Eine Lehrperson hat neu in einem Schulhaus zu unterrichten begonnen. In diesem Schulhaus werden Kinder, die etwas zu Hause vergessen haben, während des Unterrichtes nach Hause geschickt. Auch werden immer wieder Kinder in den Pausen zurückbehalten, um nachzuarbeiten oder werden an einem freien Nachmittag zur Strafarbeit in die Schule eingeladen. Ist das rechtlich vertretbar?
Ausgangspunkt ist Art. 28 des Volksschulgesetzes, dessen Absätze 1 und 2 wie folgt lauten:
1 Die Volksschule sorgt für einen geordneten Schulbetrieb und ein förderliches Lernklima. Die Schülerinnen und Schüler haben die Regeln der Schule für das Zusammenleben einzuhalten sowie die Anordnungen der Lehrerschaft und der Schulleitung zu befolgen.
2 Die Lehrerschaft und die Schulleitung sind ermächtigt, gegenüber fehlbaren Schülerinnen und Schülern diejenigen Massnahmen zu ergreifen, die zur Aufrechterhaltung des geordneten Schulbetriebes nötig sind.
Diese allgemein gehaltenen Bestimmungen regeln nicht, welche Massnahmen im Einzelnen zulässig sind und welche nicht. Als allgemeine Leitplanken der Rechtsordnung können das Willkürverbot und das Verhältnismässigkeitsgebot herangezogen werden. Willkürliche, also ohne sachlichen Grund verhängte Massnahmen dürften demnach unzulässig sein. Ebenso dürften Massnahmen unzulässig sein, die in Bezug auf die Ursache als unverhältnismässig erscheinen. Massnahmen, die auf einen sachlichen Grund zurückzuführen und verhältnismässig sind, dürften demnach in rechtlicher Hinsicht zulässig sein.
Zu denken ist ferner an das Gebot der Gleichbehandlung in der Rechtsanwendung. In diesem Zusammenhang ist es ratsam, innerhalb eines Schulbetriebs in vergleichbaren Fällen die gleichen Grundsätze zu leben. Überdies dürften Kollektivmassnahmen nach meiner Einschätzung zu weit gehen; die einzelnen Massnahmen sollten ausschliesslich diejenigen Schülerinnen und Schüler betreffen, die die entsprechende Ursache gesetzt haben.
Losgelöst vom rechtlichen Aspekt sollten Massnahmen in jedem Fall pädagogisch wertvoll sein.
Im Detail:
• Schülerinnen und Schüler, die etwas zu Hause vergessen haben, während des Unterrichtes nach Hause schicken? Aus rein rechtlicher Sicht dürfte die Massnahme zulässig sein, da sie weder willkürlich noch unverhältnismässig erscheint. Sinn und Zweck der Massnahme können jedoch hinterfragt werden. Zum einen ist der Erfolg der Massnahme davon abhängig, ob die Schülerin oder der Schüler überhaupt in die Wohnung kann (Schlüssel? Eltern zu Hause?). Zum andern ist zu bedenken, dass Risiken bestehen (Trödelei bei der Umsetzung? Verkehr?). Es gibt Schulen, die von dieser Massnahme abgewichen sind.
• Schülerinnen und Schüler in den Pausen zurückbehalten, um nachzuarbeiten? Aus rein rechtlicher Sicht dürfte die Massnahme zulässig sein, da sie weder willkürlich noch unverhältnismässig erscheint. Sinnvoll scheint die Massnahme insbesondere dann zu sein, wenn es die Schülerin oder Schüler war, die oder der den Grund für die Nacharbeit gesetzt hat, etwa weil sie oder er zu spät in die Lektion gekommen ist.
• Schülerinnen und Schüler am freien Nachmittag zur Strafarbeit in die Schule einladen? Aus rein rechtlicher Sicht ist die Massnahme wohl zulässig, da sie weder willkürlich noch unverhältnismässig erscheint. Ob sie sinnvoll ist, dürfte sich anhand der konkreten Ausgestaltung entscheiden.
Ich hoffe, die Antwort hilft weiter.
Zur Frage: Schüler nach Hause schicken
Aus meiner Sicht kann dies eine sinnvolle Massnahme sein. Ich entscheide dies aufgrund des Materials das vergessen wurde. Wurde etwas vergessen, das für die Arbeit in der Schule wichtig ist (Schreibmaterial, Bücher, Hefte…), müssen die Schüler dies holen gehen. Wie sollen sie sonst sinnvoll arbeiten können? Wie der Experte sagt, muss natürlich gewährleistet sein, dass der Schüler in die Wohnung kann. Auch das Alter muss berücksichtigt werden. Für Oberstufenschüler finde ich es zumutbar, nach Hause zu gehen. Ich frage jeweils auch, wie lange sie für den Weg brauchen. Sagt ein Schüler, dass er in 10 Minuten zuhause sei, erwarte und sage ich ihm, dass er 25 Minuten wieder in der Schule sein muss. In der Regel beeilen sie sich, denn das Verpasste müssen sie ja dann auch nachholen.
Ich sehe es auch als Vorbereitung für die Berufswelt. Wer sein Material am Morgen nicht in den Betrieb mitnimmt, kann auch die Arbeit nicht aufnehmen. Und dem Lehrmeister zu sagen, er könne es ja am nächsten Tag mitbringen, geht nicht.
Zur Frage: In den Pausen zurückbehalten
Da bin ich sehr zurückhaltend, da dann auch meine Pause draufgeht. Ausserdem sind die 5-Minuten-Pausen kaum ausreichend, um wirklich etwas herauszuholen. Und wenn die Schülerin dann zu spät in die nächste Lektion geht, stört das meine Kollegen unnötig.
Was ich ab und zu mache, ist, die Schüler am Nachmittag länger zu arbeiten, wenn sie aufgrund trödelnden Arbeitens mit einem Auftrag nicht fertig wurden. Macht man das regelmässig und kommuniziert dies vorab transparent, erhöht dies den Ansporn, die Zeit in der Lektion gut zu nutzen.
Ich denke, das Gesetz trifft es mit der offenen Formulierung, gekoppelt mit dem Verhältnismässigkeitsgebot und dem Willkürverbot, sehr gut. Verhältnismässige und nicht willkürliche Massnahmen werden auch von meinen Schülern problemlos akzeptiert.
Ich mache bezgl. Nacharbeiten nach der Schule oder Aufgaben zu Hause holen sehr gute Erfahrungen, wenn ich diese Massnahme zusammen mit den Eltern aufgleise. Das heisst, ich spreche mich mit ihnen ab, bevor ich sowas veranlasse, damit ich sicher sein kann, dass sie mir nicht in den Rücken fallen. Oft sind sie sogar dankbar für diese Möglichkeit der logischen Konsequenz für ihr Kind. Das entlastet sie. Von zu Hause aus haben sie weniger Möglichkeiten der logischen Konsequenz beim Versäumen von Hausaufgaben etc. Für das Kind ist es auch ein gutes Zeichen, weil es merkt, dass Eltern und Lehrpersonen am selben Strick ziehen.