Kürzlich hat eine Mutter von einem Kind aus der Klasse eine Stellvertretung für meine Teamkollegin gehalten. Sie hat keine Ausbildung, die Stv. wurde nicht ausgeschrieben oder nach einer aussenstehenden Fachperson gesucht.
Während ihrer Stv. hat sie eine Kummerrunde veranstaltet, wo die Kinder bei ihr deponieren sollten/mussten/durften, was denn in meinem Unterricht als KLP alles schief läuft.
Nun hat sie einen 2seitigen Brief an mich und die Schulleitung geschrieben mit massiven Anschuldigungen gegen mein Handlen als LP und auch gegen mich als Privatperson. Schulbesuch hat sie nie einen gemacht und somit kein eigenes Bild von meinem Unterricht.
Wie ist es geregelt? Dürfen Eltern Stellvertretungen halten?
Was mache ich am besten betreffend der Kummerrunde?
Da sind Sie in eine ganz mühsame Situation geraten. Sie haben verschiedene Fragen gestellt, ich werde der Reihe nach darauf eingehen.
• Die Schulleitung ist verantwortlich, dass der Unterricht statt findet, sie ist zuständig, dass Ihre Kollegin während ihrer Abwesenheit eine Stellvertretung hat. Angesichts des Mangels an Lehrpersonen ist das nicht immer einfach. So werden auch Lehrpersonen angestellt, welche keine pädagogische Ausbildung haben.
• Eltern können eine Stellvertretung an der Klasse ihrer Kinder übernehmen, das kommt vor und kann eine gute Lösung sein.
Ihre Frage betreffend der Kummerrunde ist schwieriger zu beantworten. Ich denke, es gibt verschiedene Ebenen, welche Sie nun „aufräumen“ müssen:
• Die Mutter hat als Stellvertreterin klar ihren Auftrag und ihre Kompetenzen überschritten. Hier ist es an Ihrer Schulleitung, die Frau hinzuweisen, was ihr Auftrag als Stellvertreterin war und wie der Dienstweg im Umgang mit Rückmeldungen und Kritik als Mutter ist.
• Die Stellvertreterin ist die Mutter einer Schülerin/eines Schülers, mindestens bis zum Schuljahresende werden Sie in Kontakt blieben müssen. Das erfordert einen professionellen Umgang Ihrerseits mit dem betroffenen Kind.
In einem direkten Gespräch können Sie der Mutter dennoch deutlich sagen, dass das Vorgehen Sie verletzt hat und eine vertrauensvolle Beziehung entsprechend erschwert ist.
• Durch das Vorgehen der Mutter sind Sie, milde gesagt, zu einem Strauss an ungefragten Rückmeldungen gekommen. Um diese zu sortieren, einzuordnen und allenfalls zu überlegen, was Sie davon annehmen und wie Sie damit weiter kommen, kann Sie eine Beratung unterstützen. Wenden Sie sich an eine unserer Beratungspersonen, dieses Angebot steht Ihnen unentgeltlich zu.
Als Aussenstehender tauchen bei mir folgende Fragen auf: wie weit sind die Aufgaben zwischen euch beiden geklärt? Reflektieren Sie regelmässig die Arbeitsbeziehung mit ihrer Teamkollegin? Besteht eine gemeinsame Vertrauensbasis? Was versteht die Schulleitung unter einer geleiteten Schule?
Entsprechende Klärungen können Sie vor weiteren unangenehmen und belastenden Situationen schützen.
aus rechtlicher Sicht kann ich - in Ergänzung zu dem von Niesen Ausgeführten - noch darauf hinweisen, dass es nach bernischem Recht in der Tat nicht von vornherein unzulässig ist, Eltern als Stellvertretungen beizuziehen. Explizite Vorgaben dazu, welche Voraussetzungen Personen erfüllen müssen, um Stellvertretungen übernehmen zu können, finden sich - ausser derjenigen, dass sie „qualifiziert“ sein müssen - im kantonalen Lehrerinnen- und Lehreranstellungsrecht keine. Dennoch sollte von dieser „Möglichkeit“ nach meiner persönlichen Einschätzung nur sehr zurückhaltend Gebrauch gemacht werden, d. h. nur dann, wenn man - je nach zeitlicher Dringlichkeit - ernsthaft gesucht, aber niemand anders gefunden hat.
Während es früher üblich war, dass die Dorflehrerin oder der Dorflehrer in der Dorfschule auch ihre oder seine eigenen Kinder unterrichtete, birgt diese Konstellation freilich die Gefahr von Interessenkonflikten in sich. Insbesondere mit Blick auf die Vornahme von Leistungsbewertungen (an öffentlichen Schulen) müssten m. E. jedenfalls - zumal es hier um ein Verwaltungsverfahren geht - die Ausstandsregeln nach Art. 9 des bernischen Verwaltungsrechtspflegegesetzes (VRPG; BSG 155.21) zumindest sinngemäss zur Anwendung kommen.
Aufmerksam zu machen ist schliesslich auf Art. 6 Abs. 1 des Gesetzes über die Anstellung der Lehrkräfte (LAG; BSG 430.250), wonach allein solche Funktionen, welche für länger als ein Jahr ausgeübt werden sollen, auszuschreiben sind - und auch dies bloss „in der Regel“.