DU Frau

Liebes Forum

Vor kurzem hatte meine 3./4. Klasse Unterricht mit einer Lehrperson aus der 5./6. Klasse unseres Schulhauses.
Sie war ganz überrascht, dass ihr alle Kinder „du“ gesagt haben…dieses „du“ wächst zur Zeit auf meinem Mist, da es mich zum einen persönlich nicht stört und ich mich zum anderen daran gewöhnt habe. Da ich den Kindern aber nicht die Chance wegnehmen will, diese soziale Etikette frühzeitig zu erlernen, möchte ich das Siezen einführen.

Am Liebsten hätte ich dazu ein Bilderbuch/eine Geschichte/einen tollen Aufhänger mit dem ich die Sache einführen und worauf ich zurückgreifen kann, wenn die Kids beim Erlernen noch nicht immer dran denken. Wäre mir lieber anstatt zu sagen „Es heisst Sie Frau…“.

Hat da jemand einen Tipp oder das schon Mal auf eine schöne Art und Weise eingefädelt?

Besten Dank für jegliche Inspiration bereits im Voraus!

Liebe Frau Holle

Danke für Ihren Diskussionsbeitrag.

Ihre Frage hat bei mir mehrere Folge-Fragen ausgelöst: Wie wird das Siezen, bzw. das Duzen im Schulhaus gepflegt? Wie machen es andere Lehrpersonen? Ich denke, es ist hilfreich, hier einen gemeinsamen Entscheid zu fällen.

Ich persönlich - als noch amtierende Lehrperson - finde, Kinder ab 1. Klasse sollen ihre Lehrpersonen Siezen. Die Schule ist ein öffentlicher Bereich, deshalb macht es auch Sinn, die formelleren Umgangsformen zu üben.

Zur Variante „DU, Frau“ habe ich auch aus sprachlicher Sicht einige Bedenken: Frau oder Herr wird mit dem Nachnamen in Verbindung gebracht. „Du“ aber mit dem Vornamen - es macht also Sinn, in der Schule die gesellschaftlich angemessene Form - Sie, Frau Holle, oder Du, m - zu üben.

Zur Methodik: Ein Bilderbuch dazu kenne ich nicht, aber Rollenspiele (Einkaufen, Arztbesuch, Handwerker im Haus, usw.) sind beliebte Möglichkeiten, die Höflichkeitsform zu üben, wenn die Kinder sich mit Herr und Frau Soundso (Nachnamen) anreden. Die Rollenwechsel vom geduzten Kind zur oder zum gesiezten Erwachsenen machen den Kindern viel Spass.

Ich hoffe, die Diskussion wird noch weitergeführt und bin gespannt auf die Beiträge.

Liebe Grüsse
Manaso

Guten Tag Frau Holle
Hallo Frau Holle
Liebe Frau Holle
Sehr geehrte Frau Holle

Ich nehme es so wahr, dass die Höflichkeitsformen in unserer Gesellschaft an Bedeutung verloren hat. Mich stört das nicht so sehr. Bzw. ich habe mich damit arrangiert und entscheide mich immer wieder mit den gesellschaftlichen Entwicklungen mitzugehen.

Ich finde ebenfalls, dass die SuS die Höflichkeitsform lernen sollten. Dann soll man sie aber auch anwenden und eine gute, freundliche Gewohnheit daraus entwickeln. Wir sagen einander gegenseitig die Namen. :slight_smile:

Die meisten Kinder, aus er 1./2. Klasse kommen, sprechen bei uns (in einer Gemeinde nahe Bern, jedoch eher ländlich) die LP noch mit du an. Einige Kinder machen den Schritt zum Sie Frau… oder Herr…, weil sie die Vorbilder der 4.Klässler in der Klasse wahrnehmen oder zuhause gebrieft werden, von alleine.

Ich finde es macht Sinn, den sprachlichen Begrüssungsumgang in der Klasse und mit den Lehrpersonen auch TPs und SHP zu besprechen, es prägt den Umgang miteinander in guten Zeiten. Einen wertschätzenden Umgang pflegen.

Werden Erwachsene auf dem Schulareal gegrüsst?
Werden ins Klassenzimmer eintretende Personen mit Namen begrüsst?
Wird der Hauswart, wenn man ihm begegnet, mit Namen gegrüsst?
Wird die LP mit Name angesprochen?

Rollenspiele sind bestens geeignet diese Situationen zu üben. Die SuS in den Alltagssituationen zu begleiten, wenn LP kommen oder gehen oder Besuche in die Klasse kommen. Wie machen wir das gemeinsam abzumachen, hilft sehr.

Umgekehrt bin ich immer wieder erstaunt, dass es vermehrt Kinder gibt, die den Namen ihrer Lehrperson sehr lange nicht kennen. Kennen die SuS die Namen aller wichtigen Personen? Ist der Name während der ersten Wochen im Schulzimmer angeschrieben? Sind die Namen der erwachsenen Personen, auch die die nur 1x pro Woche unterrichten präsent?

Auch Eltern sind vermehrt beim Hallo als bei Grüessech Frau … - da beobachte ich eine gesellschaftliche Veränderung. Für mich war Hallo früher eine geduzte Anrede. Heute bin ich überzeugt, dass mich die Eltern die Hallo benutzen, wenn ich aus dem Schulhaus trete, mich nicht bewusst duzen. Sie sind die aktiven Vorbilder der Kinder.

Ich habe mich entschieden meine Einstellung diesbezüglich weich zu halten.
Parallel dazu aktiv mit den SuS das Grüssen zu thematisieren und es auch immer wieder im Kollegium als Thema einzubringen. Wie grüssen wir im Schulhaus, ist eine Farbe auf unserer Visitenkarte.

Im Alltag mache ich gute Erfahrungen. Rutscht einem Kind das Du heraus oder ist es noch nicht soweit. Dann stört mich das nicht. Es ist ein Thema, an dem ich einfach dranbleibe, weil ich weiss, dass sich die Gesellschaft immer weiterentwickelt und es nicht selbstverständlich ist, dass man wertschätzend aufeinander zugeht.

Herzlich coffee

PS: ähnlich geht es mir mit der Anrede in einem Email oder Forum
Was ist den nun angebracht, wenn man es korrekt machen will? Muss es korrekt sein? Was ist anständig? Wertschätzend? Zu nah, zu förmlich…?
Meistens schnappe ich mir die Anrede, wie es mir mein Bauch sagt, manchmal passt es vermutlich nicht. Immer mit der Idee freundlich und wertschätzend zu sein und so lese ich auch die Anrede meines Gegenübers.

Mir geht es ähnlich wie Coffee.

Vieles ist Vorbildsache. Früher war ich mit den Kindern alleine. Heute sind Pädagogische Mitarbeiterin, Seniorin, Heilpdagogin, Therapeutin, etc. etc. anwesend. Da baue ich das Siezen bewusst ein, oft indem ich indirekt rede: Da wollen wir doch auch noch Frau Meier fragen, was sie meint. - auch wenn sie direkt neben mir steht. Ich finde es immer komisch, wenn mich jemand aus dem Kollegium vor den Kindern duzt und mit dem Vornamen anspricht - weil die Kinder im täglichen Leben fast nirgends mehr bewusste Siez-Situationen erleben.*

Vor der Pandemie stand ich immer an der Zimmertür, begrüsste jedes Kind per Handschlag, Augenkontakt und Namen und forderte das gleiche vom Kind ein. Nun mussten wir andere Formen finden, andere Gesten, bei denen wir einander weiterhin ansehen beim Kommen und Gehen, uns weiterhin den Namen sagen. Nur was man täglich lebt, geht einem in Fleisch und Blut über.

À propos „Hallo“: Das ist mir so unpersönlich (und teutonisch) - da frage ich bei Kindern immer zurück: Weisst du nicht, wie ich heisse? Das ist ein bisschen nervig, ich weiss, aber sie grüssen mich deshalb auf klassische Art und Weise. Man sagt ja auch Härdöpfel und nicht nur Döpfel :wink:

  • interessant finde ich: In Schweden werden nur noch Mitglieder des Königshauses gesiezt, im Englisch hingegen ist das du (thou) ausser in Teilen Nordenglands und im Schottischen durch das Sie (you, vgl. franz. vous) ersetzt worden.

Guten Tag

Als Idee: Ein Kollege von mir macht in der 3./4.-Klasse regelmässig „Siezi-Stunden“, d.h. während einer bestimmten Lektion (egal, welches Fach) siezen sich alle (Kinder untereinander, Lp die SuS, die SuS die Lp). Zu Beginn werden die „Formeln“ eingeübt / vorgestellt, mit der Zeit automatisieren sich diese (z.B. „Können Sie mir…“, „Grüessech“, „Wissen Sie,…“ etc.). Evtl. kann dies auch als schrittweise Annäherung dienen.

Freundliche Grüsse,

MakeSchoolGreatAgain