Beurteilung in heterogenen Klassen

Gibt es gute Unterlagen zum Thema Beurteilung in heterogenen Klassen? Wer kennt solche?
Danke! afra

Liebe afra

Grundsätzlich scheint mir in Bezug auf die heutigen, sehr leistungsheterogenen Klassen wichtig, dass neben der Rückmeldung, ob die Klassenlernziele erreicht worden sind, auch die persönlichen Anstrengungen und die Lernfortschritte der einzelnen Kinder gewürdigt werden.

Dafür geeignete Instrumente sind aus meiner Sicht: Lerntagebuch, Portfolio, Kurzgespräch mit SchülerIn, Auszeichnungen für einen bestimmten Lernstand (alle Buschstaben kennen, bestimmte Lesestufe erreicht, Grundstufe Prozentrechnen erreicht…), Stolz-Buch, Kompetenzraster führen, …

Dazu haben mir verschiedene Publikationen von Ingvelde Scholz wichtige Impulse gegeben
www.ingvelde-scholz.de , sowie das Buch
„Leistungsbewertung“ von Felix Winter, Verlag: Schneider Verlag GmbH (Januar 2004) ISBN-10: 3896767402, ISBN-13: 978-3896767400

Die meisten Unterlagen, die ich auch im Unterricht einsetze, sind Stufen- oder Fachspezifisch. Viele Medien, die ich nun erwähne, sind im www.schulverlag.ch erhältlich. Eine spezifische Suche, eingegrenzt nach Fach und Stufe, liefert eher praktisch einsetzbare Instrumente. Kannst du dein Einsatzgebiet genauer umschreiben?

Beispiele aus dem Schulverlag:

  • Mathematische Beurteilungsumgebungen (toller Beurteilungsansatz, Math Sek I)
  • Projektorientiert arbeiten (3. – 6. Klasse), mit Beurteilungsteil
  • Das Lehrmittel „Sprachland“ hat differenzierte und individuell anpassbare (auf CD) Beurteilungsinstrumente
  •  „Unterrichtsformen konkret“ (und passende Beobachtungs-/ Beurteilungsformen) 		
    

Herzlich

bejazz

Im Lehrplan sind die Grob- respektive Lernziele sowie Inhalte einem 2-Jahres- respektive im Lehrplan 21 einem 4-Jahreszyklus (jedoch mit Orientierungspunkt) zugeordnet. Daraus folgere ich, dass ich als Lehrperson einer 3./4. altersdurchmischten Klasse für alle Kinder die gleichen Lernziele, Prüfungen und auch Notenmassstäbe verwenden kann. Ist das richtig?

Wegen Ferienabwesenheit des Experten verzögert sich die Antwort. Wir bitten um etwas Geduld.

Liebe afra

Jede Lerngruppe ist heterogen. Beurteilen ist kein einfacher und eindeutig zu beschreibender Vorgang, sondern abhängig von der spezifischen Beurteilungssituation, der Funktion der Beurteilung, der Bezugsnorm und vielen weiteren Merkmalen.
Auf die Relevanz einer fomativen Beurteilung, also der Begleitung, Unterstützung, Begutachtung des individuellen Lernprozesses, hat bereits bejazz hingewiesen. Hier können passende Instrumente hilfreich sein. Entscheidend ist jedoch, dass du in deinem Unterricht Lernsituationen realisierst, die individuelle Lernwege ermöglichen. Erst dann kannst du die verschiedenen Lernprozesse beobachten, einzuschätzen und förderliche Rückmeldungen geben. Der Lehrplan spricht hier von einer „Feedbackkultur“.
Vielleicht helfen dir die folgenden Links, die zu ausgewählte Grundlagenpapieren führen, noch tiefer in das Thema Beurteilung einzudringen. Für konkretere Hinweise müsste man (wie ebenfalls von bejazz erwähnt) mehr über Stufe, Lerngruppe, Fachbereich, Lern- und Beurteilungssituation wissen.

Allgemeine Hinweise und Bestimmungen (AHB) der ERZ Kt. Bern

Erläuterungen zur Kompetenzorientierung und zum Lern- und Unterrichtsverständnis im Lehrplan 21:
Teil 2: Kompetenzorientiert unterrichten mit dem Lehrplan 21

Schülerinnen – und Schülerbeurteilung, Ein Glossar

Lehrplan 21 Kt. Bern

Konzept und Instrumente ERZ.BE

Fachspezifische Umsetzungshilfen in Form von Lernsets

Beobachtungsinstrument im 1. Zyklus: „Entwicklung beobachten, Lernen begleiten“

Herzlich

Apostroph

Lieber EddieEagle

Der Lehrplan 21 zeigt mit seinen Kompetenzstufenmodellen auf, wie Kompetenzen über alle Zyklen hinweg aufgebaut und weiterentwickelt werden können. Die einzelnen Stufen sind nicht als Ziele, die zu einem bestimmten Zeitpunkt erreicht werden müssen, beschrieben, sondern als Entwicklungsstufen, im Sinn eines kumulativen Lernens.
Auf dieser Grundlage arrangierst du Lernsituationen in Form reichhaltiger Aufgaben, damit Kompetenzentwicklungen stattfinden können. Oder du übernimmst / variierst Aufgaben aus einem kompetenzorientierten Lehrmittel. Jetzt kannst du im Verlauf des Unterrichts Lernprozesse beurteilen und auch Lernerfolge messen. Anders gesagt, du beurteilst nicht direkt einzelne ausgewählte und im Lehrplan beschriebene Kompetenzstufen sondern was Lernende in deinem Unterricht gelernt haben. Dein Lernsetting ist also Grundlage deiner Beurteilung. So kannst du im Prinzip unterschiedlich viele Gruppen je nach Auftrag und Anforderung nach unterschiedlichen Kriterien beurteilen. Wichtig ist dabei, dass die Kriterien transparent sind und sich wirklich auf die entsprechenden Aufgaben beziehen.

Herzlich

Apostroph

Vielen Dank für die aufschlussreiche Antwort. Verstanden habe ich, die im Lehrplan 21 festgehaltenen Kompetenzen bilden für das von mir aufbereitete Lernsetting einen gewissen Rahmen. Innerhalb dieses Rahmens darf ich die Anforderungen sowie Beurteilungskriterien selbst festlegen.
Da ein Austausch von Schulhaus zu Schulhaus in der Regel nicht gewährleistet ist – manchmal nicht mal innerhalb des Schulhauses – setzt vermutlich jede Lehrperson eigene Massstäbe. Ich befürchte, die Noten im Zeugnis lassen sich nur bedingt vergleichen. Folgen sind Reklamationen seitens der Kinder, seitens der Eltern oder der Oberstufenlehrpersonen, dass die Beurteilung zu milde / streng ausgefallen ist. Die „Chancengerechtigkeit“ ist im schulischen Umfeld ein oft gehörter Anspruch. Wie kann diesen Erwartungen gerecht werden?

Lieber Eddie

Die von dir beschriebene Situation ist ja nicht neu. Mit dem Lehrplan 21 hast du jetzt immerhin einen für alle gültigen Bezugspunkt, auch wenn er dir die Einschätzungen deiner Schülerinnen und Schüler nicht abnimmt. Wenn «alle» Lehrpersonen (und Lehrmittel) diese Grundlage verwenden, geht es, auch wenn unterschiedliche Massstäbe verwendet werden, doch in Richtung Harmonisierung.

Eine Beurteilung ist immer ein professioneller Ermessensentscheid. Dieser ist zwar individuell, aber eben deshalb professionell, weil er durch die Person vorgenommen wird, die a) die Lerngruppe am besten kennt und einschätzen kann und b) für die zu Grunde liegende Lernanlage verantwortlich ist.
Das Ziel einer professionellen Beurteilung ist nicht primär die Vergleichbarkeit (die, wie man weiss, vor allem bei summativen Beurteilungen sowieso nicht möglich ist), sondern die «Belegbarkeit» hinsichtlich Lernsituation (was wurde gelernt / woran wurde gearbeitet), hinsichtlich Transparenz (was wird wie beurteilt) und hinsichtlich Beurteilungskriterien. Diese Informationen sind dann sowohl für die Lernenden als auch, in bestimmten Situationen, für die Eltern wichtig und hilfreich (vor allem um weitere Lernschritte zu planen).

Die Chancengerechtigkeit, du hast Recht, ist eine grosse Herausforderung und hängt aber sicher nicht nur von unserer Beurteilung ab.

Ein «grosses» Thema, es gäbe noch viel zu diskutieren.

Besten Dank für dein Interesse und Engagement!

Und herzliche Grüsse

Apostroph