Ich gebe dieses Jahr neu Deutschunterricht an einer 4.-6. Klasse. In dieser Klasse sind drei abgeklärte Kinder mit LRS. Ich merke, dass ich noch zu wenig weiss, wie ich diese Kinder betreuen kann während des Unterrichts. Ich fühle mich gerade noch etwas überfordert. Wie kann ich ihnen sinnvoll helfen? Worauf muss ich achten? Wie korrigiere ich sinnvoll Texte, so dass sie nicht frustriert sind und nicht der halbe Text angestrichen ist? Hat jemand Tipps?
Guten Tag
Ich kann gut verstehen, dass der Deutschunterricht in einer derart heterogenen 4.-6. Klasse dich herausfordert. Deine Fragen betreffen die Differenzierung und Individualisierung des Unterrichts, v.a. für die 3 Kinder mit LRS. Obwohl du nichts darüber schreibst, gehe ich davon aus, dass eine schulische Heilpädagogin als IF-Lehrperson mit dir und diesen drei SchülerInnen mit einer LRS zusammenarbeitet.
Diese Zusammenarbeit aufzubauen, scheint mir sehr zentral zu sein: Die IF-Lehrperson sollte bei den drei Kindern den Lernstand im Lesen und Schreiben genau erfassen. Auf dieser Grundlage legt sie ihre Förderziele fest und kann dich bzgl. der individualisierten Unterrichtsziele beraten. Es ist wesentlich, dass die Förderziele im IF und die Lernziele deines Unterrichts koordiniert sind. Sinnvoll wäre auch gemeinsam ein Unterrichtsprojekt zu planen, z.B. zur Leseförderung mit allen SuS deiner Klasse mit einem differenzierten Lernangebot. Ein regelmässiger Austausch und die Reflexion eurer Beobachtungen zu den Lernprozessen und Zugriffsweisen, den Lernfortschritten oder -schwierigkeiten der drei Kinder kann dir laufend wichtige Impulse für deinen Deutschunterricht in der Klasse geben.
Eine deiner Fragen betrifft konkret das Korrigieren von freien Texten/ Aufsätzen: Aus heutiger fachdidaktischer Sicht, wird der Prozess der Erarbeitung eines Textes als besonders lernwirksam angesehen. Vom ersten Entwurf über mehrere Überarbeitungsschritte, die sinnvollerweise mit Lernpartnern oder in Schreibkonferenzen stattfinden, unter Beizug von Checklisten und Hilfsmitteln (z.B. Wörterbüchern) entsteht ein „fertiger“ Text. Die Begleitung dieses Erarbeitungsprozesses, insbesondere auch die Korrektur und Beurteilung des Textes stützt sich bei den LRS SchülerInnen auf ihre je individuellen Lernziele und die daraus abgeleiteten aktuellen Beurteilungskriterien ab. Dabei ist besonders zu beachten, dass die Rechtschreibung (vermutlich ihr Hauptproblembereich) nur ein Aspekt neben anderen, wie Textaufbau, Verständlichkeit, Wortwahl, Stil, Satzbau, ausmacht. Je angepasster die Lernziele (in der Zone der nächsten Entwicklung), je klarer diese mit den Beurteilungskriterien den Kindern mitgeteilt werden, desto weniger wirst du sie frustrieren. Oder anders formuliert: Wenn die 3 SchülerInnen wissen und verstehen, worauf sie beim Schreiben achten sollen und diese Kriterien (und nur diese!) in der Beurteilung auch zählen, umso eher strengen sie sich an und erzielen Lernfortschritte, was sie wiederum motiviert zu üben. Möglich ist es auch, die Rechtschreibung aus der Beurteilung auszuklammern. Eine Abschrift oder Reinschrift kann z.B. am Compi stattfinden, damit du zum Abschluss eine Endkorrektur vornimmst oder mit ihnen eine Textkorrekturprogramm durchführst.
Zum Schluss noch dieser Hinweis: Leider zeigen SchülerInnen mit einer LRS häufig nicht ihre Textkompetenzen beim Schreiben von Texten in der Schule. Sie beschränken sich auf kurze, inhaltlich magere Texte um damit Rechtschreibfehler und eine spätere zeitaufwändige Korrektur zu vermeiden. Eine Möglichkeit dem entgegenzuwirken kann sein: ein Kind mit LRS diktiert dir oder einer/ einem kompetenten Mitschüler/-in ihren Text.
Gerne erwarte ich deine Reaktion, oder die anderer Forumsmitglieder, und deine weiteren Fragen.
Liebe Grüsse
Kobe
Liebe Sabrina
Wenn ich dich richtig verstehe, hast du Mehrjahrgangsklassen, also eine durch und durch heterogene Klasse. Darauf werden wir grundsätzlich zu wenig vorbereitet. Mit dem rel. neuen Hintergrund, dass möglichst alle Kinder in der Regelklasse unterrichtet werden sollen (VSG, Art. 17) bist du mit deiner Situation in bester Gesellschaft.
Ich würde mich umschauen nach Lehrpersonen, die mit solchen Unterrichtsformen, also ganz generell integrativem, inklusivem Unterricht Erfahrungen haben. Das kann auch jemand sein, der z. B. in einem Pilotprojekt für die Basisstufe teilgenommen hat. Damit kommst du auch etwas weg von der „Fixierung“ auf die drei Kinder, Stichwort „Wo zwei Personen zusammenkommen, haben wir es mit einer heterogenen Gruppe zu tun“. Bei einem Schulbesuch in Köln, wo seit Jahrzehnten integrativ unterrichtet wird, habe ich festgestellt, dass die Unterrichtsform des „Kooperativen Lernens“ sehr hilfreich ist. Dazu gibt es zum Einstieg hilfreiche Bücher und es lohnen sich Kurse (auch an der PH angeboten), welche integrative Unterrichtsmodelle vermitteln. Auch wenn dir das für den Schuleinstieg nach den Herbstferien nicht gerade nützt, ist es doch ein Schritt, der dir vielleicht generell und längerfristig hilft im Unterrichtsalltag.
Vielleicht findest du auch über diese Seite hilfreiche Informationen oder Möglichkeiten für eine Kontaktaufnahme: http://www.integrativeschule.ch
Langjährige Erfahrung mit integrativem Unterricht hat die Schule Stapfenacker im Schulkreis Bümpliz in Bern. Ich kenne ein paar Lehrpersonen dort und weiss, dass sie sehr hilfreich sind bei Fragen rund um den integrativen Unterricht.
Die PH Zürich bietet einen Kurs „Beurteilen im integrativen Unterricht“ an, ob es etwas Vergleichbares in Bern gibt, weiss ich nicht.
Liebe Grüsse
Eva
Fühle mich grad sehr angesprochen… Der Unterschied in der Klasse ist riesig. Entgegen vielen Empfehlungen habe ich mich entschieden, die 4.Klasse in Deutsch immer separat zu unterrichten, und nur die 5. und 6. KLasse zusammenzunehmen. Ich arbeite mit der 4.Klasse sehr „elementar“, d.h. sie üben oft über eine Woche einfach Wörter im Grundwortschatz.:mal eine Serie k/ck, Nomen , Verben, Doppelungen etc.dies geschieht mal schriftlich, mal nur lesen, am Pc, mit Karten…da gibt es ja viele Möglichkeiten. Zum Anderen schrieben die Kinder auch oft freie Texte (Wochengeschichten), welche ich dann redigiere und sie manchmal abschreiben lasse. Ist meine Ansicht wohl konservativ, dass oft zu wenig auch auf „Schön-Schreiben“ geachtet wird? Oft passieren Fehler, weil die ganze Gestaltung schlecht ist.?- In unserer Unterstufe (1.-3.Kl.) wird fast ausschliesslich Wert auf lustvolles Schreiben gelegt. Den Schülern fehlt aber in der 4.Klasse die Schreibroutine und ein minimaler Schreibfluss. Ist es wirklich derart verpönt, wenn in der 2. und 3. Klasse klassischer Schreibunterricht ( vorschreiben, nachfahren, nachschreiben) noch stattfindet? Diktate und Wörtli mal üben wie im"alten Franz".?
Merci viumau!