Liebe(r) maienkaefer,
hier besteht leider oft eine gewisse Unsicherheit. Klar ist zunächst, dass sich Lehrpersonen, wo möglich, vom elterlichen Konflikt abgrenzen und zu tätigende Auskünfte zur Schulsituation des betroffenen Kinds (vgl. hierzu stets den in Art. 31 Abs. 3 und Art. 29 Abs. 1 des Volksschulgesetzes vom 19. März 1992 [VSG; BSG 432.210] vorgesehenen Rahmen) sachlich und neutral bleiben sollten.
Aus Art. 58 Abs. 1 des Personalgesetzes des Kantons Bern vom 16. September 2004 (PG; BSG 153.01) ergibt sich sodann, dass Lehrpersonen (und Schulleitungen) eine amtliche Tätigkeit erfüllen und daher grundsätzlich dem Amtsgeheimnis unterstehen: «Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind verpflichtet, über die Angelegenheiten zu schweigen, die ihnen in ihrer dienstlichen Stellung zur Kenntnis gelangen und die ihrer Natur nach oder nach besonderer Vorschrift geheim zu halten sind. […].» Wer das Amtsgeheimnis vorsätzlich verletzt, macht sich nach Art. 320 Ziff. 1 Abs. 1 des Schweizerischen Strafgesetzbuchs vom 21. Dezember 1937 (StGB; SR 311.0) strafbar. Lehrpersonen sind demnach verpflichtet, «Geheimnisse», die sie in Ausübung ihrer Tätigkeit erfahren haben, nicht bekannt zu geben. Die Auskunft, ob die Mutter ihr Kind für die Schule angemessen kleidet oder nicht, fällt meiner Ansicht nach unter den Geheimnisbegriff und damit unter das Amtsgeheimnis. Die Bekanntgabe kann jedoch trotzdem durch eine gesetzliche Ermächtigung oder Pflicht gerechtfertigt sein.
Beispiele für solche (rechtfertigende) gesetzliche Ermächtigungen oder Pflichten finden sich u. a. im Volksschulgesetz des Kantons Bern: So sind gemäss Art. 31 Abs. 3 VSG die Eltern «von der Volksschule regelmässig und in angemessener Weise über die schulische Entwicklung und das Verhalten ihrer Kinder sowie über wichtige Geschehnisse und Vorhaben im Zusammenhang mit dem Unterricht und dem Schulbetrieb zu informieren». Und gemäss Art. 29 Abs. 1 VSG informiert die Lehrerschaft oder die Schulleitung die Eltern, wenn «Anzeichen für Mängel in der Erziehung oder Pflege oder für eine anderweitige Gefährdung der Schülerinnen und Schüler» vorhanden sind. Es lässt sich somit nicht ausschliessen, dass zuhanden der Eltern allenfalls eine Auskunftspflicht der Lehrperson bestehen könnte, wenn die erwähnte Auskunft in den Rahmen von Art. 31 Abs. 3 VSG und/oder Art. 29 Abs. 1 VSG fällt.
Der vorliegende Fall ist aber anders gelagert: Hier bittet die Rechtsvertretung der Schülerin oder des Schülers im Rahmen eines Scheidungsverfahrens darum, dass die Lehrperson die erwähnte Auskunft zuhanden des (Zivil-)Gerichts abgibt. Auch hier gelten die Bestimmungen über das Amtsgeheimnis. Solange die Aufsichtsbehörde (gemäss Art. 23 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 7 des Gesetzes vom 20. Januar 1993 über die Anstellung der Lehrkräfte [LAG; BSG 430.250] und Art. 34 Abs. 2 VSG die Schulkommission) die als Zeugin oder als Zeuge aufgerufene Lehrperson nicht vom Amtsgeheimnis entbindet, ist sie weder verpflichtet noch berechtigt, eine Aussage zu machen (Art. 166 Abs. 1 Bst. c der Schweizerischen Zivilprozessordnung vom 19. Dezember 2008 [Zivilprozessordnung, ZPO; SR 272]). Solche Auskünfte müssten meiner Ansicht nach also, wo notwendig, vom zuständigen (Zivil-)Gericht eingeholt werden (vgl. hierzu auch den Leitfaden «Datenschutz in den Volksschulen des Kantons Bern» der Bildungs- und Kulturdirektion [BKD], Ziff. 8.2, abrufbar unter www.lp-sl.bkd.be.ch > Schulleitungen > Datenschutz in der Schule > Leitfaden > Leitfaden Datenschutz). Die Aufsichtsbehörde (die Schulkommission) könnte dann die Lehrperson vom Amtsgeheimnis entbinden, wenn keine überwiegenden öffentlichen oder privaten Interessen dagegen sprechen (Art. 58 Abs. 3 PG).
Wenn elterliche Konflikte für Lehrpersonen zur Belastung werden, können sie sich übrigens auch an die regionale Erziehungsberatung wenden (https://www.eb.bkd.be.ch/de/start/ueber-uns/regionalstellen.html).
Liebe Grüsse, der schlaue Bison