Selbstverletzendes Schülerverhalten

Ich arbeite als IF Lehrperson mit einem Schüler mit schweren Wahrnehmungsstörungen. In der Vergangenheit machte er bereits mehrmals suizidale Bemerkungen. Dies ist den Eltern und auch der Schulleitung bekannt. Seit mehreren Wochen kommen diese Äusserungen wieder. Ich habe meine Schulleitung darauf angesprochen, doch die möchte davon nichts hören. Ich hatte eine Elterngespräch und sie sagten dort, dass ihnen aufgefallen sei, dass es ihrem Sohn momentan schlecht gehe. Sie wiesen dann darauf hin, dass es in der Vergangenheit jedoch stärker gewesen sei.
Da die räumlichen Bedingungen in der Schule sehr schlecht sind, arbeite ich seit drei Wochen mit dem Schüler in der nahegelegenen Tagesschule, wo ausser uns sonst niemand im Gebäude ist. Körperlich ist der Schüler etwa so gross wie ich selbst.

Letzte Woche sollte der Schüler kurz noch etwas ausschneiden. Er nahm die (grosse Edelstahl-) Schere, hielt sie sich geöffnet an den Hals und sagte, dass er jetzt gerne schneiden möchte. Er stand eine ganze Zeit da und liess sich verbal kaum dazu bewegen wieder an seine Arbeit zurück zu kehren.

Mir geht dieses Szenario seit dem immer wieder durch den Kopf. Auf der einen Seite möchte ich eine Situation nicht überbewerten. Auf der anderen Seite kann es so gefährlich sein, wenn man eine Situation unterschätzt, weil nicht sein kann, was nicht sein darf…

Ich habe vor drei Wochen den zuständigen Schulpsychologen kontaktiert. Leider habe ich bisher noch keine Reaktion. Wie würdet ihr vogehen? Ich mache mir wirklich grosse Gedanken.

Liebe Zugezogene,
dass Dir das geschilderte Szenario vor dem Hintergrund der geschilderten Vorgeschichte nachgeht, kann ich bestens nachvollziehen. Zu Recht möchtest Du das Verhalten des Schülers ernst nehmen, ohne eskalierend zu wirken.

Ich würde dir empfehlen, die Schulleitung über den erneuten Vorfall zu informieren, dies sollte auch schriftlich dokumentiert sein, sowie rasch Kontakt zu den Eltern aufzunehmen, um ihnen den aktuellen Vorfall zu schildern. Im Rahmen dieses Gesprächskontaktes würde ich mit den Eltern zu klären versuchen, wie sie gerade jetzt das Befinden ihres Sohnes einschätzen und wie hoch demzufolge der Handlungsbedarf hinsichtlich der Suche nach medizinisch-therapeutischer Hilfe ist.

Zudem würde ich die Eltern über die Möglichkeit informieren, dass sie selbst, in einer aus ihrer Sicht sehr kritischen Situation, direkt Kontakt zur Kinder- und Jugendpsychiatrischen Poliklinik (KJP) aufnehmen können. Bei einer solchen Kontaktaufnahme wäre es wichtig, dass die Eltern die Suizidäusserungen unbedingt explizit erwähnen.

Wenn die Situation gemeinsam nicht als sehr kritisch eingeschätzt wird, wohl aber so, dass es Hilfe von aussen braucht, wäre auch ein erneuter Anruf auf der Erziehungsberatung (EB) ein möglicher Schritt. Auch in diesem Zusammenhang sollten die Suizidphantasien deutlich erwähnt werden.

Generell wäre es wichtig, mit den Eltern zu klären, wie grundsätzlich weiter vorgegangen werden soll. Welche Form der Information über allfällige neue Suizidäusserungen in der Schule ist gewünscht und kann/ soll dann jeweils ein gemeinsames Vorgehen geplant werden. Auch diese Absprachen würde ich in Form eines Protokolls festhalten.

Für den Fall, dass die Schulleitung nicht am Elterngespräch teilnimmt, würde ich mit den Eltern vereinbaren, dass der Schulleitung dieses Protokoll auch zugestellt wird.

Für den Fall, dass von Schulseite ein sehr hoher Handlungsbedarf wahrgenommen wird, von Elternseite aber nicht, gäbe es auch die Möglichkeit, dass die Schule direkt mit der KJP Kontakt aufnehmen könnte, dies allerdings immer gekoppelt mit einer Information an die Eltern.

Vielleicht findest Du auf folgender Seite noch weitere hilfreiche Informationen:

http://www.bernergesundheit.ch/de/themen/depression-suizid.44/pravention.142/ausweglos-fruherkennung-von-depression-und-suizidabsichten-bei-kindern-und-jugendlichen.925.html

Ich wünsche Dir, dass Du so Deinem Ziel, hinzuschauen ohne zu dramatisieren, einen Schritt näher kommst.

Alles Gute
Adhei