Guten Tag
Aufgrund eines Musikprojektes singen wir auf der 3./4. Klasse ein Lied auf Ukrainisch. Bei der Einführung des Liedes begann ein Kind zu weinen und meinte, es dürfe wegen den Eltern bei diesem Lied nicht mitsingen. Das Kind nimmt sonst sehr gerne am Musikunterricht teil und singt sehr gut. Das Kind meinte, dass es eigentlich gerne mitsingen würde, aber ihre Eltern es ihr verbieten. Die Eltern (Nationalität Russland) bitten am selben Tag die Lehrperson via schriftlicher Nachricht, dass ihr Kind keine ukrainischen Lieder singen und lesen darf.
Wie geht man mit so einer Situation um? Dürfen Eltern diese Entscheidung treffen resp. soll / muss die Schule diese Entscheidung akzeptieren? Welches sind die nächsten Schritte?
Herzlichen Dank für die Unterstützung!
Guten Tag
Danke für Ihre Frage, auch wenn sie mir grad ein wenig Kopfzerbrechen bereitet.
Es stellen sich mir auch weitere Fragen, zB
- ob es ein Kind mit ukrainischer Herkunft in der Klasse hat
- welchen Bezug die Eltern des Kindes mit russischer Herkunft zur Ukraine haben
- ob das gesungene Lied inhaltlich ganz unterschiedliche und uns unbekannte Emotionen auslösen kann
- ob im Musikprojekt auf eine Aufführung hingearbeitet wird
- und andere mehr…
Ohne die genaueren Umstände zu kennen schreibe ich hier eine Antwort aus den Angaben, die Sie machen.
Mit meiner Antwort möchte ich Ihnen verschiedene Sicht- bzw. Handlungsweisen aufzeigen.
Als Lehrperson unterrichten Sie nach dem Lehrplan, die Wahl der Themen und Inhalte, um die Kompetenzen zu bearbeiten, liegt bei Ihnen. Eltern können also nicht bestimmen, an welchen Inhalten Sie arbeiten. Sie können das Musikprojekt umsetzen.
Auf der anderen Seite gibt es einen Notstand. Das Kind gerät durch die Wahl des Liedes in einen Konflikt, einerseits singt es gerne, möchte mitmachen und dazu gehören. Es gerät in einen Gewissenskonflikt mit seinen Eltern, die dagegen sind. Und diesen Notstand gilt es auch zu akzeptieren.
Hier denke ich, ist der Moment um mit den Eltern das Gespräch zu suchen. Versuchen Sie, mit den Eltern in Kontakt zu kommen, hören Sie zu, was deren Beweggründe sind.
Zeigen Sie Ihrerseits auf, welche Überlegungen Ihrem Projekt zu Grunde liegen.
Verzichten Sie auf eine Rechtfertigung. Versuchen Sie aufzuzeigen, in welche Situation das Kind innerhalb der Klasse gerät. Dann können Sie gemeinsam mit den Eltern nach Lösungen suchen:
- Das Kind macht beim Projekt mit
- Beim Üben des ukrainischen Liedes singt das Kind nicht mit und das ist in Ordnung
- Sie verzichten auf das ukrainische Lied im Projekt, weil Sie sich dadurch einen Krieg/Konflikt unter Erwachsenen ins Klassenzimmer holen
Sie können auch Ihre Schulleitung bitten, dass Sie das Gespräch leitet, so dass die Thematik ein wenig von Ihnen wegkommt.
Bei diesem Thema würde ich den Rechtsweg vermeiden, ein Beharren Ihrerseits oder Beschwerden der Eltern bei der nächsten Instanz können die Situation nur zum Eskalieren bringen.
Ich wünsche Ihnen gute Gespräche!
Niesen
Hallihallo!
Eine verzwickte Situation! Von Aussen gesehen kann man immer Ratschläge geben… also, du nimmst, was für dich passt, den Rest überliest du einfach
Eigentlich macht es nichts, wenn das Kind nicht mitsingt, wenn es auch für das Kind ok ist. Ihm signalisieren, dass es auch okay sein kann, aus Respekt vor der aktuellen Situation.
Ich als LP würde wissen wollen, was der Text heisst, und ev. das Gespräch mit den Eltern suchen, falls möglich. Und letztlich, was auch immer es für ein Projekt ist: Auch ein russisches Lied dazu? Ev. die Eltern in Vorschläge miteinbeziehen? Entscheidung liegt aber dann ganz klar bei der LP.
Wenn es Eltern sind, die sich ansonsten unauffällig verhalten, warum nicht ihrem Wunsch entsprechen? Ich würde das Thema „flach halten“.
Liebe Grüsse
Marcelle
Guten Abend
Gemessen am gesetzlichen Auftrag (Bundesverfassung Art 11)
Art. 11 BV: Schutz der Kinder und Jugendlichen
‚1 Kinder und Jugendliche haben Anspruch auf besonderen Schutz ihrer Unversehrtheit und auf Förderung […]‘.
Aus dieser Sicht ist klar: das Kind singt kein ukrainisches Lied.
Das Kind hat Anspruch auf besonderen Schutz.
Aber: Die Eltern über unser Schulsystem informieren, Ihnen aufzeigen, dass sie sich klar übergriffig verhalten unserer öffentlichen Schule gegenüber. Dass Eltern verpflichtet sind, sich an unsere Gesetzgebung zu halten. Gespräch mit SL u KL.
Lieber Niesen
Vielen Dank für die ausführlichen Gedankengänge…
Zu Ihren Fragen:
- Es hat keine Kinder mit ukrainischer Herkunft in der Klasse.
- Die Eltern des Kindes sind russischer Herkunft und möchten, dass das Kind aufgrund der aktuellen politischen Lage nicht mitsingt.
- Beim Lied handelt es sich um ‚Dobry vechir tobi‘, ein Willkommenslied, das man singt wenn der Besucher/die Besucherin das Haus betritt.
- Es handelt sich beim Singprojekt um das Projekt ‚Sing mit uns‘, das schweizweit an mehreren Standorten aufgeführt wird.
Im ersten Schritt wurde die Schulsozialarbeit involviert. Sie machte ein Treffen mit dem Kind ab, um die genaueren Umstände zu klären. Das Kind wollte nicht, dass die Eltern diesbezüglich kontaktiert werden. Die Schulsozialarbeit und das Kind machten ab, dass das Kind nochmals das Gespräch mit den Eltern sucht.
In Absprache mit dem Kind war es für das Kind jedoch in Ordnung, dass die Eltern auch nach dem Gespräch dem Kind nicht erlaubten, beim ukrainischen Lied mitzusingen. Es wurde abgemacht, dass das Kind ‚stumm‘ mitsingt.
Aus diesem Grund wurde auf ein direktes Gespräch mit den Eltern verzichtet. Jedoch würde ich durchaus dies als nächsten Schritt sehen.
Vielen Dank für die Ausführungen. Sie haben mir den Weg gewiesen.
Liebe Grüsse
lindadaelli