Aufsätze korrigieren

Ich bin 58jährig, unterrichte seit 33 Jahren am Gymnasium das Fach Deutsch und merke, dass mein Aufwand fürs Vorbereiten immer grössere Ausmasse annimmt. Häufig bespreche ich mit den SchülerInnen Literatur, welche ich selber noch nicht gelesen habe. Ich komme mit dem Korrekturaufwand gar nicht mehr zurecht. Ich lasse meine 23jährige Tochter, welche studiert, gegen Entgelt die Prüfungen, vor allem Aufsätze, korrigieren.
Wie könnte ich das ändern?
Freundliche Grüsse
Wüstenfuchs

Guten Tag Belpberg

Danke für Ihre Anfrage.
Sie machen gute und genaue Beobachtungen an sich selbst und an Ihrer Arbeitssituation. Das ist ein sehr wichtiger Anfang für eine Veränderung. Sie fragen nach Möglichkeiten diese Situation zu ändern. Ein Anfang kann sein, genauer hinzuschauen.
Sie haben festgestellt, dass Ihr Arbeitsaufwand trotz der reichen Erfahrungen zunimmt. Worauf führen Sie das zurück? Haben sich die Anforderungen im Bezug auf den zu vermittelnden Unterrichtsstoff oder die Arbeitssituation an der Schule verändert ?
Ich bin gespannt, was Sie da bemerkt haben und freue mich auf eine Antwort.
Liebe Grüsse
Niesen

Lieber Belpberg
Was ich beim Durchlesen deines Eintrags auch noch frage, ist , wie viel Korrektur muss sein? Wie viele Aufsätze machst du im Jahr? Könntest du auch nur Teile nach vorgegebenen Themen korrigieren? Die Korrekturarbeit sollte meiner Meinung nach immer in einem guten Verhältnis zum Aufwand stehen, den die Schülerinnen und Schüler beim Erstellen einer Arbeit habe. Ebenso sollte die Korrektur den SuS dazu dienen, etwas zu lernen. Siehst du da Möglichkeiten zur Arbeitsreduktion?
Es grüsst dich
Javier

Guten Tag Belpberg

Deine Frage hat mich erstaunt - offenbar hast du das Gefühl, trotz langjähriger Erfahrung und zunehmender Expertise die Sache mit dem Zeitmanagement nicht auf die Reihe zu bringen. Das entspricht nicht den gängigen Erwartungen, und ich frage mich jetzt, ob dies „nur“ ein subjektiver Eindruck von dir ist oder ob der sich auch objektiv nachweisen lässt. Hast du schon einmal die Zeit überprüft, die du effektiv einsetzt? Falls du wirklich, d.h. messbar mehr Zeit brauchst als früher, würde ich dir folgende Ueberlegungen ans Herz legen:
Ich habe gute Erfahrungen damit gemacht, die Korrekturen variantenreich zu gestalten und dabei auch standardisierte Formen einzusetzen. Nicht immer, aber ab und zu - dies spart enorm Zeit und Kraft. Variantenreich heisst auch, dass ich nicht immer sämtliche Kriterien beurteile - sondern oft gewichte und auswähle. Das ist übrigens auch für die Schüs gut, sie können dann besser fokussieren und die Komplexität der Anforderungen, die das Verfassen eines Textes stellt, reduzieren. Und variantenreich heisst schliesslich auch, dass ich nicht alle Texte korrigiere, die geschrieben werden, sondern dass manchmal Texte nur zum Vorlesen bestimmt sind oder von Schükollegen korrigiert werden (das ist eine gute Uebung auch für die Schüs).
Dass du deine Tochter anstellst, um zu assistieren, ist zwar aus gewerkschaftlicher Sicht alles andere als ideal. Trotzdem: ev. bringt dir dies mehr Austausch, mehr Interaktion in dieses doch so einsame Geschäft. Und daraus kannst du vielleicht wieder Energie schöpfen.

Falls deine Zeitmessung aber ergeben sollte, dass du gar nicht mehr Zeit brauchst als früher, sondern nur subjektiv das Gefühl hast, mehr Zeit zu brauchen, dann liegt das Problem wohl auf einer anderen Ebene. Ermüdung, emotionale Erschöpfung? In diesem Fall würde ich eine personenzentrierte Beratung ins Auge fassen.

Mit guten Wünschen - MVON

Mein Vorschlag geht in eine etwas andere Richtung:

Du möchtest dich entlasten ohne gross an der Qualität zu schrauben. Um deine Aufgabe als zusätzlichen Lernprozess deinen Studierenden zu übergeben, eignet sich das sogenannte Peer Feedback.
http://www.wu.ac.at/academicstaff/support/feedb/pf

Die modernen Lernplattformen bieten ein Modul Peer Feedback an, so zum Beispiel auch Moodle.
Die Teilnehmer schreiben ihr Bericht/Stellungnahme… während einem bestimmten Zeitfenster direkt auf die Plattform. Du legst dann fest, wieviele Personen den einzelnen Text lesen und bewerten müssen. So 3-4 Studierende haben sich gut bewährt. Du siehst dann alle Wertungen und kannst z.B. die tiefste Wertung selber nochmals genau durchgehen.
Damit sich jeder bemüht die Korrekturaufgabe seriös zu machen, bewertet das Sysem bei jeder Wertung die Abweichung zum Mittelwert der entsprechenden Arbeit.

Rüste dich für die Zukunft, du wirst es nicht bereuen.

Im Anhang habe ich dir noch ein ganz einfaches Beispiel. Welches genau so auch in den Unterstufen eingesetzt werden kann.