Wie gelingt die Loslösung von der Mutter

Eines der fünfjährigen Kinder heult jeden Morgen und will nicht in den Kindergarten kommen, resp. nicht im Kindergarten bleiben. Die Loslösung von der Bezugsperson (Mutter) ist nur schwer möglich. Was kann ich dazu beitragen, dass sich die Situation verbessert?

Wer hat Tipps, Lösungsvorschläge?

Guten Tag

Der Eintritt in den Kindergarten ist für die Kinder und für ihre Eltern ein besonderes Ereignis, daher ist der Eingewöhnungszeit grosse Beachtung zu schenken. Es ist wichtig, dass sich alle Beteiligten (Kind, Eltern, Lehrperson) genügend Zeit geben, um sich gegenseitig kennen zu lernen. In der ersten Phase des Schuljahres ist es daher wichtig, dass die Lehrperson mit den Kindern und den Eltern eine gute Beziehung aufbauen kann, das schafft gegenseitiges Vertrauen.

Daher ist es sicher in diesem Fall nötig, dass möglichst früh in einem Elterngespräch über die möglichen Ursachen für das Weinen gesprochen wird. Dabei kann man auch einen gemeinsamen Massnahmenplan erstellen und diesen später dem Kind kommunizieren.

Mögliche Punkte die besprochen und in einer gemeinsamen Vereinbarung festgehalten werden könnten:
• Welche Ursachen finden wir gemeinsam für das Weinen des Kindes? Wie können wir dem Kind helfen, die Loslösung besser zu bewältigen?
• Möchte die Bezugspersonen einen Morgen auf Kindergartenbesuch kommen, um den Kindergartenalltag kennen zu lernen?
• Bis wohin kommt die Bezugsperson in den nächsten Tagen noch mit? Ab wann wird diese Begleitung schrittweise reduziert? Dabei ist es wichtig, dass alle Beteiligten konsequent bleiben und das Kind merkt, dass die Bezugsperson und die Lehrperson am gleichen Strick ziehen.
• Was könnte das Kind von zuhause mitnehmen, um den Loslösungsprozess besser zu bewältigen? Ein Stofftier oder eine kleines Spielzeug in der Kindergartentasche begleiten das Kind durch den Kindergartenalltag und vermitteln ihm Sicherheit.
• Wer könnte das Kind sonst noch in den Kindergarten begleiten, damit die Trennung Bezugsperson – Kind schon zuhause stattfinden kann? Ev. könnten sich die Eltern aus dem gleichen Quartier gemeinsam organisieren.
• Gibt es etwas, worauf sich das Kind nach Kindergartenschluss freuen könnte (besonderes Mittagessen, Besuch im Hallenbad, darf einen Freund einladen, wird von der Bezugsperson abgeholt, usw.)?
• Welche Kinder aus der Klasse könnten in die Familie eingeladen werden? Wo könnte das Kind einmal alleine hingehen? Freundschaften helfen auch im Kindergartenalltag, gemeinsam schafft man den Einstieg am Morgen besser.
• Brauchen die Eltern den Rat einer Fachperson (EB, Schularzt, Kinderarzt)? Gemeinsam abmachen, wer für eine allfällige Anmeldung zuständig sein wird.

Vielleicht ist das Kind auch noch nicht bereit für den Kindergarteneintritt. Auch diese Frage müsste mit den Eltern besprochen werden. Falls man zu diesem Schluss kommt, wäre eine Rückstellung des Kindes eine mögliche Lösung. Es wäre wünschenswert, wenn das Kind in der verbleibenden Zeit bis zum Wiedereintritt in den Kindergarten die Spielgruppe besuchen würde, um den Ablösungsprozess zu üben.

Mit lieben Grüssen
mars

Lieber mars

Deine Anregungen zur Thematik Loslösung und Trennung sind sehr spannend. Mich würde es interessieren, was du in meinem Fall raten würdest:

Eines meiner neuen Kindergartenkinder hat starke Ablösungsschwierigkeiten. Es weinte sehr stark, versuchte durch Fenster und Türen zu „fliehen“. Wir konnten es weder beruhigen noch ablenken (Knete, Plüschfiguren,…). Da das Kind nicht zu beruhigen war und stark husten musste, kontaktierten wir die Eltern. Der Vater kam vorbei, blieb in der Garderobe und das Kind konnte im Freispiel mitmachen.
Kurz zum Kind/zur Familie: Das Kind spricht und versteht kein Wort Deutsch. Zudem wurde es erst Ende Juni 4 Jahre alt. Die Eltern können sich gut vom Kind lösen - die Mutter hat mir am Kennenlernmorgen gesagt, dass sie nach den Ferien nicht immer im Kindergarten bleiben könne.
Ich habe das Gefühl, dass die Sprachbarriere für das Kind die grösste Hürde ist.

Wir haben den Eltern für morgen geraten, dass sie den Vormittag mit dem Kind nochmal genau besprechen (bis wohin kommen wir, wo und wie sagen wir tschüss, wir holen dich wieder ab, etc.). Weiter haben wir ihnen geraten, dass sie dem Kind etwas von Zuhause mitgeben sollen (Plüschtier, etwas von Mami zum Halten,…).

Ich frage mich nun, wie wir uns gegenüber dem Kind verhalten sollen, wenn es weiterhin starke Ablösungsschwierigkeiten hat. Ist es in einem solchen Fall sinnvoll, die Eltern als Ressource einzuspannen und bsp. am Anfang in der Garderobe sitzen zu lassen?

Liebe Grüsse
uniuni

Liebe/r Uniuni

Deine Frage ist mir zugewiesen worden. Den Anregungen von Mars schliesse ich mich an.

In Deinem Fall ist schon sehr positiv, dass das Kind am Freispiel teilnehmen konnte, als der Vater anwesend war.

Zu den Empfehlungen von Mars würde ich vielleicht noch Folgendes beachten:

  • die Eltern (Vater oder Mutter) in der ersten Phase einbeziehen und dem Kind die Sicherheit geben, dass es nicht verlassen wird. Das heisst, wenn das Kind Angst und Stress zeigt, ist es gut, wenn ein Elternteil noch bleiben kann. Mit dem Kind und den Eltern kann dann Gelungenes und Geschafftes besprochen und bekräftigt werden: „Du hattest Freude beim Spielen, das hat Spass gemacht – du hast auch beim Aufräumen mitgearbeitet und im Kreis ist dir soundso gelungen.“
  • Das Kind kann einen vertrauensvollen Umgang zwischen Eltern und Lehrperson beobachten und kann so seine Ängste abbauen.
  • Dem Kind kann die Verlässlichkeit deutlich gemacht werden – am Mittag: „Da ist ja die Mama oder der Papa, und morgen werden sie dich wieder abholen.“

Ich hoffe, diese Ergänzungen sind hilfreich und wünsche dir Geduld und Gelassenheit in dieser intensiven Anfangszeit.

Mit freundlichen Grüssen
Manaso

Guten Tag

Letzten August wurde ein Kind bei uns eingeschult, welches untröstlich über die Ablösung zu den Eltern war. Den ganzen Vormittag hindurch war das Weinen mal stärker, mal nur ein Schluchzen. Das Kind rief unentwegt nach der Mutter und sang eine Kurzfassung des Abschiedsliedes, weil danach ja theoretisch die Eltern kommen. Das Weinen startete vor der Türe, ging weiter im Kreis, im Freispiel, im Garten und hörte erst auf, als die Mutter um 11.40 Uhr kam. Da das Kind bereits ein Jahr zuvor eingeschult wurde, aber aus dem gleichen Grund eine Rückstellung entschieden wurde, galt die Schulpflicht und das Kind „musste“ bleiben. Das Weinen war ansteckend und viele Kinder (auch die im 2. Jahr) mussten weinen oder erzählten zuhause, sie hätten Bauchweh vor lauter Mitleid. Ich war teilweise im 5 laut weinenden Kindern und 15 anderen Kindern alleine. Dank einer Ankunftszeit mit individuellen Aktivitäten war es mehrheitlich händelbar… hinterliess aber Spuren bei mir.
Wir nutzen alle oben erwähnten Tipps, reduziertes das Pensum auf 4 Vormittage à 3 Stunden - es half nichts.
Das Schulinspektorat entschied, dass die Mutter bis im Frühling im Unterricht dabeisitzt und man nach und nach eine Ablösungszeit versucht. Jeder Versuch ohne Mutter der länger als 20 Minuten dauerte, mündete wieder im Weinen, hin und her Wippen, den Tagesplan rezitieren. Im letzte Quartal wurde das Kind von einer Klassenhilfe 1:1 betreut - es gab eine gute Beziehung doch die Ablösung verlief bis zum letzten Tag nur mit Tränen, nach Mutter rufen und dass jemand aus dem Team das Kind an der Hand in den Kindergarten führen musste.

Das Kind zeigt kaum Spielverhalten, führt Selbstgespräche in der Erstsprache in denen die Mutter und der Vater erwähnt werden. Interaktionen gibt es wenige und wenn, dann fragt das Kind zu 90% um Bestätigung, dass die Mutter nach dem Znüni kommt.

Ich gehe nicht weiter ins Detail bez. Eltern oder EB. Nur: das Kind wird nun doch wieder unsere Klasse besuchen und wir haben bis jetzt noch keine Unterstützungslektionen bekommen für das neue Schuljahr. Ausserdem wird ein weiteres Kind wieder kommen, welches letztes Jahr sich mit ganzem Körpereinsatz gegen den Kindergarten gewehrt hat und einmal auf die Strasse vor dem Haus entwich. Ich war lange geduldig, engagiert und bin bekannt für meine Herzlichkeit. Doch mittlerweile sind wir als Team abgestumpft, am Ende unseres Lateins und für mich als KLP gibt es Grenzen:

  • Keine physische Kraft / Machtdemonstration mehr! Was gibt es für Möglichkeiten, wenn Kinder davonrennen wollen oder sich partout nicht von den Eltern trennen können? Z.B. auch Mitten auf dem Weg in die Turnhalle.
  • MitschülerInnen schützen: Wie können wir die Ankunftszeit und den Unterricht so gestalten, dass dieses Weinende Kind die Gruppe nicht stört, abklenkt? Wie ermöglichen wir, dass die neuen Kinder eine Chance haben, unbeeinflusst im Kindergarten anzukommen?
  • Handhabung: Was tun, wenn die Ablösung auch nach 2 Wochen oder trotz Sonderbedingungen nicht möglich ist aber das Kind wegen des Alters eingeschult sein muss?
  • Schutz der Lehrpersonen: Wieviel Weinen müssen wir als Lehrpersonen aushalten? Was machen wir mit unseren Schuldgefühlen und der Hilflosigkeit?

Wir sind um jeden Hinweis dankbar!
Freundliche Grüsse
GartenWaldFee

Liebe GartenWaldFee

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