Umgang mit religiösen Symbolen

Guten Tag

unsere Migrationsgesellschaft wird diverser.
Wie steht es mit den je aktuell geltenden Gepflogenheiten im Kanton Bern. betr. Tragen eines Kopftuches seitens Lehrpersonen, Studierende während einem Praktikum oder Mitarbeitenden in Tagesschulen?

In dem aus dem Jahr 2005 stammenden Leitfaden der Bildungs- und Kulturdirektion des Kantons Bern, Umgang mit kulturellen und religiösen Symbolen und Traditionen in Schule und Ausbildung steht im Kapitel 4, Kleider, Kopfbedeckung, Haartracht, unter Rechtlichem, dass für SuS keine Bekleidungs- oder ähnliche Vorschriften gelten, für Lehrpersonen aber schon. Ist diese Auslegepraxis der Empfehlungen, die auf einem bereits älteren Bundesgerichtsentscheid fusst, noch immer gültig?

Wie verbindlich sind diese Empfehlungen?
Wer entscheidet über die Auslegung dieser Grundsätze?

Farbige Frühlingsgrüsse
Herr Müller

Lieber Cocodrilo

Besten Dank für deine Frage, die bei uns angekommen ist.
Wir haben sie intern der zuständigen Expertin/dem zuständigen Experten weitergeleitet. Eine Antwort folgt so bald als möglich.
Herzliche Grüsse,
Kashgar

Lieber cocodrilo

Gemäss der Webseite des Amts für Kindergarten, Volksschule und Beratung (AKVB) der Erziehungsdirektion (heute: Bildungs- und Kulturdirektion; BKD) des Kantons Bern wird der Leitfaden «Umgang mit kulturellen und religiösen Symbolen und Traditionen in Schule und Ausbildung» (2. Auflage Juni 2009) zurzeit überarbeitet. Die aktualisierte Version soll ab Sommer 2022 zur Verfügung stehen.

Davon unbenommen: Beim im bisherigen Leitfaden angesprochenen Bundesgerichtsurteil «einer Genfer Lehrerin» handelt es sich um BGE 123 I 296 (sog. Kopftuch-Fall; aus dem Jahr 1997). Wenn es um ein Kopftuchverbot für Lehrerinnen geht, ist es immer noch der Leitentscheid (vgl. hierzu bspw. auch den Rechtsprechungsüberblick in BGE 142 I 49, E.4). Soweit ersichtlich, hat es im Kanton Bern seit Veröffentlichung des Leitfadens keine Rechtsprechung zu diesem Thema gegeben und auch an der gesetzlichen Ausgangslage hat sich nichts verändert. Die Verfassung des Kantons Bern vom 6. Juni 1993 (KV; BSG 101.1) hält in Art. 43 Abs. 1 – nach wie vor – fest: «Kanton und Gemeinden führen öffentliche Kindergärten und Schulen. Der Unterricht ist konfessionell und politisch neutral.» Sodann bleibt die konfessionelle Neutralität der Schule auch in Art. 4 des Volksschulgesetzes vom 19. März 1992 (VSG; BSG 432.210) verankert. In der Lehre wird zwar teilweise diskutiert, ob allgemeine Neutralitätsgebote – wie z. B. die oben erwähnten – als genügende gesetzliche Grundlage für Kopftuchverbote angesehen werden können (vgl. hierzu bspw. Lorenz Engi, Das Kopftuch in staatlichen Institutionen, in: AJP 2019 S. 208 ff.). Diese Kritik ist bislang aber nicht in die Rechtsprechung eingeflossen. Somit scheint mir momentan nicht absehbar zu sein, dass sich die Empfehlungen des neuen Leitfadens wesentlich vom Alten unterscheiden werden. Dem erwähnten Aufsatz von Lorenz Engi lässt sich im Übrigen auch entnehmen, dass die BKD die Ansicht vertritt, dass Pädagogik-Studierende, die in ihrem Praktikum unterrichten, kein Kopftuch tragen dürfen (vgl. IV.B).

Der Leitfaden hat zwar lediglich empfehlenden Charakter. Jedoch ist zu beachten, dass gegen in diesem Zusammenhang erlassene Verfügungen in der Regel eine Beschwerde an die BKD offen stehen dürfte (Art. 62 Abs. 1 Bst. a des Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege [VRPG; BSG 155.21]) und diese dann wohl nicht ohne Not von den Grundsätzen in ihrem Leitfaden abweichen würde.

Liebe Grüsse, der schlaue Bison