In der 5/6. Klasse ist Übertrittsverfahren, es gibt aber Kinder, die den Sekübertritt nicht schaffen werden, sie müssen aber das ganze Selektionsverfahren durchlaufen inkl aller Tests, gibt es Möglichkeiten, dass solche Kinder vom Selektionsverfahren befreit werden? Wie läuft das dann bei den Tests? Es ist sicher möglich, die Notenskala dementsprechend anzupassen. Es ist so schade, dass diese SuS oft schlechte Noten zurückbekommen, dann nicht mehr motiviert sind. Ich denke dabei nicht an riLZ SuS, da ist die Gesetzgebung klar.
Guten Tag
Vielen Dank für die Frage, auf die eigentlich alle immer wieder stossen, die auf dieser Stufe unterrichten. Meiner Ansicht nach gibt es für Lehrperson und Schulkinder kein leichtes Entkommen aus diesem Dilemma. Wie Sie richtig bemerkt haben, müssen alle SuS am Übertrittsverfahren teilnehmen (Ausnahme: in den Fächern mit riLZ sind Sus davon befreit). Ich rate davon ab, Sonderregelungen mit Kindern und Eltern zu vereinbaren, die den offiziellen Weg umgehen.
Die Problematik der schlechten Noten, die bei vielen Kindern die Motivation für das schulische Lernen zerstört, ist eigentlich auch schon in der 3./4. Klasse vorhanden. Viele Lehrpersonen versuchen täglich das Kunststück fertig zu bringen, integrativ zu unterrichten, Daten für eine klare Selektion zu sammeln und die Motivation bei allen zu erhalten. Ich liste drei oft verwendete Verhaltensweisen und Tricks auf, die mithelfen sollen, das Problem zu entschärfen:
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Keine übertriebene Testkultur aufziehen, in der der Unterricht plötzlich zu einem grossen Teil nur noch aus Test schreiben und mit Noten versehene Tests zurückerhalten besteht. Es braucht nicht besonders viele Tests um zu zeigen, welches Niveau für ein Kind geeignet sein könnte - durch die lange Beobachtungszeit sollte das Verlangen nach sehr vielen Tests in kurzer Zeit etwas gedämpft werden.
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Frühzeitig die eigene Einschätzung (die sich jedoch noch verändern kann) bekannt geben, z.B. im Beurteilungsgespräch, 5. Klasse, und mit Eltern in Kontakt bleiben. Dies entspannt und lässt nach einer ersten Enttäuschung die Motivation oft schneller wieder steigen. Die Sus lernen wieder mehr für sich statt für den Übertritt.
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Im Schulhaus oder in meinem Klassenzug ein alternatives Beurteilungs- und Wertsystem aufbauen, als Alternative zu Sozialnorm oder Klassenlernzielnorm. Mit Selbstbeurteilungen, mit einem Lernheft oder einem Portfolio, durch Festhalten von Prä- und Postkonzept - mit eigenen Lernzielen zeigen, dass ich mich auch an meinem Fortschritt orientieren muss, eigene Siege feiern kann, dass alle an einem andern Ort stark sind und die Andersartigkeit eben die Regel ist. Wenn die Individualnorm für die Kinder früh an Wert gewinnt, reicht es oft (ja, nicht immer) die Motivation auch bei schlechteren Leistungen im Klassenvergleich zu erhalten. Dies ist mein Lieblingstipp, den ich als recht erfolgreich empfinde und der, nach einer anstrengenden Einführungsphase, auch nicht aufwändig sein muss. Leistung muss sich lohnen.
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Notenskala ist für die Noten von 5 bis 6 strenger als für die tieferen Notenwerte (von Ihnen schon erwähnt), zukünftige Realschüler werden dann etwas weniger schlecht.
Ein Interessantes Buch, in dem untersucht wird, wie Lehrpersonen mit dem Dilemma von Fördern und Auslesen umgehen, erschien 2007 im VS Verlag, Wiesbaden:
Fördern und Auslesen: Deutungsmuster von Lehrpersonen zu einem beruflichen Dilemma [Taschenbuch]
Ursula Streckeisen, Denis Hänzi, Andrea Hungerbühler