was kann noch passieren? Sie haben einen Entscheid gefällt und gekündigt. Ich denke, für Sie ist es wichtig, die Arbeit mit Ihren Schülerinnen und Schülern und den Eltern gut zu Ende zu bringen, mit den Ihnen anvertrauten Kindern einen guten Abschluss an diesem für Sie unbefriedigenden Ort zu finden. Diese Beziehungen können Sie ins Zentrum stellen, Ihre SuS und Eltern sind für Sie wichtig. Aus der anderen, wenig fruchtbaren Zusammenarbeit können Sie sich zurückziehen, auch um weitere Verletzungen zu vermeiden.

Das ist nicht einfach und kann Kraft kosten. Gerne weise ich Sie an dieser Stelle auch auf die Angebote der Personzentrierten Beratung hin. Die Beraterinnen und Berater der PHBern begleiten Lehrpersonen durch schwierige Situationen.

Ich wünsche Ihnen alles Gute
Niesen

Danke für Ihre Antwort und der Hinweis auf die Personenzentrierte Unterstützung. Ich werde darüber nachdenken und mich ev. dort melden.
Würde ich dort die Situation für mich aufarbeiten? Oder ist die Idee, das Team miteinzubeziehen?
Ich denke dabei an Mobbing-Situationen unter Schülerinnen und Schülern. Dort ist eine Aufarbeitung und der Miteinbezug aller jeweils wichtig. Mit der Kündigung nehme ich mich aus dem Schussfeld. Ist das die Lösung für alle?

Liebe/r Miupmiup
Gerne gebe ich Ihnen noch ergänzende Angaben zu den Rahmenbedingungen und zur Arbeit der Personzentrierten Beratung PZB.
Die Beratungen sind vertraulich und 6 Beratungsstunden sind unentgeltlich. Die Lehrpersonen kommen mit ihrem jeweiligen Anliegen in die Beratung. Die LP entscheidet, über welche Themen sie sprechen will und gemeinsam suchen LP und Beraterin nach der passenden Arbeitsweise. Wenn Lehrpersonen wünschen, dass das System einbezogen wird, suchen die Beratungspersonen nach Möglichkeiten, wie das umgesetzt werden kann. In der Beratung können verschiedene Varianten durchgedacht, Vor- und Nachteile abgewogen werden. Der Entscheid, ob die Schulleitung, die Behörde vor Ort, evt das Inspektorat informiert oder einbezogen wird, liegt bei der Lehrperson.
Ansonsten sind die Beratungen wie gesagt vertraulich, das heisst niemand wird informiert.

Wenn in einer Schule Mobbingthemen unter den Schülerinnen und Schülern auftauchen, ist es in der Verantwortung der Unterrichtenden, dies anzugehen und die Vorgehensweisen mit Einbezug des Systems haben sich bewährt.

Sie fragen, ob Ihre Kündigung die Lösung für alle sei?
Das kann ich nicht beantworten, jedoch hoffe ich, es ist eine gute Lösung für Sie. So wie Sie die Situation schilderten, haben Sie versucht zu verändern, was in Ihren Möglichkeiten steht. Wenn dies nicht die gewünschte Wirkung hat, können Sie die Situation verlassen und dadurch selber eine Veränderung herbeiführen.

Liebe Grüsse
Niesen

Liebe/r Miupmiup
Liebe/r Niesen

Ich erlaube mir in diesem Zusammenhang die Frage, wann und wo auch die SchulleiterInnen zur Rechenschaft gezogen werden können? Kann es nicht auch sein, dass diese zuwenig Persönlichkeit und Mut haben, in ihrer Leitungs- und Führungsfunktion die Konfliktfähigkeit aller anzuleiten, zu üben, zu begleiten?
Leider ist es auch so, dass ich aus meiner Wahrnehmung den Eindruck habe, dass die Lehrpersonen immer noch relativ ungeschützt sind (gesetzlich) und sich nicht viel Konflikte/Widerstand leisten dürfen, um danach nicht ausgegrenzt zu werden. Ich habe die Hoffnung noch nicht verloren, dass es auch umsichtige Leadership-Schulleitende gibt und nicht „nur“ Administrator
innen.
In dem Sinne finde ich dein Verhalten mutig und dass du für dich einstehen kannst auch. Es ist zu hoffen, dass sich vielleicht an dieser Schule nach deinem Weggang etwas bewegt… auch wenn es für dich zu spät kommt.
Freundliche Grüsse
Creativity

Liebe/r Miupmiup

Ertragen kannst du diese schwierige Situation, in dem du dir ein Coaching suchst, eine Person, welche dich begleitet und unterstützt, damit du die Schule möglichst unbeschadet verlassen kannst. Psychisch und körperlich. Ohne zu scheitern.
Warum niemand etwas sagt? Du bist Teil eines Kollegiums mit einer destruktiven Dynamik, die sich vermutlich während längerer Zeit aufbauen konnte.
So etwas verdient niemand. Warum passiert dir das? Die Klärung dieser Frage kann dir helfen, künftig ähnliche Entwicklungen rechtzeitig zu erkennen und zu vermeiden. Persönliche Anteile zu reflektieren.

Herzlich

Jomali

Salut
Ich bin auch der Meinung, dass die SL Ihre Verantwortung nicht übernommen hat. Für mich habe ich die „Lösung“ gefunden, dass ich gehen werde. Dies fällt mir jedoch sehr schwer, da mir die Kinder sehr wichtig sind und ans Herz gewachsen sind und ich ein äusserst gutes Einvernehmen mit den Eltern habe. Welche meinen Weggang auch bedauern.
Ich nehme psychologische Unterstützung in Anspruch. Es sollte eine Stelle geben, wo man sich niederschwellig melden kann und dann hingeschaut wird. Das würde ich mir wünschen.

Liebe/r Miupmiup

Ich denke das niederschwelligste Angebot finden Sie hierzu im Angebot der PHBern. Ausserhalb gibt es auch Möglichkeiten wie z.B. https://www.alchenberger.ch/

Und es ist sicher so, dass Konfliktmanagement eine Führungsaufgabe ist, aber auch die Fähigkeit voraussetzt, die in diesen Positionen in Verwaltung und in der Privatwirtschaft oft nicht gegeben ist. In Ihrem Fall hat es daher wahrscheinlich gar nichts mit Ihnen zu tun, auch wenn es sich so anfühlt und darstellt.

Ich wünsche Ihnen Zuversicht und viel Zeit, sich aus diesem toxischen Umfeld zu erholen und, dass Sie bald wieder aus dem Vollen schöpfen können.

Ulla