Ich arbeite als Heilpädagoge an einer Primarschule mit integrierten Kindern.
Beim Erstellen der neuen Stundenpläne wurden mir 4 Lekt. an einer Klasse für IF zugewiesen.
An dieser Klasse hat es 3 Kinder mit riLz. Der KL wünscht nun, dass ich an 2 der 4 Lekt. je eine Halbklasse übernehme. Das entspricht nicht meinem Verständnis von IF. Ich bin der Meinung, dass ich meine Zeit den IF-Kindern zur Verfügung stellen soll und nicht der Klasse. Die SL wollte sich dazu (noch) nicht äussern. Auf welche Rechtslage kann ich mich abstellen?
Lieber Pestalozzi
Herzlichen Dank für diese Frage. Sie berührt verschiedene Ebenen. Zwei wähle ich aus.
Eine erste Ebene betrifft den institutionellen Aspekt:
Auf welches Integrationsverständnis beziehen sich die Lehrkräfte dieser Schule? Wer versteht was unter dem Begriff „Integration“? Gibt es gemeinsam besprochene, konzeptionelle Vorstellungen dazu, wie die schulische Integration an eurer Schule umgesetzt werden soll?
Oder muss das jede IF-Lehrerin/IF-Lehrer mit jeder RKL (mühsam?) einzeln und individuell immer wieder neu aushandeln? Welches ist dein Verständnis, welches das Verständnis deines Kollegen und all der anderen Lehrpersonen? Wurde das an dieser Schule zum Thema?
Schulische Integration kann gelingen, wenn sie als gemeinsame Aufgabe aller am Bildungs- und Erziehungsprozess der Kinder Beteiligten verstanden wird.
Das ist die Basis.
Hier ist insbesondere auch das Engagement der SL gefragt, indem sie die Auseinandersetzung zu diesen Fragen und damit den Prozess zu einem gemeinsam geklärten Integrationsverständnis an der Schule ermöglicht und unterstützt.
Eine zweite Ebene betrifft die Zusammenarbeit im Unterricht:
Ein (integratives) Ziel ist es, dass alle Kinder einer Klasse ihren Lern- und Entwicklungsmöglichkeiten entsprechende Lernangebote vorfinden. Jedes Kind - mit welchen Lernvoraussetzungen auch immer - soll jeden Tag lernen können.
Die entscheidende Frage ist: Wie lässt sich der Unterricht (gemeinsam) so gestalten, dass dies möglich wird?
Die Zusammenarbeit zwischen RKL und IF-LP kann sich an diesem Grundanliegen orientieren.
Gemeinsam soll die Lehr-Lern-Umgebung so gestaltet (und schrittweise weiter entwickelt) werden, dass möglichst für alle Kinder entsprechende Lernangebote vorliegen.
Gemeinsam ist zu besprechen: Welches ist der genaue Auftrag bezüglich der Förderung dieser drei Kinder? Wer nimmt dabei welche Aufgabe(n) wahr und welche Rolle/Rollen geht/gehen mit dieser Aufgabe einher?
Ist diese gemeinsame Aufgabe geklärt, kann sich das in vielfältiger Gestalt zeigen. Es kann dann die gemeinsame Arbeit im Klassenraum (z. B. verschiedene Teamteaching-Formen bei der Lernprozessbegleitung) ebenso umfassen wie die Arbeit mit einzelnen Kindern oder mit (wechselnden) Gruppen … oder auch mal mit einer Halbklasse.
Der Halbklassenunterricht hat jedoch dann unter einer integrativen Zielsetzung zu geschehen. Der Vielfalt der Kinder entsprechen eine Vielfalt der Formen des Unterrichts und eine Vielfalt der Formen der Zusammenarbeit.
Zu deinem Dilemma: Zweifellos kann es nicht die Aufgabe der IF-LP sein, einfach eine Halbklasse zu übernehmen. Sicher: Die Kompetenzen der IF-LP sollen den lernschwachen Kindern zu Gute kommen – jedoch möglichst auch dann, wenn die vier Lektionen vorbei sind und du nicht mehr in der Klasse bist.
Das bedeutet daher gleichzeitig, dass sich der Aufgabenbereich der IF-Lehrerin nicht ausschliesslich auf die Einzelförderung der drei Kinder mit riLz beziehen kann. Die ganze Klasse und der Unterricht sind sehr wohl auch ein Thema. Der Aufgabenbereich der IF-LP bezieht sich auch auf die gemeinsame Unterrichtsentwicklung (siehe oben). Da kann sie/er mit ihrem Fachwissen viel beitragen.
Das bedingt allerdings die Bereitschaft deines/deiner Kollegen gemeinsam mit dir über den Unterricht nachzudenken: Von welchen Lern- und Strukturierungshilfen, welchen Arbeitsmitteln, didaktischen Materialien, Visualisierungen, kooperativen Lernformen, Differenzierungsangeboten und - varianten, von welchen sprachlichen Unterstützungen, inhaltlichen Zugängen, Ausgangsabstraktionen, Arbeitsstrategien usw. usf. … können diese drei Kinder im regulären Unterricht profitieren? Solches kann dann zum gemeinsamen Thema werden. Im besten Fall setzt dies für die Lehrenden einen spannenden, kooperativen Entwicklungsprozess in Gang.
IF-heisst also nicht, einfach eine Halbgruppe übernehmen – und es heisst auch nicht, einfach eine „Förderwerkstatt“ zu betreiben für lernschwache Kinder, ohne dass der reguläre Unterricht immer wieder zum (spannenden) Thema wird.
Im ersten Fall bleibt u. U. die „integrative Förderung“ auf der Strecke.
Im zweiten Fall kann die „Integrative Förderung“ der „Förderung der Integration“ im Wege stehen.
Mit lieben Grüssen,
Janosch