Führungsverständnis

Liebes Forum

Ich unterrichte an einer Oberstufenschule. Seit dem Sommer 2020 haben wir eine neue Schulleitung, die ein komplett anderes Führungsverständnis hat, als dass wir dies über Jahre mit der Vorgängerin gewohnt waren. Gerne möchte ich über einen Punkt eine rechtliche Antwort erhalten:

Wenn eine Lehrperson erkrankte, konnte sie bisher per SMS die Schulleitung informieren. Diese sorgte dafür, dass die Lektionen von einer Stellvertretung übernommen wurden.
Der neue Schulleiter will es anders regeln:
Er verlangt vom Kollegium, dass wir auf unsere privaten Handys die App Threema installieren. Wenn eine erkrankte Lehrperson die Stellvertretung nicht sofort selbst organisieren kann, muss sie die offenen Lektionen im Kollegiums-Chat veröffentlichen. Laut der Schulleitung ist es dann Sache des Kollegiums, alles daran zu setzen, dass die Lektionen betreut werden. Er übergibt also die ganze Verantwortung für die Organisation der Stellvertretungen dem Kollegium.

Hat nicht die Schulleitung die Aufgabe, eine Stellvertretung zu organisieren? Darf sie das einfach so dem Kollegium delegieren? Ich wäre sehr dankbar über eine klare Stellungnahme.

Liebe(r) Fragende/r

Im Kanton Bern umfasst der Berufsauftrag der Lehrkräfte gemäss Art. 17 Abs. 2 des Gesetzes vom 20. Januar 1993 über die Anstellung der Lehrkräfte (LAG; BSG 430.250) das Unterrichten, die Erziehung, die Beratung und Begleitung, die Mitarbeit bei der Unterrichts-, Schul- und Qualitätsentwicklung, die Zusammenarbeit sowie die Weiterbildung. In Art. 57 Abs. 1 der Verordnung vom 28. März 2007 über die Anstellung der Lehrkräfte (LAV; BSG 430.251.0) wird zudem u. a festgehalten, dass die Lehrkräfte an der Organisation und an der Administration der Schule nach Anweisung der Schulleitung mitwirken. Dass die Lehrkräfte aber für die Organisation der Stellvertretung zuständig sind, wird nirgends explizit festgehalten.
Die Verantwortung für die Personalführung, die Organisation und die Administration der Schule liegt vielmehr gemäss Art. 89 Abs. 1 Bst. a und d LAV bei der Schulleitung. Auch sieht die Direktionsverordnung vom 16. Juni 2007 über die Anstellung der Lehrkräfte (LADV; BSG 430.251.1) in Art. 2 vor, dass die Schulleitung prüft, ob der Ausfall einer Lehrkraft schulintern geregelt werden kann und dass sie sicherstellt, dass der Unterricht stattfindet.

Aufgrund der gesetzlichen Grundlagen würde ich demnach die Meinung vertreten, dass grundsätzlich die Schulleitung eine Stellvertretung zu organisieren hat und nicht die Lehrkräfte. Die Lehrkräfte wirken aber auf Anweisung der Schulleitung nach ihren Möglichkeiten mit. Der Umfang dieser Mitwirkungspflicht der Lehrkräfte lässt sich nun nicht ganz eindeutig umreissen. Nach dem Merkblatt der Bildungs- und Kulturdirektion des Kantons Bern (vorher: Erziehungsdirektion) für Lehrkräfte der Volksschule zum Thema: Arbeitsunfähigkeit als Folge einer Krankheit oder eines Unfalls hat die Lehrkraft bei Abwesenheit wegen Krankheit oder eines Unfalls mindestens die Schulleitung sofort darüber in Kenntnis zu setzen. Sodann ist ein darüber hinausgehendes Mitwirken der betroffenen Lehrkraft oder des Kollegiums bei der Stellvertretungssuche sicherlich auch nicht verboten. M. E. ausgeschlossen ist jedoch, dass sich die Schulleitung – wie in Deinem Fall angetönt – ganz aus der Verantwortung nimmt.

Das erwähnte Merkblatt enthält auch eine Kontaktstelle für Fragen. Ich würde Dir empfehlen, sicherheitshalber auch noch bei dieser Kontaktstelle nachzufragen.

Ich hoffe, Dir mit meinen Ausführungen weitergeholfen zu haben.

Liebe Grüsse, der schlaue Bison