Disziplinarische Probleme

Ich unterrichte seit 35 Jahren mehrheitlich als Teilpensen-und Fachlehrerin. In den Fächern WAH und TTG musste ich mich schon immer disziplinarischen Problemen stellen. Seit dem neuen Schuljahr unterrichte ich neu zwei 9. und eine 8. Klasse im textilen Gestalten, total 6 Lektionen. Ich habe noch eine zweite Anstellung von 10 L., welche mir gut gefällt. Aber mit einer 9. Reaklasse im textilen Gestalten habe ich enorme Schwierigkeiten. Die Schülerinnen und Schüler verhalten sich mir gegenüber sehr respektlos, sind frech, boykottieren den Unterricht, usw. Nach zwei Lektionen haben die Jugendlichen praktisch nichts gemacht, aber ich bin total geschafft, verletzt und deprimiert, und dieses Gefühl nagt mehrere Tage an mir. Mich plagen Selbstzweifel und Schuldgefühle, weil ich mit der Situation nicht klar komme. Am liebsten würde ich die Klasse sofort abgeben, die Situation raubt mir soviel Substanz. Ich ärgere mich über mich selber, weil ich es nicht schaffe, gelassen zu bleiben. Doch ehrlich gesagt: Manchmal habe ich die Auseinandersetzungen mit den Jugendlichen ziemlich satt. Ich sehe die SuS nur 2 Lektionen pro Woche, eigentlich lächerlich, wie sehr mich das plagt. Was soll ich tun?

Guten Tag Marielou

Sie schildern eine Situation, die Sie zunehmend belastet, die Sie an sich selbst zweifeln lässt und Ihnen dadurch auch die Freude an der Arbeit nimmt. Gut, dass Sie die Arbeit mit dieser 9. Klasse auch in Ihre lange Berufstätigkeit einordnen: 35 Jahre Unterrichtserfahrung, das bedeutet viele und unterschiedliche Kontakte und Beziehungen mit Schülerinnen und Schülern in ganz verschiedenen Ausgangslagen. Ich denke, da war viel Gfröits und zwischendurch auch Mühsames dabei?

Sie haben mehrheitlich in einer TP- Anstellung gearbeitet. Die Klassenführung in einer Teilpensensituation ist immer anspruchsvoll. Als Klassenlehrperson mit mehr Lektionen und Spielraum hat man einen längeren Hebel, hat schlicht mehr Zeit, mit SuS Beziehungen aufzubauen, kann mehr Einfluss nehmen und dranbleiben. Dies zu betonen ist mir wichtig, auch um diese Situation mit der einen dieser drei Sek 1 Klassen in Ihre ansonsten befriedigende Arbeitswoche einzuordnen.

Sie schreiben, dass Sie diese Lektionen am liebsten abgeben würden.
Das ist eine Möglichkeit, Sie verlassen dann sozusagen die Situation.
Wir empfehlen hier, dies auch von der finanziellen Seite her gut zu überlegen, weil es manchmal nicht einfach ist, das Pensum wieder aufstocken zu können.

Fragen der Respektlosigkeit, eines frechen Umgangs oder Widerstände der SuS gegenüber den Lehrpersonen sind an vielen Schulen und für viele Lehrpersonen auf allen Stufen ein häufiges Thema. Und in diese Richtung geht auch meine Antwort auf Ihre Frage:
Suchen Sie den Kontakt mit der Klassenlehrperson, bitten Sie um einen gemeinsamen Termin mit weiteren an der Klasse unterrichtenden Lehrpersonen und erzählen Sie, wie es bei Ihnen geht, und was nicht gut geht. Vielleicht können Sie auch die Schulleitung in ihr Vorhaben einbeziehen und sie bitten das Gespräch zu leiten. Zu erfahren, was bei anderen Lps allenfalls funktioniert, nach Möglichkeiten zu suchen, wie mit SuS umzugehen ist, die boykottieren braucht das ganze Team. Das braucht vielleicht Mut, doch bei diesen Themen braucht es die gegenseitige Unterstützung der Lehrpersonen.
Ob Sie sich ein Vorgehen in diese Richtung vorstellen können?

Freundliche Grüsse

Niesen

Ich danke Ihnen herzlich für die freundliche Antwort. Mit dem Einbezug der SL und KLP habe ich in meiner Karrier diverse Erfahrungen gemacht. Im komplexen Schulalltag, mit vielen Anforderungen (jetzt auch noch mit Corona), fühle ich mich als dermassen kleiner Fisch, dass ich mich kaum getraue, mich einzubringen. Aber ich werde das Gespräch suchen, so geht es einfach nicht weiter.