Frage aus dem Live-Dialog mit Bernhard Pulver vom 15.6.2016:
Was würden Sie Schülerinnen und Schülern (sowie z.T. deren Eltern und Lehrpersonen) mit abgeklärtem IQ über 130 raten, wenn diese lieber auf die Teilnahme an einem ihnen zustehenden Förderprogramm für Begabte verzichten, weil Sie (oder auch ihre Eltern und Lehrpersonen) „Angst“ haben, sonst den Schulstoff nicht bewältigen zu können?
Guten Tag
Ihrer Frage entnehmen wir die Intention, Schülerinnen und Schüler (SuS) mit Hochbegabungen bzw. deren Eltern und Lehrpersonen bestmöglich unterstützen zu wollen. Wir gehen zudem davon aus, dass die Eltern durch die Lehrperson nicht nur auf spezifische Förderprogramme hingewiesen wurden, sondern dass auch gemeinsam besprochen worden ist, wie mit versäumtem Unterrichtsstoff punkto Nachbearbeitung, Hausaufgaben und Tests umgegangen werden soll. Wichtig ist, dass die verpassten Lerninhalte während der restlichen Lektionen der Woche bearbeitet werden können und nicht als Hausaufgaben erledigt werden müssen. Zudem muss nicht alles Verpasste nachgeholt werden.
Wenn Erziehungsberechtigte sich dann dennoch entscheiden, von entsprechenden Angeboten keinen Gebrauch zu machen, so ist das ihr gutes Recht und so zu akzeptieren. Der Umstand, dass die Förderung von Schülerinnen und Schülern mit hohen Begabungen wesentlich auch über entsprechend individualisierte Lernangebote im Unterricht erfolgen sollte, kann die mögliche Sorge, die SuS würden Chancen und Möglichkeiten verpassen, relativieren. Es besteht ja auch die Möglichkeit, in der Freizeit besonderen Interessen nachzugehen und sich auf diese Weise zu fordern und zu vertiefen.
Sicher bleibt dann die Frage der Einbindung externen Förderangebote ein Traktandum im Zusammenhang mit weiteren Elterngesprächen. Wobei es sicher nicht um ein Überreden gehen sollte, sondern mehr um das Offenhalten von Optionen. Zudem muss das Kind während des Unterrichts gut beobachtet werden, damit bei Langeweile, Verhaltensauffälligkeiten, Leistungsabfall usw. entsprechend reagiert werden kann.
Mit freundlichen Grüssen
Adhei und Schmetterling
Expertinnen der PHBern
… und wieso bieten wir den Förderunterricht nicht in ihrer Freizeit an? So wird kein Schulstoff verpasst, welcher selbständig aufgearbeitet werden muss. Und für ein cooles, interessantest Programm gibt schon mal ein Schüler gerne eine Stunde seiner Freizeit dran. Das ist ja schliesslich extra für ihn…
Ich melde mich als Lehrperson und Mutter eines hochbegabten Kindes. Ich kann die Antwort von Adhei nur unterstreichen. Ich finde es wichtig, dass die Situation mit den Eltern angeschaut wird betreffend Stoff nachholen und Stoff verpassen. Es ist jeweils sehr schade, wenn ein Kind nur aus diesem Grund nicht an einem hochbegabten Programm teilnimmt. Solange es nicht teilgenommen hat, kann es auch nicht beurteilen, was für ein Gewinn dies bringen kann. Bei uns gab es verschiedene Lösungen, z. Bsp. der Mathplan wurde verkürzt, die Sprachen wurden zuhause im „Homeschooling“ nachgearbeitet, etc. Auf jeden Fall musste unser Sohn nie den Stoff noch mit zusätzlichen Hausaufgaben nachholen mit Ausnahme der Sprachen, wo es sonst Lücken gibt. Es ist nicht so, dass bei einem hochbegabten Kind alles viel einfacher geht und es nicht lernen muss. Es hat in der Regel eine viel raschere Auffassungsgabe, kann sich aber unter Umständen nicht motivieren, langweilige, repetitive und nicht herausfordernde Aufträge zu erledigen, was zu grossen Widerständen gegenüber der Schule führen kann. Ich empfehle daher, die Situation immer als Ganzes zu Betrachten. Für unseren Sohn ist der Besuch des Begabtenkurses jeweils das Highlight der Woche!