Angriffe von Eltern

Ich unterrichte seit vielen Jahren, habe aber ein Problem, dem ich bis jetzt noch nicht begegnet bin. Die Mutter eines Schülers (Oberstufe) hat mich auserkoren als ihr schwarzes Schaf. Sie findet, ich behandle ihren Sohn unfair. Er sei jedes Mal, wenn er bei mir im Unterricht gewesen sei, ganz niedergeschlagen. Diverse Male hat sie sich bereits telefonisch (zu den unmöglichsten Zeiten) bei mir beklagt über mein Verhalten. Meine Sichtweise der Dinge hört sie sich dabei kaum bis gar nicht an. Diese ganzen Vorfälle gipfelten diese Woche darin, dass sie ihren Sohn beauftragte, meinen Unterricht mit seinem Smartphone aufzunehmen, damit sie mir endlich beweisen kann, dass ich ihrem Sohn „frech vorbei komme“. Der Klassenlehrer konnte dies verhindern, da der Schüler sich nicht sehr clever anstellte. Anschliessend, nachdem er das Smartphone abgeben musste, hat er im Gang zu einem Mitschüler gesagt, jetzt hätte er diese „Soumoore“ nicht mal aufnehmen können… Diese Beleidigung leugnete er erst auf Nachfrage, die Mutter gestand dann aber gegenüber dem Klassenlehrer, dass ihr Sohn das nicht hätte sagen sollen.
Ich überlege mir, ob ich rechtliche Schritte einleiten soll. Oder gibt es andere Wege? Ideen? Gedanken? Ich fühle mich ziemlich ausgeliefert, da ja schon seit mehr als einem Jahr eine Vorgeschichte mit diversen Abmachungen, Gesprächen, etc. vorausgeht.

Hallo rivellarot,

speziell eine Lösung hätte ich da nicht parat, da mir so ein Extremfall auch von Kollegen noch nicht zu Ohren gekommen ist.
Ich fänd es aber interessant zu wissen in welcher Beziehung du zu dem Jungen stehst, und wie deine Ansicht gegenüber den Anschuldigungen ist.

Geratet ihr in deinem Unterricht durch sein Sozial- oder Lernverhalten des Öfteren mal aneinander, oder sind seine Aussagen völlig an den Haaren herbeigezogen?
Also ich meine damit, ob du dir irgendwie erklären könntest, warum er eine Abneigung gegen dich hat, sei es aus welcher Ansicht auch immer betrachtet, berechtigt oder nicht, oder ob es eventuell mal eine Diskussion oder Auseinandersetzung zwischen euch gab, die er als Anlass nimmt, nachtragend zu sein, dabei aber völlig übertreibt bzw. überreagiert?

Hast du mit der Schulleitung über diesen Fall gesprochen?

Hallo Matzze

Seit Jahren weisen diverse Lehrer die Eltern darauf hin, dass ihr Sohn in der Schule viel mehr leisten könnte, als er zeigt. Er ist ein Minimalist. Dazu verhält er sich passiv-provozierend während des Unterrichts. In der Pause, im Gang, auf dem Pausenplatz teilt er aber auch schon mal heftig aus gegen seine Mitschüler- und Mitschülerinnen.
Ich kann mir ganz gut erklären, warum er so denkt wie er denkt. Weshalb aber die Mutter dabei mitmacht ist mir weniger klar.
Schlussendlich geht es hier auch nicht primär um die ganze Vorgeschichte, sondern um den Vorfall des Filmens. Selbstverständlich ist die Schulleitung und die Schulkommission informiert darüber.

Guten Tag Rivellarot
Das tönt nach einer lang andauernden und belastenden Geschichte.
Drei Sachen sind mir dabei durch den Kopf gegangen.
Gut, ist es nicht zu einer Aufnahme Ihres Unterrichts gekommen, dabei wäre die Grenze des rechtlich Zulässigen definitiv überschritten worden. Dies, und das ist der zweite Punkt, sollte der Mutter unmissverständlich und idealerweise durch die Schulleitung mitgeteilt werden. Sie muss verstehen, dass sie zu weit gegangen ist, und dass die Schulleitung davon Kenntnis hat.
Dann möchte ich die Punkte ergänzen, die Matzze genannt hat.
Sie schreiben, dass dieser Eskalation ein Jahr mit diversen Gesprächen und Abmachungen vorausgegangen ist. So wie Sie die Sache schildern scheint sich das Thema zwischen Ihnen und dem Schüler zu einem Konflikt auf der Ebene der Erwachsenen, also zwischen Ihnen und der Mutter verschoben zu haben. Und der Junge ist fein raus: Es gelingt ihm, seine Mutter für sich zu mobilisieren, sie greift zum Telefon, beklagt sich, etc. Der Junge muss keine Verantwortung für sein Verhalten übernehmen, im Gegenteil, er kann dem Spiel gelassen zu schauen und ist vor seinen Kameraden der Held. Dort würde ich einhaken, weg von der Mutter, zurück zu Ihrem Schüler.
Ich gehe davon aus, dass es Ihnen als Lehrperson ein Anliegen ist, die SuS zu fordern, zu fördern, zu ermuntern und sie zu bestärken auf ihrem Weg. In diesem Sinne würde ich ein Gespräch mit dem Schüler suchen: Was trägt zu seiner Niedergeschlagenheit bei? Was würde ihn von Ihrer Seite her unterstützen? Und was ist sein Beitrag zu einer verbesserten Situation? Hilfreich ist, dies in einer Gesprächsnotiz fest zu halten und nach einer vereinbarten Zeitspanne gemeinsam zu überprüfen.
Aus der Psychologie ist bekannt und der Volksmund benennt es, dass wir manchmal auf „einem Auge blind“ sind, dass sich unsere Einschätzung unserer Wirkung nicht mit derjenigen des Empfängers teilt.
In einem Gespräch können Sie dies überprüfen und mit dem Schüler vereinbaren, sich im Anschluss einer Lektion bei Ihnen direkt zu melden, wenn er sich von Ihnen missverstanden fühlt oder Sie ihm in seiner Wahrnehmung „frech vorbei gekommen sind“. Sein bisheriges Spiel, zu Hause zu klagen und die Mutter handeln zu lassen, ist vorbei und darauf gehen Sie nicht mehr ein.
In ein bis zwei Jahren wird der Junge die Schule verlassen, er muss sich in der Welt der Erwachsenen zurecht finden und für sich einstehen. Zeit, dies jetzt zu lernen. In einer Stellungnahme über Ihr künftiges Vorgehen gegenüber der Mutter können Sie diesen Punkt benennen und die Mutter bitten, ihren Sohn in diesem Sinne zu unterstützen. Es dient ihm mehr und stärkt ihn, für sich selber einzustehen.
Ich wünsche Ihnen, dass Sie den Zugang zu Ihren Schüler wieder finden.
Niesen