3 Primarklasse Hausaufgaben 30 Minuten

Liebe Kolleginnen
Liebe Kollegen

Ich unterrichte das Fach Mathematik einer 3. Primarklasse im Team. Die Klassenlehrperson, seit vielen Jahren im Schuldienst, unterrichtet das Fach Mathematik an jeweils abwechselnden Tagen. Meine Kollegin verzichtet jeweils den Kindern Hausaufgaben zu geben. Sie ist der Ansicht, dass alle Aufgaben in der Klasse gemacht werden und „Hausaufgaben“ nicht notwendig sind. Sie argumentiert, dass es praktisch nicht möglich ist, für 22 Kinder 30 Minuten Hausaufgaben pro Kind zusammenzustellen. Das „Gefälle“ sei zu gross. Für eine Aufgabe braucht das Kind A 10 Minuten und Kind B 50 Minuten.

Im Moment befinde ich mich in einer Konfliktsituation, da ich ein Befürworter der Hausaufgaben bin und mit dieser „Grundhaltung“ überhaupt nichts anfangen kann. So verwende ich jeweils die Uebungsblätter des Zahlenbuchs für die Hausaufgaben meines Teils. Kinder, welche den Stoff schon relativ gut begriffen haben, gebe ich entsprechend mehr Blätter oder Repetitionsaufgaben nach Hause.
Das führt aber zu Konflikten und kann auf Dauer nicht länger fortgeführt werden. Seitens Eltern (teilweise sind darunter Eltern, welche an der Oberstufe unterrichten) wurde die Vernachlässigung von Hausaufgaben im Fach Mathematik mehrmals kritisiert. Ehrlich gesagt, kann ich das verstehen. Da ich aber nicht die „Klassenlehrperson“ bin, kann ich in dieser Angelegenheit wenig Chancen (ausser der Kündigung und Suche nach einem neuen Job).

Oder bin ich vielleicht auf dem falschen Dampfer? Um meinen Horizont zu erweitern, gelange ich mit folgenden Fragen an Euch, die Ihr mir vielleicht beantworten könnt:

  • Wie sieht es „in der Praxis“ mit anderen Kollegen aus? Es sollte doch kein Problem sein, der Klasse nach jeder Mathe-Unterrichtseinheit entsprechende Hausaufgaben zu verteilen?
  • Ist es nicht wichtig, die Mathematik durch Hausaufgaben „repetieren“ zu lassen und dadurch eine Festigung des Stoffes zu erlangen?
  • Ist man als Lehrperson überhaupt verpflichtet, 30 Minuten Hausaufgaben pro Tag zu verordnen (nach der Regel: 3. Klasse = 30 Minuten, 4. Klasse=40 Minuten)?
  • Wie geht Ihr mit der Regel um, dass für die 3. Primarklasse 30 Minuten, für die 4. Primarklasse 40 Minuten Hausaufgaben gegeben sollten?
  • Ist Ihrer Meinung nach eine Hausaufgaben-Kontrolle am folgenden Unterrichtstag sinnvoll oder soll die „Hausaufgaben-Kontrolle“ weggelassen werden?
  • Wie geht Ihr mit Kollegen um, die keine „Hausaufgaben“ geben?

Auf jeden Fall vielen Dank für Ihr fachliches Feedback.

Ein Merci.

Bernie

Lieber Bernie

Ich verstehe die Konfliktsituation, wenn Sie als Teilpensenlehrer unterschiedliche Vorstellungen zur Erteilung von Hausaufgaben in der Mathematik haben als Ihre Kollegin, die Klassenlehrerin ist und keine Hausaufgaben erteilt. Ich kann nur anregen, dass Sie sich mit Ihrer Kollegin über Ihre Hausaufgabenpraxis austauschen und Sie beiden die gegenseitigen Begründungen so gut wie möglich zu verstehen versuchen. Wenn Ihnen eine Annäherung in Ihrem unterschiedlichen Verständnis gelingt, wäre das bestimmt im Sinne und im Dienst eurer Schülerinnen und Schüler.

In einer dritten Klasse ist es eine angemessene Möglichkeit, den Schülerinnen und Schülern Hausaufgaben zu erteilen im Bereiche des Blitzrechnens, so dass sie das Grundwissen üben. Voraussetzung ist natürlich, dass die Kinder über die entsprechenden Materialien verfügen oder weitere Aufgabenblätter erhalten in der Art wie sie im Arbeitsheft zum Zahlenbuch 3 auf den Seiten 55-63 enthalten sind. Für langsam lernende Schülerinnen und Schüler ist es wichtig, das Grundwissen und die Grundkompetenzen zu trainieren, aber erst wenn sie die Sache soweit möglich verstanden und klare Vorstellungen davon aufgebaut haben. Für schneller lernende Schülerinnen und Schüler ist das Üben von immer Gleichem wenig oder nicht geeignet, da sie die Sache ja bereits können. Zu deren Förderung sind andere Ansätze sinnvoller. Aber auch im Mathematikunterricht können Hausaufgaben in anderen Bereichen als zum Blitzrechnen erteilt werden. Warum nicht mal eine Hausaufgabe erteilen, mit der sich die Schülerinnen und Schüler vorbereitend auf den Unterricht mit einer Sache beschäftigen, z.B. Daten im Rahmen des Sachrechnens sammeln oder Gegenstände zu Hause messen?

Welcher Umgang ist möglich mit der Situation wonach Kind A für eine Aufgabe 10 Minuten braucht und Kind B 50 Minuten?
Eine häufig praktizierte Möglichkeit ist die Begrenzung der Aufgabenzeit. Alle Kinder setzen für die Bearbeitung der nächste Hausaufgabe beispielsweise 20 Minuten ein. Die Kinder haben dann einfach unterschiedlich viel oder die Sache unterschiedlich vertieft bearbeitet. Diese Unterschiede sind aber der Normalfall im Unterricht, aber selbstverständlich immer eine Herausforderung.

Zur Hausaufgabenkontrolle:
Wenn Hausaufgaben erteilt werden, sollten sie von einer Lehrperson auch angeschaut werden, zumindest als Zeichen der Wertschätzung. Die Korrektur sollte nicht nur unter dem Gesichtspunkt richtig-falsch, sondern zuweilen auch unter Gesichtspunkten des Vorgehens (fachspezifische Strategien), der Darstellung, des selbständigen Lernens, der Verantwortungsübernahme oder der Bearbeitungsformen (Tageszeit, Arbeitsplatz) vorgenommen werden. Insofern bin ich etwas zurückhaltend mit dem Begriff „Korrektur“. Hausaufgaben bieten immer auch die Chance, mit Kindern über ihr Lernen zu reflektieren und insbesondere die Selbstverantwortung anzusprechen.

Schliesslich noch zur Formel „3. Klasse - 30 Minuten, 4… Klasse - 40 Minuten, usw.“
Im Lehrplan Volksschule des Kantons Bern steht: „Sofern Hausaufgaben erteilt werden, dürfen bei der zeitlichen Bemessung folgende Werte nicht überschritten werden:
1./2. Klasse: 1,5 Stunden pro Woche
3./4. Klasse: 2 Stunden pro Woche
5./6. Klasse: 3 Stunden pro Woche
7.-9. Klasse: 4 Stunden pro Woche“.
Die Umrechnung auf Tage ergeben die in Ihrer Frage genannten Werte. Mit diesen Werten ist aber eine zeitliche Obergrenze angesetzt. Und mit der Formulierung „Sofern …“ ist in meinem Verständnis im Lehrplan deutlich gemacht, dass eine Lehrperson nicht verpflichtet ist, „Hausaufgaben zu verordnen“. In jedem Falle empfiehlt es sich, die Hinweise zu den Hausaufgaben im Lehrplan zu lesen (Allgemeine Hinweise und Bestimmungen, S. 21f).

Ich bin gespannt, Erfahrungen von Kolleginnen und Kollegen zu lesen.

Henry