Liebes Forum,
in meiner Ausbildung zur Schulischen Heilpädagogin habe ich mich intensiv mit der Thematik der Integration beschäftigt.
Die wissenschaftliche Erkenntnis zeigt deutlich auf, welche Chance und welcher Vorteil die Integration für Schülerinnen, Schüler und Lehrkräfte bedeutet.
Durch meine Ausbildung kenne ich die Mittel und Wege, die zu einer gelungenen Integration führen. Damit ist für mich die Integration der logische nächste Schritt in der Entwicklung der Volksschule.
Und so habe ich den Artikel 17 auch immer verstanden: Als eine verbindliche Vorgabe, alle Kinder in den Regelklassen individuell zu fördern.
Im schulischen Alltag erlebe ich es nun immer wieder, dass sich Lehrkräfte, wie auch Schulleiterinnen und Schulleiter mit den Grundsatzfragen auseinander setzen, ob sie integrieren wollen oder nicht, und falls ja, in welcher Form, und ob die KBF aufgelöst werden soll oder nicht.
Für mich sind dies keine Fragen, da ich aus Erfahrung weiss, dass sich die Integration mit der entsprechenden Grundhaltung und konstruktivistischen Ansätzen im Unterricht leicht umsetzen lässt.
Auf der einen Seite sehe ich mich stehen, eine IF-Lehrkraft, die die Vision der Integration im Herzen trägt, und auf der anderen Seite sehe ich die Realität, die Lehrkräfte, Schulleiter und Schulleiterinnen, die zum Teil noch abwägen, welchen Weg sie in Zukunft einschlagen wollen.
Also habe ich mich gefragt, was der Artikel 17 denn eigentlich für einen Wert hat.
Wie verbindlich ist er?
Wie haben die Geister, die ihn entworfen haben sich vorgestellt und gewünscht, dass wir damit umgehen?
Wozu steht dieser Artikel nun im VSG?
Auf der Website der Stadt Bern zum Integrationskonzept der Volksschule lese ich:
Die Verordnung über die besonderen Massnahmen im Kindergarten und in der Volksschule (BMV) trat ebenfalls am 1. Januar 2008 in Kraft. Sie beinhaltet die Ausführungsbestimmungen des Artikel 17 des Volksschulgesetzes.
Sie verpflichtet die Gemeinden, die Bestimmungen der kantonalen Verordnung bis spätestens am 1. August 2011 umzusetzen.
Was heisst das nun konkret?
In der Verordnung über die besonderen Massnahmen im Kindergarten und in der Volksschule (BMV) lese ich:
Art. 3
Integration
1 Schülerinnen und Schüler, die besonderer Massnahmen bedürfen, besuchen in der Regel die Regelklasse.
2 Schülerinnen und Schüler, die nicht in Regelklassen geschult werden, besuchen ganz oder teilweise eine besondere Klasse.
Art. 4
Modell, Konzept
1 Die besonderen Massnahmen können mit oder ohne Führen besonderer Klassen gemäss den beiden Modellen in Anhang 1 umgesetzt werden.
2 Die Gemeinden bestimmen mit Erlass das Modell und das Konzept.
Konkret bedeutet dies also, dass laut Artikel 3, die Schülerinnen und Schüler entweder eine Regelklasse oder eine KBF besuchen.
Laut Artikel 4 bestimmt die Gemeinde, ob eine KBF geführt wird oder nicht.
In diesen Zeilen finde ich keine Verbindlichkeit in Bezug auf Integrationsmassnahmen.
Einerseits wird im Artikel 17 das Recht aller Kinder auf Integration festgelegt, andererseits wird den Gemeinden freigestellt, ob sie darauf eingehen wollen oder nicht.
Oder habe ich da etwas falsch verstanden?
Wie ist er also gedacht, der Artikel 17?
Geht es nun darum die KBF aufzulösen oder nicht?
Nun gut. Ich weiss, dass wir den ohnehin schon bis zum Anschlag herausgeforderten Lehrkräften nicht einfach etwas Neues überstülpen können. Ich weiss auch, dass eine geglückte Integration nur einem inneren Bedürfnis entspringen kann.
Somit ist auch klar, dass der Prozess zur Integration seine Zeit fordern wird, viel Geduld und einen langen Atem.
Die Lehrkräfte verfügen nicht über den selben Hintergrund wie ich ihn habe. Oft können sie sich nicht vorstellen, wie sie dem Umgang mit der grossen Heterogenität begegnen können. Und, ich verstehe sie sehr gut, wenn sie dem Begriff der Integration mit sehr viel Misstrauen gegenüber stehen.
Und trotzdem:
Wer kann mir etwas genaueres darüber erzählen, inwiefern der Integrationsartikel zur Verbindlichkeit verpflichtet oder eben nicht?
Und wie haben sich die Visionäre der Integration es sich vorgestellt, dass ihr Wissen und ihre Erkenntnis die Lehrkräfte an der Basis erreicht?
Manchmal habe ich den Eindruck, es wäre das Beste, alle Lehrkräfte für ein Semester up-zu-daten, wie man das heute auch mit jedem Kompi notwendigerweise tut.
Die Lehrkräfte leisten die entscheidende Arbeit an der Basis. Sie arbeiten tagtäglich mit den Kindern. Da wo sie sind, da spielt sich das Wesentliche ab.
Sie haben ein Recht darauf, fundiert informiert zu werden, über die neuen Erkenntnis der Wissenschaft und über die Visionen all jener, die eine absolut fundamentale Schulreform initiieren.
Es kann auf keinen Fall die Aufgabe einer IF-Lehrperson sein, diese Aufgabe zu leisten. Dazu fehlt ihr schlichtweg die zugesprochene Arbeitszeit.
Noch einmal, auf den Punkt gebracht:
Was will der Artikel 17?
Ist die Auflösung der KBF ein anzustrebendes Ziel?
Mit lieben Grüssen,
Malena