Meine 3./4.-Klässler haben sehr lustvoll mehrseitige (z.T. bis acht Seiten) Abenteuergeschichten aufgeschrieben. Sie haben sie anschliessend einander vorgelesen und sich gegenseitig ein Feedback gegeben zur inhaltlichen Logik und Spannung der Geschichte. Zudem mussten sie ihre Texte selber auf einige Rechtschreibepunkte überprüfen (Gross- und Kleinschreibung, Punkte setzen).
Mein ursprüngliches Vorhaben war, dass ich die Texte nun korrigiere und so vorbereite, dass sie daraus eine Reinschrift erstellen können. Da die Kinder aber noch sehr fehlerhaft und holperig schreiben (gemixt mit direkter Rede und zum Teil in Schlangensätzen ohne Punkte), würde das bei vielen Kindern heissen, dass ich nicht einfach in ihre Texte reinkorrigieren könnte, sondern die Geschichten neu verfassen müsste, damit sie sie dann abschreiben könnten. Macht das Sinn? Der Aufwand ist riesig und sinnvoll scheint es mir auch nicht. Allerdings finde ich es auch unbefriedigend, die Geschichten einfach so stehen zu lassen. Oder? Wer hat Erfahrung mit sowas und kann mir deshalb einen Tipp geben, wie ich die Arbeit an diesen Geschichten mit den Kindern sinnvoll abrunden könnte?
Liebe(r) Wanjiku
Als erstes stellt sich mir dir Frage, welches Endprodukt du anstrebst: ein Abenteuerbuch, an dem alle Kinder mit einem Beitrag beteiligt sind und das auch von Aussenstehenden gelesen werden kann? Abenteuergeschichten, die z. B. in einer Schülerzeitung veröffentlicht werden, oder sollen die einzelnen Texte schlicht und einfach im Schülerheft verbleiben? Je nach Ziel, sollten die Texte mehr oder weniger intensiv überarbeitet werden.
Zunächst ein Wort zur Textlänge: Du sagst, dass einzelne Kinder bis zu acht Seiten geschrieben hätten. Das zeugt in der Tat von grosser Schreibfreude. Und dennoch: Es stellt sich die Frage, ob ein herausragend langer Text nicht vielleicht zu ausschweifend ist. Um dies zu überprüfen, könntest du bei jedem Text vorerst fragen, ob Spannung aufgebaut und auch ein passender Abschluss gefunden wurde. Das könnte zur Folge haben, dass ein langer Text zugunsten von mehr inhaltlicher Qualität gekürzt wird.
Wenn du die Arbeiten veröffentlichen möchtest, würde ich die Gross-und Kleinschreibung, die Satzabschlüsse und evtl. auch die stringente Beachtung der Zeiten (Präsens oder Präteritum) von den Kindern so weit wie möglich überarbeiten lassen. Bei einem schwächeren Text würde ich als Lehrperson auf alle Fälle den ganzen Text abtippen – möglichst nahe am Entwurf – und diesen dem entsprechenden Kind zur Reinschrift geben. Das ist eine sehr wirksame Aufgabe.
Wenn der Text nur im Heft bleibt, er also keine fremden Leserinnen und Leser findet, würde ich je nach Kapazität der Kinder eine oder zwei Seiten überarbeiten und in Reinschrift schreiben lassen.
Ich hoffe, dass dir mein Tipps helfen, eine für dich und die Kinder verkraftbare Lösung zu finden.
Lieber Sandmann
Besten Dank für deine Antworten. Es hilft mir sehr, überhaupt für mich zu klären, wie das Endprodukt aussehen soll und den Überarbeitungsgrad für mich und die Kinder entsprechend zu gestalten. Die Geschichten sind nicht für die Präsentation an andere gedacht und werden höchstens innerhalb der Klasse nochmals gelesen. Von daher werde ich mich wohl auf ein Minimum beschränken. Ermutigend war der Hinweis, dass du es sehr wirksam findest, für schwächere Kinder eine Vorlage für die Reinschrift herzustellen. Das mache ich nämlich oft bei kürzeren Texten und es ermutigt mich deshalb zu hören, dass es eine sinnvolle Sache ist. Ebenfalls ein guter Tipp finde ich, von den längeren Geschichten nur einen kleinen Teil als Reinschrift überarbeiten zu lassen.
Freundliche Grüsse von Wanjiku
Liebe(r) Wanjiku
Zunächst mal herzlichen Dank für deine Rückmeldung. Es freut mich sehr, dass du mit meiner Antwort etwas anfangen kannst. In den Osterferien hat mir eine Lehrerin weitere Anregungen übermittelt, wie du die Arbeit mit den so lustvoll geschriebenen Abenteuergeschichten sinnvoll abrunden könntest. Auch wenn du das weitere Vorgehen nun bereits geplant hast, lasse ich sie dir zukommen. Die Ideen tragen vielleicht dazu bei, dein Methodenrepertoire zu erweitern, oder sie regen dich dazu an, das eine oder andere zu einem späteren Zeitpunkt mal auszuprobieren. Nun aber lasse ich die besagte Lehrerin sprechen:
„Zuerst Folgendes: Dass die Kinder so lustvoll schreiben, sich die Geschichten gegenseitig vorlesen und beurteilen ist eine ganz wichtige und zentrale Arbeit im Deutschunterricht. Wie jetzt mit den Entwürfen umgehen? Hier ein paar Tipps:
(1) Eine Möglichkeit könnte sein: einen bestimmten Teil aus der Geschichte auswählen, überarbeiten (z. B. wie von dir erwähnt: Satzanfänge gross, konkrete Nomen gross, Satzschlusszeichen setzen) und nur diesen Teil fehlerfrei ins Reine schreiben.
(2) Bei Kindern, die „Schlangensätze“ schreiben, mit dem einzelnen Kind zusammen – oder mit der Klasse als Übung – einen dieser Schlangensätze strukturieren und in die richtige Textform bringen.
(3) Weil die Texte so gut sind, könnte sich statt der Reinschrift eine Vorleseübung lohnen: Die Kinder bereiten sich darauf vor, ihren Text als Lesetheater einzuüben und auf Tonband aufzunehmen.
(4) Eine weitere Möglichkeit: die Texte den Eltern anlässlich eines „Lesecafés“ vortragen. So würde der schöpferische Teil der Spracharbeit entsprechend gewürdigt.
In Kombination mit der Korrektur und der Reinschrift eines ausgewählten Teils der Geschichte kann intensiv in verschiedenen Kompetenzbereichen geübt werden, im Schreiben, der Rechtschreibung und im Vorlesen.“
Besten Dank für Ihre Tipps. Sie sind sehr praktisch und für die Praxis sehr hilfreich und umsetzbar. Ich werde gerne auf diese Möglichkeiten der Textüberarbeitung zurückgreifen und sie auch gerne weiterempfehlen, da ich mein Problem damals auch mit anderen Kolleginnen besprach, die dann auch gespannt waren auf Expertenratschlag, da sie das Problem aus der eigenen Schulstube kennen. Vielen Dank als, dass Sie sich die Mühe genommen haben, extra nochmal bei jemand anderem nachzufragen und die Tipps so verständlich und klar zu formulieren.