Integrierter Sonderschüler in RK

Guten Tag
Seit August 2019 besucht ein integrierter Sonderschüler meine Regelklasse. Er war vorher an einer Sprachheilschule. Seine Eltern finden, er sei normal intelligent und müsse eine Regelklasse besuchen, um seinen Lernrückstand aufzuholen. Sämtliche Abklärungen / Arztberichte etc. jedoch stufen den Jungen eindeutig als Sonderschüler ein. (Er ist vom Alter her ein 5. Klässler, besucht die 4. Klasse und arbeitet auf 1. Klass Niveau).
Da ich eine grosse und schwierige Klasse habe (27 Sus, dreistufig und 5Sus mit RilZ) war ich von Anfang an gegen die Integration des Schülers, diese wurde über meinen Kopf hinweg beschlossen.
Obwohl der Junge sehr aufgestellt ist und ich ihn sehr gerne mag, zeigt sich je länger je mehr, dass er in unserer Regelklasse einfach falsch ist. Diese Meinung wird ebenfalls vom Heilpädagogen, dem Logopäden, dem Hausarzt sowie einer weiteren Lehrkraft mitgetragen. Die Eltern wollen aber nicht, dass der Junge alternativ beschult wird (KbF, Sonderschule etc). Die Personen, die ich anspreche, schieben jeweils die Verantwortlichkeiten herum. Der Sonderschulleiter sagt, die EB habe Entscheidungsgewalt, der Regelschulleiter sagt, die Schulinspektorin entscheide das, der HP wiederum meint, unsere Schulleitung könne das Projekt abbrechen. Und ich weiss es einfach nicht. Es geht auch nicht darum, den Schüler abzuschieben, sondern ihm das Beste zu bieten. Es ist halt auch so, dass er den Rest der Klasse doch stark stört und niemand wirklich mit ihm zusammenarbeiten möchte, obwohl wir intensiv an der Integration arbeiten.
Meine Frage: Wer entscheidet, wo der Junge (evtl. auch gegen den Willen der Eltern) beschult wird?
Vielen Dank für eure Inputs und Informationen!

Liebe/r Kennari

Besten Dank für deine Frage, die bei uns angekommen ist.
Wir haben sie intern der zuständigen Expertin/dem zuständigen Experten weitergeleitet. Eine Antwort folgt so bald als möglich.

Danke für deine Geduld und herzliche Grüsse,
Kashgar

Liebe(r) Kennari

Aus Deinem Beitrag geht hervor, dass vorliegend die Integrative Sonderschulung im Sinne von Art. 15–18 der Verordnung vom 8. Mai 2013 über die sonderpädagogischen Massnahmen (Sonderpädagogikverordnung, SPMV; BSG 432.281) im Fokus steht. Nach Art. 15 SPMV können Kinder und Jugendliche mit einer Intelligenzminderung unter bestimmten Voraussetzungen integrativ in öffentlichen Volksschulen unterrichtet werden, wobei sich die Voraussetzungen und die Bewilligung nach den Bestimmungen der Verordnung vom 19. September 2007 über die besonderen Massnahmen im Kindergarten und in der Volksschule (BMV; BSG 432.271.1) richten.

Nach Art. 2 Abs. 1 Bst. a i. V. m. Art. 5 Abs. 2 Bst. b BMV handelt es sich bei der Integrativen Sonderschulung im Sinne von Art. 15–18 SPMV um eine besondere Massnahme; genauer um eine Massnahme zur besonderen Förderung von Schülerinnen und Schülern. Diese wird gemäss Art. 11 Abs. 6 BMV durch daszuständige Regionale Schulinspektorat(RSI) verfügt, wenn kumulativ

  • ein Abklärungsbericht und ein Antrag der kantonalen Erziehungsberatung (EB), des Kinder- und Jugendpsychiatrischen Dienstes (KJP) oder einer anderen geeigneten Fachstelle vorliegen,
  • die zuständige Schulleitung zugestimmt und
  • die heilpädagogische Unterstützung sichergestellt ist.

Für die Beendigung einer verfügten Integrativen Sonderschulung sieht das Merkblatt des AKVB für Fachpersonen über die Integrative Sonderschulung von Kindern und Jugendlichen mit einer Intelligenzminderung gemäss Art. 15 ff. SPMV in Verbindung mit Art. 11. Abs. 6 BMV (abrufbar unter https://www.erz.be.ch/erz/de/index/kindergarten_volksschule/kindergarten_volksschule/integration_und_besonderemassnahmen/integrative_sonderschulung.html) zwei mögliche Verfahrensabläufe vor:

1. Nichtweiterführung nach Ablauf der Bewilligungsfrist (s. Ziff. 5. des Merkblatts)

Eine bewilligte Integrative Sonderschulung wird in der Regel auf ein Schuljahr befristet und endet damit ohne weiteres mit Fristablauf. In diesem Fall besucht das Kind oder der Jugendliche im darauf folgenden Schuljahr eine Sonderschule (separative Sonderschulung gemäss Art. 10–14 SPMV). Zur Frage der Weiterführung der Integrativen Sonderschulung im nächsten Schuljahr wird deshalb rechtzeitig – in der Regel im 3. Quartal – ein Standortgespräch (Runder Tisch) durchgeführt. Beantragen die Eltern die Weiterführung, stellen jedoch die Fachinstanz (EB oder KJP) einen ablehnenden Antrag, die Schulleitung der öffentlichen Volksschule ihre Nichtzustimmung und/oder die Schulleitung der Sonderschule die Nichtgewährung der heilpädagogischen Unterstützung in Aussicht, holt das zuständige RSI die für den Entscheid erforderlichen schriftlichen Berichte (Bericht und Antrag der Fachstelle, Zustimmung bzw. Nichtzustimmung der Schulleitung der öffentlichen Volksschule und/oder Zusicherung bzw. Nichtzusicherung der heilpädagogischen Unterstützung durch die Schulleitung der Sonderschule) ein. Den Eltern ist das rechtliche Gehör zu gewähren. Sobald das RSI alle erforderlichen Entscheidungsgrundlagen hat, erlässt es seine Verfügung.

2. Vorzeitige Beendigung während des Schuljahrs (s. Ziff. 6. des Merkblatts)

Treten während des Schuljahrs bei der bewilligten Integrativen Sonderschulung Schwierigkeiten auf, welche deren Fortsetzung in Frage stellen, ist ebenfalls ein Standortgespräch (Runder Tisch) durchzuführen. Beantragen die Eltern die Weiterführung, stellen jedoch die Fachinstanz (EB oder KJP), die Schulleitung der öffentlichen Volksschule und/oder die Schulleitung der Sonderschule einen Antrag auf vorzeitige Beendigung der Integrativen Schulung in Aussicht, holt das RSI die für den Entscheid erforderlichen schriftlichen Berichte ein. Den Eltern ist das rechtliche Gehör zu gewähren. Sobald das RSI alle erforderlichen Entscheidungsgrundlagen hat, erlässt es seine Verfügung.

Liebe Grüsse, der schlaue Bison

Lieber schlauer Bison

Vielen Dank für die gut verständliche Info und den Link, das ist schon sehr hilfreich!

Kann sich die Schulinspektorin über den Willen der Schule hinwegsetzen, d.h. wenn die SL der öffentlichen Schule sich gegen eine Integration des Sonderschülers ausspricht, diese dennoch verfügen?

Freundliche Grüsse
Kennari

Liebe(r) Kennari

www.erz.be.ch Gemäss Art. 11 Abs. 6 der Verordnung vom 19. September 2007 über die besonderen Massnahmen im Kindergarten und in der Volksschule (BMV; BSG 432.271.1) verfügt das zuständige Regionale Schulinspektorat die integrative Sonderschulung im Sinne von Art. 15–18 SPMV, wenn drei Voraussetzungen erfüllt sind. Dazu gehört sowohl bei der (erstmaligen) Bewilligung als auch der Verfügung über die Weiterführung, dass die zuständige Schulleitung der öffentlichen Volksschule zustimmt. Die Integration von Schülerinnen und Schülern mit Behinderungen in eine Regelklasse verlangt von allen Beteiligten ausserordentliche Anstrengungen und Leistungen, um dem betroffenen Kind, das durch eine derartige Massnahme tatsächlich gefördert werden kann, geeignete Voraussetzungen zu schaffen. Diese sind abhängig von den organisatorischen, sachlichen, personellen und auch finanziellen Verhältnissen der in Frage stehenden Schule und Klasse und gehören nebst anderen Faktoren wie insbesondere den Fähigkeiten und dem richtig verstandenen Wohl des Kindes zu den entscheidenden Rahmenbedingungen. Der Gesetzgeber macht deshalb die Verfügung einer Integrationsmassnahme grundsätzlich vom Einverständnis der Schulleitung abhängig (s. hierzu die Entscheide der Erziehungsdirektion [heute: Bildungs- und Kulturdirektion; BKD] vom 19. September 2008, in: BVR 2009 168 ff., E. 2.3.2, und 4. Juli 2013, abrufbar unter > Die Direktion > Organisation > Generalsekretariat > Rechtsdienst > Entscheide, E. 2.3.2).

Die Abhängigkeit eines Integrationsprojekts vom Einverständnis der Schulleitung bedeutet freilich nicht, dass diese nach freiem Belieben entscheiden darf. Schranke bildet jedenfalls das sowohl durch die Bundesverfassung wie auch die Kantonsverfassung statuierte Verbot willkürlichen staatlichen Handelns (Willkürverbot; Art. 9 BV und Art. 11 Abs. 1 KV). Das heisst: Das Regionale Schulinspektorat kann sich dann über die Nichtzustimmung der Schulleitung (nach Durchführung des „Runden Tischs“ aller Beteiligten) hinwegsetzen, wenn die Schulleitung diese mit keinem sachlichen Grund zu rechtfertigen vermag (s. hierzu den oben genannten Entscheid der Erziehungsdirektion vom 4. Juli 2013, E. 2.3.2).

Liebe Grüsse, der schlaue Bison