Ich unterrichte eine 3./4. Klasse in ländlicher Gegend. In der 4. Klasse ist ein starkes, fleissiges und interessiertes Mädchen. Es hat einen sehr grossen Erwartungsdruck der Eltern. Der Vater hat mir (in Anwesenheit des Mädchens) bereits zweimal gesagt, dass die Tochter sich wieder (wie in der 3. Klasse) ein Zeugnis mit der Note 6 in jedem Fach wünscht, bzw. anstrebt. Mit grosser Wahrscheinlichkeit wird sie in Musik eine 5.5 haben, sonst ist sie auf nahezu einem 6-er Durchschnitt.
Ich hatte insbesondere mit dem Vater mehrere Konfrontationen und Diskussionen über Noten etc. (es geht in Richtung „Fertig- und Kleinmachen“ einer jungen Lehrperson).
Je nach Verfassung und Laune von ihm, kann ich mir theoretisch vorstellen, dass er Einspruch/Rekurs einlegt. Vielleicht realisiert er aber auch, dass es speziell und (sinnlos) ist, einen Rekurs auf ein 4. Klasse Zeugnis mit einer 5,5 und sonst 6-ern zu machen.
Da er mich bereits mehrere Male „überfahren“ hat, wäre ich froh, wenn ich weiss, wie dies ablaufen würde, falls er Einspruch/Rekurs machen würde.
Ich habe mich auch schon gefragt, ob ich in der letzten Woche den Eltern telefonieren und sie informieren soll oder nicht.
Freundliche Grüsse und vielen Dank für Antworten und Tipps
mit Blick auf die Frage nach der Anfechtbarkeit der Bewertung schulischer Leistungen ist die Rechtslage im Allgemeinen ziemlich komplex. Unter der Annahme, dass Du im Kanton Bern unterrichtest, kann ich zusammenfassend Folgendes antworten:
Ob eine Note eine Verfügung (d. h. einen anfechtbaren staatlichen Akt) darstellt, ist umstritten. Das Berner Verwaltungsgericht hat in einem Urteil aus dem Jahr 2013 erwogen, dass dies bei von einer Hochschule vergebenen Fachnoten grundsätzlich nicht der Fall ist, und zwar unabhängig davon, ob es sich um genügende oder ungenügende Noten handelt (vgl. BVR 2013 301 ff.). Für die Volksschule hält Art. 72 Abs. 4 des bernischen Volksschulgesetzes (VSG; BSG 432.210) allerdings fest, dass man Zeugnisnoten und Prüfungsergebnisse anfechten kann.
Wiewohl man also davon ausgehen muss, dass im Kanton Bern auch genügende Volksschulnoten angefochten werden können, ist fraglich, ob an der Anfechtung einer 5.5 ein sog. „schutzwürdiges Interesse“ besteht. Da auch eine 5.5 „unfair“ sein kann, wird man dies jedoch bejahen müssen.
Falls die Zeugnisnoten an Eurer Schule nicht verfügt werden, müsste der Vater Deiner Schülerin zunächst eine Verfügung verlangen. Sollte Eure Schule/Gemeinde ihm eine solche ausstellen (was ich übrigens empfehlen würde), könnte er diese innert 30 Tagen beim regionalen Schulinspektorat anfechten und dessen Entscheid dann gegebenenfalls an die Erziehungsdirektion weiterziehen (vgl. Art. 72 Abs. 1 und 2 VSG). Nachher stünde ihm theoretisch noch der Gang ans Verwaltungsgericht sowie schliesslich ans Bundesgericht offen.
Wichtig ist, dass im Rahmen der Anfechtung von Zeugnisnoten einzig Rechtsfehler gerügt werden können (Art. 72 Abs. 4 VSG). Das bedeutet, dass nicht vorgebracht werden kann, eine Note sei unangemessen, sondern (praktisch) nur, sie sei geradezu willkürlich. Das ist eine sehr hohe Hürde.
Sollte der Vater Deiner Schülerin tatsächlich gegen die in Aussicht stehende 5.5 seiner Tochter in Musik Beschwerde führen, würde Euch/Dir das Schulinspektorat zunächst Gelegenheit geben (müssen), zu dieser innert einer bestimmten Frist Stellung zu nehmen (sog.„Beschwerdeantwort“). In einer solchen Beschwerdeantwort würde ich primär Nichteintreten (wegen fehlenden schutzwürdigen Interesses) und sekundär („eventualiter“) Abweisung beantragen.
Liebe Smile
Schwierige Gespräche mit fordernden Eltern nehmen leider zu. Wichtig erscheint mir, dass die Eltern einen gewissen Anstand bewahren.
Ich denke, dass du Gespräche durchaus auch abbrechen kannst, wenn die Eltern unanständig oder laut werden. Du darfst ihnen dann auch sagen, dass du nicht bereit bist, auf diese Art und Weise zu kommunizieren, du dir aber Zeit nehmen würdest für ein Zweitgespräch, wenn sie sich beruhigt hätten und bereit sind, gewisse Gepflogenheiten einzuhalten. Oftmals finden sich solche Gedanken übrigens auch in einem Leitbild der Schule. Das könnte dir helfen, denn du könntest es zücken und darauf verweisen.
An deiner Stelle würde ich mir allenfalls auch überlegen, entweder Kollege/in oder Schulleitung zu bitten, beim Gespräch mit dabei zu sein. Bereitet es seriös gemeinsam vor und klärt dabei die Rollen.
Viel Glück und Kraft!
Manuel
Lieber Smile
Eine Möglichkeit, eine sinnlose Notendiskussion zu umgehen besteht darin, dass du dich auf den Lehrplan 21 beziehst, der im Fach Musik verschiedene Kompetenzen anbietet, mit denen du das Verhalten der Schülerin beschreiben kannst.
Optimal, wenn du den Schülerinnen und Schülern bei Quartalsbeginn vorstellst, wo du die Schwerpunkte setzen wirst, so sind auch Selbsteinschätzungen möglich. Dieses transparente Verfahren erspart dir mühsame Machtkämpfe mit Eltern.
Hallo!
Die Antwort des schlauen Bisons kann noch dahingehend ergänzt werden, dass auf dem Beurteilungsbericht sehr wohl bereits die Rechtsmittelbelehrung vorgedruckt ist und der Beurteilungsbericht folglich als Verfügung gilt (dies kann von einer Schule auch nicht anders resp. individuell geregelt werden).
Aber: Besprich die Situation doch mit deiner SL - diese wird dich sicherlich unterstützen können.