Heilpädagogik

Wer hat Erfahrung mit der Integration von Schülern mit dem Asperger- Syndrom? Welche Grundsätze gibt es im Alltag zu beherzigen?

Guten Tag
Da Ihre Fragen sehr spezifisch sind, möchten wir eine ausgewiesene Fachperson aus der Heilpädagogik beiziehen. Derzeit sind wir noch in Abklärungen. Wir bemühen uns, Ihre Fragen sobald wie möglich zu bearbeiten.
Wir bitten Sie, noch etwas Geduld zu haben.
Freundliche Grüsse

Liebe Fragestellerin, lieber Fragesteller,
zunächst möchte ich mich bei ihnen ganz herzlich für die Geduld bedanken, die sie haben aufbringen müssen, bis sie nun Hinweise auf ihre sehr zentrale Frage erhalten.

Grundsätzlich sind Kinder und Jugendliche mit Asperger-Syndrom natürlich so individuell, wie auch wir. D.h. ich kann sie auf häufige Bedürfnisse von Aspies (wie sie sich selbst häufig nennen) aufmerksam machen, ohne zu wissen, ob damit die konkreten Bedürfnisse des Schülers bzw. der Schülerin getroffen sind, die sie in ihre Klasse aufnehmen werden.

Zentral wichtig escheint mir ein gewisses Grundlagenwissen zu Autismus-Spektrum Störungen, das z.B. in einem kompakten 1 bis 1 1/2- stündigen Input vermittelt werden könnte. Wenn sie an einem solchen Input interessiert sind , können sie sich z.B. an eine entsprechende Beratungsstelle ihrer Region wenden. Viele Verhaltensweisen, die diese Kinder zeigen können, sind ohne Hintergrundinformationen häufig schwer nachzuvollziehen bzw. werden vielfach missverstanden. Missverständnisse belasten natürlich die Beziehung und genau das gilt es ja zu vermeiden.

Dazu einige Beispiele:
Menschen mit Asperger-Syndrom schauen ihrem Gegenüber selten in die Augen (dies setzt in der Regel grosse Vertrautheit voraus). Dies heisst weder, das sie nicht an uns interessiert sind, noch das sie uns nicht anschauen. Sie schauen vielleicht ganz schnell; schauen, wenn wir wegschauen; schauen auf andere Bereiche unseres Körpers und eben nicht auf die Auge-Nase-Stirn Partie, von der so komplexe Informationen ausgehen usw.

Menschen mit Asperger-Syndrom können sich sprachlich häufig recht gut ausdrücken und doch haben sie sehr oft Mühe, sprachliche Mitteilungen zu verstehen. Dies hat mit Filterproblemen bei der Wahrnehmungsverarbeitung, der Flüchtigkeit von akustischen Informationen und nicht zuletzt mit der Schwierigkeit zu tun, die mit unserer Sprache verbundenen sozialen Erwartungen richtig zu interpretieren. Also vorzugsweise sollten viele visuelle Unterstützungshilfen angboten werden (schriftliche Arbeitsanweisungen usw.).

Menschen mit Asperger-Syndrom, haben vielfach Schwierigkeiten, Wesentliches von Unwesentlichem zu unterscheiden. Sie kommen unter Umständen schnell an einen Punkt der Überforderung, wenn das Geschehen in der Klasse sehr komplex, allenfalls auch laut wird. Ihr Bedürfnis nach Rückzug ist dementsprechend grösser und existenzieller als bei sog. nicht-behinderten Menschen. Einen guten Rückzugsort anzubieten kann also sehr wichtig sein. Ebenso zentral ist die Wahl ihres Sitzplatzes im Klassenzimmer: eher nicht ganz hinten, eher nicht einer Fensterfront gegenüber usw.

Menschen mit Asperger-Syndrom sind fast `radikal’ ehrlich, weil sie häufig Mühe haben, die Wirkung ihres Verhaltens auf andere zutreffend einzuschätzen. Dies kann sehr verletzend für uns werden, ohne das dies vom Gegenüber so beabsichtigt wäre.

Hausaufgaben machen stellt vielfach ein grossses Problem dar, insbesondere dann, wenn sie nicht mit Inhalten verknüpft sind, für die sich das Kind von sich aus interessiert. Disziplinarmassnahmen in diesem Kontext sind mehrheitlich nicht gut wirksam, weil die Betroffenen sich schlecht über Dritte motivieren lassen. Der Gedanke, ich mache die Aufgaben, um Ärger zu vermeiden, ist ihnen mehrheitlich fremd. Hier gilt es, wie überhaupt, eine grosse Bereitschaft zu unkonventionellen Lösungen mitzubringen.

Umschalten, von einer Rechenoperation zur nächsten, von einer selbstgewählten Beschäftigung zu einer von aussen bestimmten, von einer Lektion zur anderen usw. kann eine grosse Herausforderung darstellen, hier gilt es, z.B. mehr Zeit einzuplanen, ruhig zu bleiben, eher wenig Druck auszuüben und nach geeigneten Hilfen zu suchen (zu denen ich, ohne Kenntnis der Person, nichts Konkretes sagen kann).

Menschen mit Asperger-Syndrom, brauchen also gute Dolmetscher, die ihnen unsere Botschaften übersetzen und dem sozialen Umfed wiederum ihre Mitteilungen. Nicht zu vergessen ist aber auch, dass Aspies enorme Ressourcen haben können: z.B. enorm hohe Kompetenzen im Bereich ihrer Schwerpunktinteressen, eine gute detailbezogene Wahrnehmung uvm.

Mit diesen ersten Hinweise möchte ich es zunächst bewenden lassen. Ich bin natürlich offen für weitere Nachfragen und zudem sehr gespannt darauf zu hören, wie der Start gelingt und welche Hinweise sich schliesslich als bedeutsam erwiesen haben.

Ich verbleibe mit guten Wünschen und lieben Grüssen
Adhei
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