Falscher Medienkonsum Kind gefährdet

Ein Kind ist bei mir im 2. KG-Jahr. Es ist im ersten Jahr durch grobe Defizite im sprachlichen wie auch im grob- und feinmotorischen Bereich aufgefallen. Die Eltern sind gegen eine Psychomotorik- oder Logoabklärung.
Nach nun zwei Jahren wird das Kind umziehen. Es beginnt nun mit diesen motorischen und sprachlichen Defiziten die 1. Klasse, wir konnten im KG-Alltag leider nicht viel verbessern.

Das Kind besitzt ein eigenes Tablet. Es erzählt von seinen Games (zB Minecraft), fragt andere Kinder über solche Games aus (welche keine Ahnung haben), kennt etliche TikTok und Youtube Beiträge. Es sagt mir, in der Freizeit sei es immer an den Geräten, am Laptop oder am Tablet. Es erzählt auch von nichts anderem. Es sei selbst ein Youtuber und sei nachts immer auf Youtube, mit vielen Followern. Letzteres ist wohl erfunden.
Nachdem ich die Eltern sehr niederschwellig auf die grosse Mediennutzung ihres Kindes angesprochen habe, kommt das Kind wieder in den KG, ich hätte gesagt, es dürfe nicht mehr so viel gamen - was nicht stimmt, ich habe nichts dergleichen gesagt. Ich habe dies aber so stehen lassen, ich wollte die Eltern vor dem Kind nicht als Lügner darstellen. Grundsätzlich habe ich, nachdem die Eltern kein Gehör für jegliche Veränderungen haben, dies so stehen lassen. Es ist ihre Verantwortung.

Nun aber fragt mich das Kind, ob ich Squid Game gesehen habe. Es habe es gesehen, und erzählt mir Sequenzen daraus. Auf meine Frage, wann und mit wem es das schaue, antwortet es, alleine, nachts, wenn die Eltern es nicht mitbekommen. Nun denke ich, dass ich reagieren muss. Ich kann das so nicht mehr stehen lassen.
Wie gehe ich das an? Diese Eltern werden sehr „eklig“, sobald ich so etwas anspreche. Und viel Zeit bleibt nicht mehr bis zum Umzug…

Liebe/r Marcelle

Besten Dank für deine Frage, die bei uns angekommen ist.
Wir haben sie intern der zuständigen Expertin/dem zuständigen Experten weitergeleitet. Eine Antwort folgt so bald als möglich.

Danke für deine Geduld und beste Grüsse,
die Redaktion

Hier noch eine zusätzliche Information, frisch von heute Morgen: Das Kind spielt auch Fortnite, in der „Ballerversion“. Auch das, wenn es alleine ist. Es sagt aber, es habe eine unsichtbare Falltür im Zimmer, dort könne es verschwinden, dann würde es niemand sehen. Dieses Kind lebt auffällig oft in seiner Fantasiewelt. Leider habe ich heute Morgen erfahren, dass auch ein weiteres Kind Squid Game gesehen hat. Uiui. Da muss ich wohl über die Bücher, was ich dazu für eine Haltung habe. Bin gespannt auf Ihre Antwort.

Guten Tag Marcelle

Sie erhalten höchst irritierende Informationen eines Kindergartenkindes, die Sie nun dazu zwingen, Kontakt mit den Eltern aufzunehmen, auch wenn Sie davon ausgehen, dass sie «eklig» reagieren könnten. Sehr gerne schreibe ich Ihnen meine Überlegungen zum Vorgehen.

Zuerst noch dies: Was ist es in Ihnen, das Ihnen sagt, dass Sie reagieren müssen, es nicht stehen lassen dürfen? Dazu gäbe es verschiedenste Gründe. Gut, wenn Sie die Ihrigen kennen. Diese könnten Ihnen Hinweise geben, was Sie brauchen, um mit dem Kind die letzten gemeinsamen Wochen befriedigend gestalten und es dann auch mit gutem Gewissen loslassen zu können.

Kinder in diesem Alter vermischen hin und wieder Erlebtes und Gehörtes, Rollenspiele werden zur inneren Wahrheit. Wäre es aber tatsächlich so, dass das Kind Minecraft selber spielt und Squid Game anschaut – ob allein oder in Gesellschaft -, wäre das Kindswohl im höchsten Masse gefährdet und eine Gefährdungsmeldung müsste in Betracht gezogen werden.

Vielleicht gibt es andere Anzeichen von Verwahrlosung? Grosse Müdigkeit, ungepflegte Kleidung, fehlendes Znüni, sich zu Unzeiten auf dem Pausenplatz aufhalten?

Informieren Sie die SL über die Aussagen des Kindes. Ob die SL dann auch am Gespräch teilnehmen wird – oder ob sogar sie es ist, die die Eltern einladen wird – müssen Sie sich gut überlegen. Aus meiner Sicht würde es Sinn machen, wenn sie dabei wäre.
Die Eltern sollen wissen, dass es im Gespräch um den Medienkonsum geht. Auch dürfen Sie bereits am Telefon erwähnen, dass Sie Informationen erhalten haben, die Sie gerne weiterleiten wollen. Zu mehr würde ich mich telefonisch nicht einlassen.
Im Gespräch soll die Niederschwelligkeit keinen Platz mehr haben. Reden Sie nicht um den Brei. Beginnen Sie mit den Beobachtungen, die Sie schon mitgeteilt haben – häufiges Gamen, besetzt sein vom Thema, Youtube und TikTok – und erzählen dann vom letzten Vorfall. Nicht als Anschuldigung, sondern als Information, damit die Eltern Stellung beziehen können. Bereiten Sie diese Sequenz gut vor. Vielleicht schreiben Sie sogar wörtlich auf, wie Sie begrüssen, wertschätzen, dass die Eltern gekommen sind und wie Sie einleiten wollen. Danach beginnt ein kreativer Improvisationstanz. Sie wissen nicht, wie die Eltern reagieren werden. Bleiben Sie offen, kämpfen Sie nicht. Erst einmal geht es nur um die Information, nicht um die Wahrheitsfindung.

Protokollieren Sie Inhalte und Ergebnis des Gesprächs in wenigen Worten, damit die Nachfolgeschule nicht bei Null beginnen muss. Entscheiden Sie erst nach dem Gespräch, ob es weitere Schritte braucht oder ob Sie damit für sich abschliessen können.

Nun wünsche ich Ihnen ein gutes Gelingen des Gesprächs und einen wohlwollenden Abschluss mit dem Kind.

Liebe Grüsse
Kashgar