Grundsätzlich gilt an unserer Tagesschule der Leitsatz: „Die Kinder und Jugendlichen sollen ihre Freizeit selbständig gestalten, wir wir unterstützen sie dabei. Wir sind kein Animations-Klub“. Was gibt es an eurer Tagesschule für geführte Sequenzen, und was macht ihr für Erfahrungen damit?
Sehr geehrte(r) Dschané
Sie sprechen hier ein Thema an, das Menschen, die sich mit Kindern und Jugendlichen auseinandersetzen, immer wieder beschäftigt. Wer macht den Motor, wer ist zuständig, dass es „fägt“? Wie viel unterstützen wir und wenn ja wie tun wir dies? Wie viel Selbständigkeit fordern wir ein?
Die professionelle Ebene verlangt von den Betreuenden ein „angemessenes“, auf das pädagogische Konzept abgestimmtes Programm. Kinder und Jugendliche sprechen jedoch nicht immer auf das Angebot an. Ein Dilemma, das die Betreuenden auffordert, gut hinzuschauen und angepasste Interventionen anzubieten.
In der Tagesschule mit einem pädagogischen Konzept werden ganz bewusst geführte und freie Sequenzen angeboten. Also ein „sowohl – als auch“. Dem Leitfaden zur Einführung von Tagesschulangeboten im Kanton Bern entnehmen wir: „Tagesschulangebote unterstützen den Bildungsauftrag der Schule, indem sie eine dem Alter und Autonomiegrad der Kinder angemessene Betreuung, Erziehung und Förderung ausserhalb des obligatorischen Unterrichts bieten.“ Leitfaden zur Einführung und Umsetzung von Tageschulangeboten (Kapitel 1.2., S. 9).
Geführte Sequenzen finden in vielen Tagesschulen statt: Diese bestehen oft aus Bastel-, Spiel- und Sportangeboten.
Der Grundsatz „die Kinder und Jugendlichen sollen ihre Freizeit selbständig gestalten“ diese Aussage spricht die Autonomie und die Förderung der Selbständigkeit der Kinder und Jugendlichen an. Mitbestimmung als Grundhaltung ist ein pädagogisches „Must“, Kinder und Jugendliche fordern diese auch immer wieder ein.
Kinder und Jugendliche benutzen in den selbstbestimmten Sequenzen eine attraktive Innen- und Aussenraumgestaltung und ein ansprechendes Materialangebot. Selbstbestimmt bedeutet hier für die Betreuenden, dass die Verwendung und Gebrauch von Materialien und Spielen regelmässig auf attraktive Art und Weise aufgezeigt wird. Viele Schulen machen die Erfahrung, dass zum Beispiel die Spielkiste auf dem Pausenplatz unattraktiv wird, werden die Angebote nicht immer wieder präsentiert und instand gehalten (Regeln und Nutzungsmöglichkeiten der Gegenstände…).
Aber nun zu den geführten Sequenzen:
Betreuende in Tagesschulen wissen, dass es schwierig ist, geführte Sequenzen/Angebote anzubieten, da viele Kinder nur für kurze Zeit in die Tagesschule kommen, der Wechsel der Kinder im Stundentakt stattfindet, und den Betreuenden wenig Zeit und Raum bleibt, Kinder neben der Begleitung bei den Hausaufgaben, angeleitet zu betreuen.
Jugendliche sind in der Regel für Angebote etwas schwieriger zu motivieren, als kleinere Kinder. Das Alter spricht fürs Rumhängen und Nichtstun. Nichts desto trotz gibt es viele gute Gründe die Jugendlichen ab und an zu etwas mehr als ausschliesslich „rumhängen“ zu motivieren.
Ich höre von Tagesschulen, dass das Thema „Bewegung“ am einfachsten umzusetzen sei. Jugendliche nutzen die Turnhalle gerne, sowohl in angeleiteten wie auch in freien Sequenzen. Jungs nutzen die Angebote öfters – Mädchen schauen eher zu… . Die Turnhalle ist attraktiv und Bewegung wichtig für alle. Vielleicht könnte man da mit einer Person die den J+S Leiterkurs hat eine gute Betreuung gewährleisten? So könnte man dem „Betreuungszeitdilemma“ etwas entgegen kommen. J+S Kids unterstützt auch die jüngeren Kindergruppen.
Vielleicht gibt es einen Verein, der bereit ist, am Nachmittag ein Angebot zu betreuen? Oder ganz konkret die Idee des „Midnight Sports“ auf Tagesschulen mit vielen Jugendlichen übertragen? (http://www.mb-network.ch/content/index.php?option=com_content&task=view&id=54&Itemid=88).
In Deutschland gibt es in Ganztagesschulen viele geführte Angebote wie Tanz oder (Sprach)-Kurse. Eine Befragung von Schülerinnen und Schülern im Sekundarstufenalter hat ergeben, dass ältere Kinder ungebundene Freizeitangebote deutlich weniger nutzen als jüngere Kinder. Sie bevorzugen also kursorische Angebote. (vgl. O. Enderlein, (2009, S. 149), Ihr seid gefragt! Deutsche Kinder und Jugendstiftung, Qualität von Ganztagesschule aus Sicht der Kinder und Jugendlichen, Berlin 2009.). Und auch www.ganztaegig-lernen.de.
Prüfenswert ist sicher immer das was die Jugendlichen selbst als Ideen einbringen – Kinder und Jugendliche sollen einen grossen Gestaltungsfreiraum haben und sich aktiv einbringen können - und wenn sie keine Ideen haben, sollen die Betreuenden Ideen haben, welche die Bedürfnisse der Jungs und Mädchen ansprechen könnten wie zum Beispiel:
Turnhalle nutzen, Karaoke singen, Disco, eine Schülerband aufstellen, ein Schülerinnen resp. Schülercafé aufstellen, eine Slackline Olympiade machen, (Bsp.: http://www.slackjack.ch/slacklinefirst.htm?gclid=COiJn7eV56UCFcS-zAodCyy-Xg ), Billard spielen – ein Billardtournier machen, kochen und backen, ein Angebot für die Kleinen aufstellen (basteln, Hausaufgabenbetreuung, Nachhilfeunterricht etc. (z.B. auch mit kleinem Entgelt)), ein Ideenbüro für die Schule einrichten (http://www.ideenbüro.ch/), ein Förderangebot (kursorisch) für schulische Themen aufstellen, eine Kletterwand bauen, vielleicht macht die Schulsozialarbeit ein Angebot, vielleicht die Jugendarbeit, vielleicht brauchen Lehrpersonen manchmal eine Hilfestellung für Vor- und Nachbearbeitungen…
Im Leitfaden zur Einführung und Umsetzung von Tageschulangeboten (Kapitel 1.7., S. 15) steht dazu: „Tagesschulangebote gewinnen durch den Einbezug musisch-künstlerischer Angebote an Qualität und Profil. (…) Es kann daher sinnvoll sein, für einzelne Module von Tagesschulangeboten Kooperationen mit geeigneten Anbietern einzugehen, z.B. dem Musik- oder Sportverein oder der Jugendarbeit. (…) Eine solche Zusammenarbeit soll mittels Leistungsvertrag geregelt werden. Die Finanzierung kann über das Budget des Tagesschulangebots abgewickelt werden, d.h., die Abgeltung der Betreuung (Normlohnkosten) kann auch für die Finanzierung solcher Kooperationen eingesetzt werden.“
Gute Ideen haben Sie sicherlich auch – die Umsetzung ist nicht immer ganz einfach. Oft fehlen Finanzen und Ressourcen. Wieso nicht den Elternrat mit einbeziehen? Eltern haben ein wunderbares Potential die Schule und die Tagesschule zu unterstützen und sind oft bereit konkrete Themen anzugehen und so ihre Kinder in der Schule/Tagesschule zu unterstützen.
Die Beratungs- und Weiterbildungsangebote des Institutes für Weiterbildung zum Thema Tagesschulangebote nehmen Fragestellungen wie die Ihren auf, leuchten die theoretischen Hintergründe aus und bieten den Tagesschulleitenden praxisnahe Unterstützung. Das Angebot „Führen in Tagesschulen – Coaching“ bietet Tagesschulleitenden eine Plattform für Austausch und Reflexion.
Ich hoffe, dass ich ein paar Impulse geben konnte und freue mich auf alle, die die Gedanken weiterspinnen und weitergehende Ideen haben.
Mit herzlichen Grüssen
Tortuga