Französisch Rückschritt

Im Zusammenhang mit dem gängigen Lehrmittel im Französischunterricht sowie den nun neu erschienen Lehrmitteln spricht man offenbar auch von „Wahlobligatorium“. Ich störe mich an dem Begriff, weil, kann man jetzt wählen, oder ist es obligatorisch? Das erstens.
Zweitens: Ich gehe davon aus, dass man auch in unserem Schulkreis früher oder später auf die Lehrmittel von Klett umsteigen wird. In meinem Umfeld sehe ich immer mehr Lehrpersonen und somit dann Schulen, die wechseln. Ich finde, ist doch ok, wenn eine Lehrperson nicht glücklich war mit Mille feuilles, dass sie jetzt wechseln könnte. Aber: Was mache ich, wenn ich die einzige bin, die bei dem für mich sich bewährten MF bleiben möchte, alle anderen, oder jedenfalls die Mehrheit auf CR wechseln möchte? Das hat dann für mich auch nichts mehr mit Wahlmöglichkeit zu tun.

Ich bin grundsätzlich davon ausgegangen, dass es sich um kompetenzorientierte Lehrmitteln handelt, so, dass man eben eigentlich wirklich wählen kann, und sich nicht auch noch den Eltern gegenüber erklären muss, welches Lehrmittel man jetzt verwendet. Ich weiss nicht so recht, was das soll. Im Fach Deutsch haben wir ja diese Situation, dass die SuS auf verschiedenen Stufen verschiedene Lehrmittel antreffen könnten. Und sie überleben es auch. Bsp: Gewisse Grammatik-/Rechtschreibthemen kommen in der vierten Klasse, aber ob man dafür jetzt die Sprachstarken verwendet, oder allenfalls das Sprachland, oder die Grundbausteine, interessiert ja dann weniger. Den Eltern wird vielleicht informativ mitgeteilt, welches LM verwendet wird, aber es wird nicht unbedingt erklärt (wenn überhaupt, an manchen Schulen wird gar nichts mitgeteilt;-).

Für mich wird das im Französisch kein Wählen sein. Eher ein Obligatorium.
So wie ich meine Kolleg*innen aus der Französisch-Fachgruppe bisher erlebt habe, werden sie mit dem neu herausgekommenen Lehrmittel zufriedener sein und somit einen Wechsel befürworten. Wenn das so kommt, und ich mich dann anpassen müsste, hätte das für mich erstens nichts mehr mit Wählen zu tun, und zweitens, könnte ich das nur schlecht als recht damit vereinbaren, was ich für interessanten und effizienten Fremdsprachunterricht halte. Es gibt ja Gründe, warum MF erarbeitet wurde.
Die (mittlerweile auch nicht mehr so neuen) fremdsprachendidaktischen Erkenntisse muss ich ja nicht mehr aufzählen, das konstruktivistische Lehr- und Lernverständnis, etc. Aber trotzdem: Da wird überall von reichhaltigen Aufgaben und offenem Unterricht geredet, aber in diesem Sinne wäre CR ja ein ziemlicher Rückschritt.
Also: Was mache ich in diesem Falle, wenn das Franzkollegium einen Wechsel befürwortet? Im Moment sehe ich keinen anderen Ausweg als einen Stellenwechsel…

Liebe Helena

Du hast dich früher schon mit einer Frage zum Wahlobligatorium gemeldet, und ich verstehe deine Bedenken sehr gut. Für dich und alle diejenigen, die nun dieser Wahl ausgesetzt sind, werde ich versuchen, ein paar Gedanken mitzugeben und hoffentlich etwas zur Klärung beizutragen, wie dies auch bereits in einem Artikel der Berner Schule 01/22 (Seiten 14-15) gemacht wurde.

«Wahlobligatorium» bedeutet, dass mehr als ein Lehrmittel zur Auswahl steht; davon muss eines gewählt werden. Im Fall Französisch handelt es sich um «Mille feuilles» resp. «Clin d’oeil» vom Schulverlag plus AG, «Ça roule» resp. «C’est ça» von Klett und Balmer, sowie «dis donc!» von den Lehrmittelverlagen Zürich und St.Gallen. Ein Wechsel ist freiwillig und kann frühestens auf Sommer 22 erfolgen, aber auch auf ein anderes Schuljahr hin. Gefällt wird er von den Schulen, welche sich intern (Zyklen) und extern (umliegende Schulen) absprechen müssen. Deshalb und auch da noch div. Lehrmittelbände nicht vorhanden sind (v.a. auf der SekI: C’est ça und Neuauflage Clin d’oeil), empfehlen wir sehr, nichts zu überstürzen.

Unterstützung findet sich auf dem Fächernet, insbesondere der Leitfaden der BKD zum Wahlobligatorium (v.a. für Schulleitungen und Fachbereichs-/Zyklusverantwortliche, zu den Rahmenbedingungen und dem Prozess) sowie eine kriteriengeleiteten Gesamtübersicht der Fachkommission Fremdsprachen über die 3 Lehrmittelreihen (v.a. für Fachbereichsverantwortliche und Lehrpersonen). Der Prozess muss von den Schulleitungen aufgegleist und begleitet werden, die bei Bedarf auch vom Schulinspektorat Unterstützung anfordern sollen. Vor allem wenn ein Wechsel geprüft oder schon umgesetzt werden soll, braucht es genügend Ressourcen, insbesondere auch Zeitgefässe, und entsprechend organisierte Schulen (mit Fach- und/oder Zyklusgruppen) sind hier im Vorteil. Dass der Entscheid insbesondere gegenüber den Eltern umsichtig kommuniziert werden muss, hat auch damit zu tun, dass das Französischlehrmittel und nun dessen Wahl zum Politikum gemacht wurde, und entsprechend viele Augen darauf gerichtet sind.

Im besten Fall wird es also so sein, dass eine Schule gut informiert und koordiniert einen Gesamtentscheid fällt, bei dem die Lehrpersonen einbezogen wurden. Wenn ein Kollegium einen Mehrheitsentscheid fällt, ist es so, dass dieser für alle Lehrpersonen gilt – ich kann mir deshalb gut vorstellen, dass ein solcher auch zu einem Stellenwechsel führen kann, resp. in Zukunft die Wahl des Lehrmittels durch eine Schule als ein Kriterium bei der Stellensuche entscheidend sein wird.
In diesem Sinn wünsche ich dir, dass du deine Stimme in einem sorgfältig aufgegleisten und begleiteten Prozess einbringen kannst und für dich anschliessend je nach Entscheid auch die Konsequenzen ziehen kannst – es gibt auch noch genügend Schulen, die bereits entschieden haben, mit «Mille feuilles» und «Clin d’oeil» weiterzuarbeiten oder die Erfahrungen mit den Neuauflagen abzuwarten.

Ob alle in die neuen Lehrmittel gesteckten Hoffnungen erfüllt werden, muss sich ja noch weisen, denn das Lehrmittel ist ja nur ein Faktor unter anderen, wenn es um «guten (Französisch)unterricht» geht - die Bedeutung einer sprachlich und fachdidaktisch kompetenten Lehrperson geht in der aktuellen Diskussion oft vergessen. Deshalb werden sich auch die Weiterbildungen für Lehrpersonen weiterhin in erster Linie an fachdidaktischen Themen/Fragestellungen rund um den Französischunterricht orientieren sowie Unterstützung zur Festigung der eigenen Sprachkompetenz bieten.