Kindergartenstart

Liebes Forum

In unseren Kindergärten starten jedes Jahr immer mehr Kinder mit schwierigen Voraussetzungen. Fast alle Kinder haben einen Migrationshintergrund. Viele Kinder sprechen wenig oder gar kein Deutsch. Es gibt Kinder, die haben keine Gruppenerfahrung (Kita oder Spielgruppe). Die Kita und die Spielgruppen kosten, deshalb treten die Kinder möglichst früh (mit 4 Jahren) in den Kindergarten ein. Einige Kinder wurden bis zum Kindergarteneintritt kaum gefördert, z. B. haben sie keine Erfahrungen mit Büchern, Scheren, Leimstift, Farbstift, Klebstreifen.
Mittlerweile kommen auch Kinder, wo sich später herausstellt, dass sie in eine Sonderschule gehören. Dies geschieht in der Regel erst nach langer Überzeugungsarbeit der Eltern. Ebenfalls kommen Kinder, welche bereits abgeklärt sind und den Status bVSA haben. Die Eltern sind häufig berufstätig, haben Geldsorgen und wenig Zeit für die Kinder. Die Kinder werden vom Handy, dem Fernseher und den Grosseltern betreut.

Die Frage ist: Muss die Schule alle Kinder aufnehmen? Kann die Schule Kinder rückstellen? Kann die Schule ein bVSA-Kind ablehnen, wenn es sich herausgestellt hat, dass die Eltern auf der Erziehungsberatung (EB) die empfohlene separative Beschulung abgelehnt haben? Oder ist der Eintritt in den Kindergarten das Wunschkonzert der Eltern? Hat die Schule keine Macht, wenn die Eltern nicht wollen? Können die Eltern den Gang auf die EB verweigern?
Diese untragbare Situation führt dazu, dass wir Kinder bis zu zwei Jahren im Kindergarten haben, die nicht dorthin gehören und das Lernen für die anderen Kinder sehr erschwert wird.

Unser Team ist sehr froh um Antworten! Vielen Dank

Guten Tag Scheidegger

Die Schule im Kanton Bern ist verpflichtet, alle schulpflichtigen Kinder aufzunehmen, auch solche mit besonderen Bedürfnissen. Die Eltern haben Mitspracherechte, aber nicht uneingeschränkte Entscheidungsfreiheit. Wenn es zu Meinungsverschiedenheiten zwischen Eltern und Schule bezüglich der geeigneten Förderung eines Kindes kommt, gibt es Mechanismen, um im Interesse des Kindes Lösungen zu finden.

  1. Muss die Schule alle Kinder aufnehmen?

Ja, die Schule hat im Kanton Bern eine Aufnahmepflicht. Gemäss dem bernischen Volksschulgesetz haben alle Kinder das Recht auf den Besuch der Volksschule. Dies gilt auch für Kinder mit besonderen Bildungsbedürfnissen.

  1. Kann die Schule Kinder rückstellen?

Ja, die Rückstellung eines Kindes ist möglich. Die Entscheidung, ob ein Kind zurückgestellt wird, erfolgt in Absprache zwischen den Eltern, der Schule und gegebenenfalls weiteren Fachpersonen, wie der Erziehungsberatung (EB). Rückstellungen bedürfen einer klaren Begründung, basierend auf dem Entwicklungsstand des Kindes. Letztlich liegt die Entscheidung bei der Schulleitung, allerdings im Dialog mit den Eltern.

  1. Kann die Schule ein bVSA int Kind ablehnen, wenn die Eltern die empfohlene separative Beschulung abgelehnt haben?

Die Schule kann ein Kind nicht einfach ablehnen. Selbst wenn die Eltern eine separative Beschulung ablehnen, bleibt die Schule verpflichtet, das Kind aufzunehmen und zu fördern. Allerdings kann die Schule, zusammen mit der Erziehungsberatung und anderen Fachpersonen, Massnahmen vorschlagen, die im besten Interesse des Kindes sind. Wird die integrative Förderung für das Kind als ungeeignet betrachtet und eine separative Beschulung empfohlen, gibt es Möglichkeiten, dass die Schulaufsicht eine Anhörung mit allen Beteiligten durchführt, die Argumente abwägt und allenfalls gegen den Willen der Eltern bVSA sep verfügt.

  1. Ist der Eintritt in den Kindergarten das Wunschkonzert der Eltern?

Nein, der Eintritt in den Kindergarten ist kein „Wunschkonzert“ der Eltern.

  1. Hat die Schule keine Macht, wenn die Eltern nicht wollen?

Die Schule hat durchaus Handlungsmöglichkeiten. Wenn Eltern Entscheidungen treffen, die nicht im besten Interesse des Kindes sind, kann die Schule gemeinsam mit der Erziehungsberatung und der Schulaufsicht Unterstützungsmassnahmen veranlassen/ergreifen, auch wenn die Eltern anderer Meinung sind.

  1. Können die Eltern den Gang auf die Erziehungsberatung (EB) verweigern?

Die Eltern können sich dem Gang zur Erziehungsberatung grundsätzlich verweigern, aber dies würde den Förderprozess und die Entscheidungsfindung erschweren. Falls Eltern den Kontakt zur EB verweigern und die Situation problematisch bleibt, kann die Schule auch andere Instanzen (zum Beispiel die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde, KESB) einbeziehen, um das Wohl des Kindes sicherzustellen.

Herzliche Grüsse

Segler

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Guten Tag Segler

Ich danke Ihnen für die rasche und kompetente Antworten zu diesem Thema. Wir werden die Fragen und Antworten im Kindergartenteam besprechen und das Thema auch mit der Schulleitung aufgreifen.

Freundliche Grüsse

Liebe alle
Nach der Schilderung von Scheidegger würde ich mir überlegen, die politische Gemeinde in die Pflicht zu nehmen. Wäre es rechtlich machbar, wenn sie bspw. für alle Eltern mit Kindern im Alter von 2 oder 3 Jahren eine Informationsveranstaltung „Volksschule“ machen würde (wer nicht kommt, bezahlt eine Busse)? Vermutlich bräuchte es ein separates Reglement dazu.
An dieser Veranstaltung würde dann informiert, wie die Abläufe sind, was die Erwartungen an die Erziehung sind (Handhabung Leim, Farbstifte, Bücher) und wo man Hilfe bekommt (je nach Grösse mit Anwesenheit von Früherziehungsdienst, EB, Sozialdienst…). Ggf. auch mit Übersetzung in die wichtigsten „Zielsprachen“. Ausserdem könnten die KindergärtnerInnnen bereits anwesend sein, um zu zeigen, dass es die Schule ernst meint und man miteinander spricht.

Was meint @Segler dazu? Gibt es Gemeinden, in denen dies bereits so gehandhabt wird?

Hallo zusammen
Frühe Förderung ist zentral, weil sie die Grundlage für den späteren Bildungserfolg legt. Es gibt im Kanton Bern einige Gemeinden welche Angebote zur frühen Förderung machen und den Übergang in den Kindergarten gemeinsam mit der Schule gestalten.

Diese Angebote zielen darauf ab, Kinder von Geburt an bis zum Eintritt in den Kindergarten in ihrer Entwicklung zu unterstützen. So misst etwa auch die Erziehungswissenschaftlerin Margritt Stamm diesem Übergang grösste Bedeutung zu: vgl. Dossier Kindergartenübertritt (
https://www.netzwerk-kinderbetreuung.ch/media/filer_public/bf/1f/bf1fda2e-2c8c-43b1-b375-5bc7ec7410a7/stamm_2015_dossier_blickpunkt_kindergarten.pdf ….).

Angebote der Frühen Förderung können verschiedene Bereiche wie Sprachförderung, motorische Fähigkeiten, soziale Kompetenzen und kognitive Entwicklung umfassen. Besonders Kinder, die zu Hause wenig Unterstützung erfahren, können von diesen Angeboten profitieren.

Die Herausforderung in dieser Thematik besteht in der Erreichbarkeit der Eltern, dass sie verstehen worum es geht und dass ihre Familie von den Angeboten profitieren können. Dies ist nicht mit Busen zu erreichen sondern mit Aufklärung, Netzwerken und einer Kommunikation in der Sprache der Eltern, sowie einer engen Zusammenarbeit von der Bildung, dem Sozialen und der Gesundheit.

Ahoi Segler

Hallo zusammen,

Es ist genau so, wie Segler es beschrieben hat. Es existieren viele Angebote in der entsprechenden Gemeinde, welche die Eltern in der Frühförderung ins Boot holen möchten, z. B. Primano, Eltern-Kind-Beratung, vergünstigte Betreuungsgutscheine für Kita oder Spielgruppe, Sprachstandserfassung vor dem Kindergarten, Deutsch lernen vor dem Kindergarten und ähnliches.
Das Problem besteht damit, dass es Eltern gibt, die sich für kein Angebot interessieren, sich nicht über die Angebote informieren oder die Post nicht anschauen.
Das erschwert es uns Lehrpersonen in den Kindergärten ungemein mit dem Start. Es besteht ja nicht wirklich die Möglichkeit, die Kinder rückzustellen, wenn sie nicht bereit sind für den Kindergarten. Dazu braucht es die Kooperation der Eltern.
Für die Eltern ist der Eintritt in den Kindergarten möglichst früh interessant, weil es gratis ist. Spielgruppe, Kita und anderes kosten, auch wenn es Vergünstigungen gibt.