Schwierigkeiten für die Lehrperson

Hallo zusammen

Ich unterrichte selber noch nicht und bin noch in der Ausbildung. In der Schule haben wir das Thema „Integrative Förderung“ und ich würde diesbezüglich gerne Lehrpersonen, welche schon ein bisschen Erfahrung haben fragen, welche Schwierigkeiten sich denn für die LEHRPERSON ergeben?

Mit was habt ihr am meisten zu kämpfen, wenn ihr einen Schüler / eine Schülerin integrieren wollt?

Vielen lieben Dank schon im Voraus für die Antworten

Meine grösste Herausforderung ist die zusätzliche zeitliche Belastung durch den Mehraufwand, gerade auch als Klassenlehrperson. Die Heilpädagogin ist zu wenig anwesend, dass sie die volle Verantwortung für das integrierte Kind übernehmen könnte, da sie zu wenig nah dran ist mit zwei Stunden Anwesenheit pro Woche. So braucht es mein Dabeisein und Koordinieren bei den meisten Absprachen und Kontakten mit Fachstellen und Eltern. Seit der Auflösung der Kleinklassen und der Integration in die Regelklassen wurden die Anstellungsverhältnisse für Regellehrpersonen (insbes. Klassenlehrpersonen) nicht angepasst. Der Aufwand ist aber enorm gestiegen. Dies finde ich je länger desto mehr unbefriedigend obwohl ich grundsätzlich die Integration eine gute Sache finde. Die Ressourcen sind einfach nicht entsprechend vorhanden um es längerfristig befriedigend umsetzen zu können.
Ein verhaltensauffälliges Kind braucht zudem häufig viel mehr emotionale Kraft und die Verantwortung erlebte ich teilweise als grosse zusätzliche psychische Belastung.

Ich als Lehrperson im Kindergarten kenne seit mehr als 25 Jahren nichts anderes als die Integration, da fast keine Kinder vor dem Kindergarteneintritt nicht in den Kindergarten eingetreten sind, ausser es handelte sich um ein geistig behindertes Kind, bei dem von Anfang an klar war, dass es nie eine öffentliche Schule besuchen wird. Heutzutage ist der Anspruch an die individuelle Förderung gestiegen, was einen bedeutenden Mehraufwand in der Zusammenarbeit mit der IF, Fachinstanzen, etc. mit sich gebracht hat, im Gegenzug dazu eröffnet es einen weiteren Horizont und bereichert die professionelle Arbeit. Das Problem ist die beschränkte zeitliche Ressource und der beträchtliche zeitliche Mehraufwand.

Guten Tag Goldi94
Du fragst nach Erfahrungen von Lehrpersonen mit der „integrativen Förderung“ (IF). Hoffentlich wirst Du von diesen noch unmittelbar erfahren. Mein Zugang ergibt sich mehr aus der Zusammenarbeit mit Lehrpersonen im Kontext von Beratungsprozessen.

Wenn ich deine Frage lese, beschäftigt mich zunächst, was Du für Dich erreichen möchtest, wenn Du die Schwierigkeiten ins Zentrum rückst. Wäre Dir auch gedient, wenn ich Überlegungen schildere und Aspekte benenne, die mir zentral erscheinen?

Zunächst, ist es mir wichtig zu betonen, dass es mehrheitlich keine Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der integrativen Förderungen von Schülerinnen und Schülern (SuS) gibt. Bestimmte Faktoren verändern sich und für die müssen gute Lösungen gesucht werden. So geht es z.B. darum, die Form der Zusammenarbeit mit einer Schulischen Heilpädagogin/einem Schulischen Heilpädagogen (SHP), u.a. bezüglich Unterrichtsvorbereitung, -durchführung und -auswertung zu klären. Generell ist eine gute Kooperation zwischen allen Beteiligten, ganz besonders auch mit den Eltern des betreffendes Kindes, sehr bedeutsam.

Dann ist es sicher wichtig, mit Bereitschaft und Interesse an der Entwicklung bzw. Weiterentwicklung von Unterrichtsformen, die innere Differenzierung ermöglichen, an die Sache heranzugehen. Sich bezüglich spezifischer, behinderungsbedingter Unterstützungsbedürfnisse kundig zu machen, wäre eine weitere Gelingensbedingung. In all diese Prozesse muss Zeit investiert werden, darauf gilt es sich einzustellen.

Sollte es tatsächlich in den angesprochenen Dimensionen zu Schwierigkeiten kommen, so scheint mir wichtig, sich möglichst frühzeitig Unterstützung und Hilfe zu holen. Dies bei Kolleginnen/Kollegen, der Schulleitung und dann vielleicht auch bei Fachberaterinnen und –beratern. Ganz zentral ist sicherlich auch, sich selbst Entwicklungszeit zuzugestehen.

Kannst du mit diesen Hinweisen etwas anfangen?

Liebe Grüsse
Adhei

Guten Tag Goldi 94
Erfahrungen als Beratungslehrer: Es erstaunt mich nicht, dass das Thema ‚Integration‘ 102 Beiträge zählt.
Der Bericht von Malena vom 24.9.2010 ‚Totale Überforderung‘ spricht eine unmissverständliche Sprache.
Die grösste Schwierigkeit besteht nach meinen Erfahrungen mit Lehrpersonen auf der systemischen Ebene. Lehrpersonen erhalten in einem selektiven Schulsystem den Auftrag, Lernende zu integrieren.
Dabei prallen grundverschiedene, entgegengesetzte Menschenbilder und Haltungen aufeinander, die letztlich nicht vereinbar sind. Noch so gut gemeinte Ratschläge, noch so gute Kurse helfen Lehrpersonen nicht, den paradoxen Auftrag zu lösen, Lernende zu integrieren und gleichzeitig zu selektionieren.
Integration, man könnte auch sagen, ‚innere Differenzierung‘, geht nicht gleichzeitig mit Selektion (=äussere Differenzierung). Solange dieses Dilemma von der Volksschule nicht aufgelöst wird, zum Beispiel in Richtung selektionsfreies Schulsystem von der 1.-9. Klasse, - wie es übrigens die Bundesverfassung vorsieht-, solange bezahlen Lehrpersonen einen sehr hohen Preis in Form von Arbeits-und Energieaufwand bis zur Erschöpfung.