Ich unterrichte an einer 6. Klasse in einer ländlichen Region. Lange war das Klassenklima sehr angenehm, jedes Kind war gut integriert. Im Herbst 2009 kam ein neuer Schüler in meine Klasse. Die Mutter ist umgezogen, nachdem ihr von der damaligen Schulleitung gedroht wurde, dass ihr Sohn ein Timeout machen müsse, wenn er sich nicht bessern könne.
Recht schnell hat er meine Klasse durcheinander gebracht. Bald war die Rede davon, dass er von den Jungs gemobbt wurde. Erste Telefonanrufe seiner Mutter trafen bei mir ein. Ich habe mit der Klasse über Mobbing und über das Klima gesprochen, wir haben Klassenregeln unterschrieben und immer wieder auch Übungen zum guten gemeinsamen Umgang gemacht. Mir schien, dass sich die Lage beruhigt hat.
Jetzt wird für mich aber die Mutter zum Problem. Sie ruft mich zu allen Tageszeiten an und beklagt sich über verschiedenste Dinge, die ihr Sohn in der Pause oder auf dem Heimweg erdulden müsse. Im Gespräch mit den Kindern zeigt sich aber schnell, dass der Sachverhalt viel weniger dramatisch oder sogar ganz anders war.
Ich habe genug von diesen Telefonaten und weiss nicht, wie ich damit umgehen soll.
Danke für die kommenden Ideen und Tipps!
Guten Tag
Ich kann mir gut vorstellen, dass Sie diese Mutter mit ihren häufigen Anrufen herausfordert. Was ich Ihrem Schreiben ebenfalls entnehmen kann, ist, dass Sie im Umgang mit dem neuen Schüler schon viel erreicht haben. Die Thematik wird in der Klasse angesprochen, ihr seid auf der Suche nach einem gangbaren Weg, der auch diesem Schüler in der Klasse einen guten Platz geben soll.
Die Mutter ist nach einer langen Geschichte offenbar sehr sensibel geworden, reagiert auf die kleinsten Vorkommnisse. Dass sie Sie anruft, zeigt, dass sie auf Sie zählt und davon ausgeht, dass Sie etwas ändern können. Für Sie als Lehrperson ist es wichtig, informiert zu sein, nur sollte dies in einem erträglichen Rahmen geschehen. Ich würde Ihnen deshalb empfehlen, mit der Mutter z. B. ein wöchentliches Gespräch von vielleicht fünfzehn Minuten zu vereinbaren, in dem sie über die Vorkommnisse der vergangenen Woche erzählen kann. Mindestens die Hälfte des Gesprächs soll dafür verwendet werden, um über die Dinge zu sprechen, die gut gelaufen sind. Telefonate sollen nur noch in absoluten Notfällen erfolgen. Vielleicht gelingt es so, die Häufigkeit der Anrufe herabzusetzen und der Mutter trotzdem zu zeigen, dass Sie sie ernst nehmen. Es würde auch zeigen, dass ein neuer Schüler oder eine neue Schülerin in einer Klasse das ganze System durcheinander bringt und dass es ein Prozess ist, der Zeit braucht, um jemanden zu integrieren. Ich bin gespannt zu hören, wie die Situation sich entwickelt.
Mit freundlichen Grüssen
Delphin
Meiner Meinung nach, hast du sehr gut reagiert und bies das Probleme rasch angegangen.
Die Verbindung zur Mutter würde ich auch nicht abwürgen. Aber in einen tragbaren Rahmen setzen. Zudem wird kaum erwartet, das du rund um die Uhr erreichbar bist.
Durch das Zeitfenster um der Mutter den notwendigen Raum zu geben, wird auch sie verstärkt gefordert, denn Sie muss sich organisieren und zu dir kommen. Dennoch werden in den ersten vier Wochen die 15 Minuten kaum reichen. Rechne in dieser Zeit sicher mit 30 Minuten.
Da du deine Zeit nicht nur für ein Kind aufwenden kannst habe ich eine Idee um trotzdem allem gerecht zu werden.
Setze für die Klasse ebenfalls ein wöchentliches Zeitfenster ein. Und besprecht alle Themen welche die Klasse und auch du während der Woche auf ein Board geschrieben habt.
Damit alle ihre eigene Rolle verlassen können (müssen) eignet sich hervorragend das 6 Hüte System von Edward DeBono.
Bitte glaub mir, dass dieses System sehr gut stufengerecht angepasst werden kann. Die Begriffe müssen nur vereinfacht und etwas ergänzt weden. Anstelle von Hüten gebrauche ich auch denn Begriff der Brille … eine andere Brille anziehen und deshalb etwas anderes sehen.
Vielleicht gibt es ja bald mal eine Lehrerweiterbildung zu diesem Thema …
Du könntest so die Fokusierung etwas brechen und den anderen Kindern die gleiche Aufmerksamkeit schenken.
Eine andere Methode wäre das Forumtheater Forumtheater – Wikipedia
Das würde dann aber Sinn machen, mit einer anderen Klasse zusammen zu spanen.
Jede Klasse erhält die Sytuationen von einer Gruppe der anderen Klasse präsentiert und versucht es dann besser zu machen (Rollen Tausch). Wobe es sogar genügt, wenn nur die „spielende Gruppe“ der anderen Klasse auftaucht. Auch hier unbedingt nicht zuviel auf einmal.
Nun wünsche ich dir viel Kraft und möglichst grosse Unterstützung von deinem Umfeld.