Liebe(r) milchstrasse22,
der Intensivkurs Deutsch als Zweitsprache (IK DaZ) wird namentlich in Art. 5 Abs. 1 Bst. b und Art. 7 der Direktionsverordnung vom 30. August 2008 über die einfachen sonderpädagogischen und unterstützenden Massnahmen im Regelschulangebot (MRDV; BSG 432.271.11) geregelt. Die Zuweisung zu diesem Angebot zur Integration fremdsprachiger Schülerinnen und Schüler (SuS) erfolgt durch die Schulleitung und stützt sich stets «auf eine Sprachstandserfassung» (Art. 11 Abs. 2 Bst. a der Verordnung vom 19. September 2007 über die einfachen sonderpädagogischen und unterstützenden Massnahmen im Regelschulangebot [VMR; BSG 432.271.1] und Art. 5 Abs. 2 MRDV). Beim geplanten Vorhaben der Schulleitung einer (zumindest teilweisen) «Umfunktionierung» des IK DaZ durch die Aufnahme von SuS mit Deutsch als Erstsprache, die im normalen Unterricht stören, wäre das ja gerade nicht der Fall. Deshalb ist das geplante Vorhaben meines Erachtens vom Verordnungsgeber so nicht vorgesehen. Im Gegenteil könnte sogar die Gefahr bestehen, dass der Zweck des IK DaZ, also einen Raum zu schaffen, in dem fremdsprachige SuS die Unterrichtssprache möglichst schnell lernen können, unterlaufen wird.
Gemäss Art. 4 VMR muss sodann die Umsetzung der unterstützenden Massnahmen, wozu namentlich auch die Massnahmen zur Integration fremdsprachiger SuS gehören, auf ein Modell und Konzept abgestützt sein, das durch die zuständige Gemeinde per Erlass beschlossen wird. Dieses Umsetzungskonzept wird dann in den Schulen unter der pädagogischen und personellen Führung der Schulleitung umgesetzt. Die Schulleitung verfügt dabei im Rahmen ihres Berufsauftrags (Art. 89 der Verordnung vom 28. März 2007 über die Anstellung der Lehrkräfte [LAV; BSG 430.251.0]) insbesondere über die Kompetenz, für die Steuerung der Umsetzungsprozesse und für einen bedarfsgerechten und effizienten Einsatz der vorhandenen Ressourcen Entscheidungen zu treffen und die notwendigen Massnahmen einzuleiten (s. Leitfaden Integration und besondere Massnahmen in der Volksschule des Kantons Bern [IBEM], 4. Ausgabe, Februar 2019, Ziff. 1.6.6, abrufbar unter https://www.akvb-unterricht.bkd.be.ch/content/dam/akvb-unterricht_bkd/dokumente/de/startseite/sonderpaedagogische-massnahmen/einfache-sonderpaedagogische-massnahmen/bes-massnahmen-leitfaden-IBEM-d.pdf). Die Schulinspektorate überprüfen das Vorhandensein sowie die gesetzeskonforme Umsetzung der unterstützenden Massnahmen im Rahmen des standardisierten Controllings in den Schulen (s. Leitfaden IBEM, Ziff. 4.3.1; Art. 52a des Volksschulgesetzes vom 19. März 1992 [VSG; BSG 432.210]).
Letztlich ist der Bedarf an DaZ-Unterricht von Natur aus Schwankungen unterworfen, welcher sich auf die Pensen der den Unterricht erteilenden Lehrpersonen auswirkt. Für den DaZ-Unterricht sind deshalb bevorzugt Lehrpersonen zu engagieren, die bereits an einer Klasse oder Stufe des Schulstandortes arbeiten und folglich sowohl ein fixes als auch ein flexibles Pensum bzw. über zumindest zwei (Teil-)Anstellungen verfügen (Leitfaden Deutsch als Zweitsprache der Bildungs- und Kulturdirektion [BKD] des Kantons Bern, 5. Ausgabe, Mai 2022, S. 14, abrufbar unter https://www.akvb-unterricht.bkd.be.ch/content/dam/akvb-unterricht_bkd/dokumente/de/startseite/sonderpaedagogische-massnahmen/unterstuetzende-massnahmen/deutsch-als-zweitsprache/daz-leitfaden-mr-d.pdf). DaZ unterrichtende Lehrpersonen werden grundsätzlich im Rahmen einer definierten Bandbreite (Art. 8 LAV) mit einem Pensum, das auf mehrjährigen Erfahrungswerten beruht, unbefristet angestellt (Leitfaden Deutsch als Zweitsprache, S. 27). Eine befristete Anstellung ist nur unter den Voraussetzungen von Art. 10 LAV möglich.
Dass man Dich dazu «verpflichten» könnte, etwas zu unterrichten, wozu Du nicht befähigt bist, schliesse ich aus. Hingegen könnten im (mit Blick auf die aktuelle Weltlage wohl eher unwahrscheinlichen) Fall, dass der Bedarf nach einem IK DaZ komplett versiegen würde, die Voraussetzungen für eine ordentliche Kündigung eines Anstellungsverhältnisses (Art. 10 des Gesetzes vom 20. Januar 1993 über die Anstellung der Lehrkräfte [LAG; BSG 430.250]) gegeben sein. Grundsätzlich fällt der Wegfall des Pensums oder der Funktion als triftiger (Kündigungs-)Grund in Betracht. ABER: Die Voraussetzungen zur Auflösung eines Arbeitsverhältnisses müssen immer aufgrund der gesamten Umstände des Einzelfalls gewürdigt werden und die Auflösung muss stets verhältnismässig sein.
Ich hoffe, dass Dir dies ein wenig weiterhilft.
Liebe Grüsse, der schlaue Bison