Mädchen sucht vergeblich Kontakt

Mädchen sucht vergeblich Kontakt

Ungefähr seit den Herbstferien fühlt sich ein Mädchen (A, 5.Klasse) meiner Klasse unwohl, weil es sich mehr Kontakt zu einem anderen Mädchen (B, 6.Klasse) in der Klasse wünscht. A fängt deswegen etwa einmal in der Woche an zu weinen. Allgemein ist A eine sehr starke Schülerin, die sich aber selber einen grossen Druck macht. Ich sehe A fast nie lachen. A macht immer einen sehr ernsten Eindruck (Sie ist nun schon 1,5 Jahre bei mir in der Klasse und sie konnte auch schon einige Fortschritte machen. Sie traut sich lauter zu sprechen und macht mehr im Unterricht mit.). Ich vermute, dass A eher ein tiefes Selbstbewusstsein hat und zu Hause als ältestes Kind viel Verantwortung übernehmen muss.

Als A das erste Mal geweint hat, habe ich mit ihr gesprochen und sie gefragt, warum sie traurig sei. Dabei ist herausgekommen, dass A sich alleine fühlt und A eben gerne mehr mit B machen würde. Daraufhin sprach ich mit B und B sagte, dass sie gut etwas mehr mit A machen könnte (z.B in den kleinen oder grossen Pausen).
Nach einer Woche habe ich bei A nachgefragt, wie es gegangen ist. A sagte, dass es immer noch gleich ist. Ich habe das ganze natürlich auch beobachtet und konnte ein paar Annäherungsversuche von B feststellen. A kam nicht aus sich heraus. Ich habe A gesagt, dass sie nicht nur auf B warten soll, sondern dass A auch aktiv werden muss, wenn sich an der Situation etwas ändern soll. Ich gab ihr für die nächste Woche den Auftrag, mindestens 5 mal mit B Kontakt aufzunehmen.
Eine Woche darauf besprachen wir uns wieder. A ist nie von sich aus zu B gegangen. B zeigte auch nicht viel mehr Interesse. Für A ist es, glaube ich, sehr schwierig, auf jemanden zuzugehen.

Als Nächstes habe ich ihr dann einige Fragen aufgeschrieben, die A in der darauffolgenden Woche B stellen soll. A konnte sich kaum überwinden und hat ca. 2 Fragen gestellt. B ist übrigens bei den anderen Kindern sehr beliebt und ist darum auch häufig «umzingelt» von anderen.
Da sich innerhalb dieser Wochen nicht wirklich etwas verändert hatte, habe ich A gesagt, dass ich das nun zu Hause melde. Das war ihr mega zuwider. Ihre Mutter konnte sich das gut vorstellen, da sie sich selber in A sieht. Ein Tipp von mir war, dass die Mutter vielleicht mal ein Treffen mit den Mädchen arrangieren könnte. Die Mutter wusste sonst aber auch nicht, wie sie A helfen soll. Trotzdem hat sie danach mit A das Gespräch gesucht. A war das sehr peinlich, wie sie mir später erzählte.
Dann sind vielleicht 1-2 Wochen verstrichen. Eines Nachmittags hat A wieder geweint. A meinte, es hätte sich immer noch nichts verbessert. Ein gut befreundetes Mädchen (C, aus einer anderen Klasse) begleitete sie und bot auch an, A zu unterstützen. C organisierte daraufhin einen Ausflug auf die Eisbahn, bei dem unter anderen A und B mit von der Partie waren. A hat dann kurzfristig doch abgesagt, weil sie lieber mit der Mutter und den Geschwistern einen Besuch bei Verwandten gemacht hat. Die Mutter war vorher einverstanden mit dem Ausflug.

In der nächsten Zeit habe ich immer wieder beobachtet, dass A in den Pausen auf niemanden zugeht, sondern entweder an ihrem Platz im Pultbuch liest oder beim Eingang alleine rumsteht. Die anderen haben sie ab und zu dazugeholt und versucht, sie zu integrieren.
Bei unseren Gesprächen zeigte sich, dass A nicht bereit ist, von sich aus viel zu ändern oder sie kann sich einfach nicht überwinden. Für A zählt aber nur, dass A endlich mehr Kontakt mit B hat. Ich habe ihr recht klar gesagt, dass A nichts erzwingen kann und für ihr Glück selber verantwortlich ist, sprich, ihr Glück nicht von B abhängig machen kann. Es gäbe andere Wege oder Mädchen, mit denen man auch glücklich(er) werden kann.
Ich wusste wirklich fast nicht mehr, was ich noch machen kann und besprach das Ganze mit dem Kollegium. Dort habe ich einige Tipps bekommen.

In einem weiteren Gespräch habe ich mit A angeschaut, mit wem sie schon gut befreundet ist. Das ist vor allem Mädchen C. Mit B ist die Situation unverändert, trotzdem sieht A B als gute Freundin an. Dann nannte sie noch 2 weitere Mädchen (D und E). Weiter habe ich mit A abgemacht, dass A jeden Abend aufschreiben soll, wie der Tag in Beziehung zu den Mädchen gewesen ist. Ich habe A auch zwei Schachteln mit Perlen gegeben, bei dem A jedes Mal, wenn ein Kontakt zu Stande gekommen ist, eine Perle in die zweite Schachtel legt. So hoffe ich, dass ich A zeigen kann, dass es doch Kontakt gibt. Ich habe A auch angeboten, mit unserer Heilpädagogin zu sprechen. Dies wollte A nicht. Schulsozialarbeit haben wir keine. Ich glaube, dass A zu mir die engste Beziehung hat und darum nur mit mir darüber spricht. Ich finde das völlig okay, bin aber mit meinem Latein auch ein wenig am Ende. Natürlich bin ich schon sehr froh, dass A überhaupt Gefühle zeigt, auch wenn es vorwiegend negative sind. Dies wäre letztes Jahr nicht vorstellbar gewesen. Da die Situation für A aber nun schon länger sehr bedrückend ist, muss für mich noch mehr unternommen werden.
Ende dieser Woche habe ich mit A ein weiteres Gespräch vereinbart um weiterzuschauen.

Für mich stellen sich folgende Fragen:
• Wie kann ich A weiter unterstützen?
• Wie kann ich den Selbstwert von A verbessern? Gibt es ein Buch/Lehrmittel für mich zu diesem Thema? Gibt es ein geeignetes Buch für A?
• Wie soll ich mich gegenüber der Klasse verhalten, denn sie fragen natürlich nach, was mit A ist?
• Wie kann ich die Eltern mit Tipps unterstützen?

Über eine Rückmeldung würde ich mich freuen.
Liebe Grüsse
Eichhörnchen29

Guten Tag Eichhörnchen29

Gerne leite ich diese Frage einer Person zu, die Expertin in Heilpädagogik ist. Gleichzeitig schreibe ich Ihnen einige Gedanken, die mir während des Lesens Ihrer ausführlichen Fallschilderung in den Sinn gekommen sind:

Es ist Ihnen ein grosses Anliegen, diesem Mädchen zu helfen. Sie setzen sehr viel daran, ihren Selbstwert zu stärken, ihr Freundschaften zu ermöglichen und sich zu öffnen. Dabei scheuen Sie keinen Aufwand. Sie sprechen mit dem Mädchen, mit B, mit der Mutter, setzen pädagogische Hilfen ein, tauschen sich im Kollegium aus, suchen das Gespräch mit der Mutter von A – alles mit wenig Erfolg. Und ich frage mich, ob „mehr desselben“ wirklich zum Erfolg führen wird.

Was würde passieren, wenn Sie sich zurücklehnen würden? Geben Sie den Eltern die Adresse der Erziehungsberatung an und reduzieren dann Ihr Engagement auf ein der Rolle als Lehrperson angemessenes Ausmass.

Oder fragen Sie sich, welche Überzeugung, welche innere Mission Sie dazu drängt, dieses Mädchen retten zu wollen. Entspricht Ihre Antwort Ihrem Rollenbild einer Lehrperson?

Falls Sie aber den Verdacht haben, dass dem Verhalten von A eine schwierige familiäre Geschichte zugrunde liegen könnte, dann müssten Sie unbedingt mit der Schulleitung nach möglichen Schritten suchen. Damit wäre der Fokus aber nicht mehr auf A im Unterricht gerichtet.

Ich hoffe, dass ich Ihnen mit diesen Gedanken eine Erweiterung der Sichtweise auf die Begleitung von A ermöglichen konnte.

Mit freundlichen Grüssen
Kashgar

Guten Tag Eichhörnchen29
Es ist eindrücklich zu lesen, wie vielfältig Ihre Bemühungen waren, sich dafür einzusetzen, dass es A gelingt, freundschaftliche Bezüge, insbesondere zu B, aufzubauen. Sie haben viel, Sie haben aus meiner Sicht genug getan.

Ich würde Ihnen empfehlen, A aufzuzeigen, was Freundschaft bedeutet. Dazu könnten sie einfache kleine Skizzen einsetzen (Comic Strip). Dabei könnten gemeinsame Interessen, Wechselseitigkeit usw. mögliche Aspekte sein, die Sie versuchen darzustellen. Wenn A erneut weint, weil sie sich einsam fühlt, dann könnten sie dies kurz aufgreifen, Anteil nehmen und sie auf Ihre Hinweise zur Bedeutung von Freundschaft verweisen.

Alle übrigen Hilfen würde ich einstellen. Die Empfehlung von Kashgar, die Eltern an die Erziehungsberatung zu verweisen, kann ich nur unterstützen. U.U. könnte eine diagnostische Abklärung sinnvoll erscheinen, um herauszufinden, was es A so schwer macht, auf Mitschülerinnen/Mitschüler zuzugehen. Dies könnte im Kontext einer Erziehungsberatung geklärt werden.

Nun wünsche ich Ihnen, dass sich gute Klärungsprozesse in Bezug auf die Situation von A ergeben und dass Sie durch externe Unterstützung entlastet sein können.

Liebe Grüsse
Adhei

Guten Tag Kashgar und Adhei

Vielen Dank für die schnelle Rückmeldung und die guten Hilfestellungen! Jetzt weiss ich besser, woran ich bin und wie ich weiterfahren kann.

Schöne Weihnachten und liebe Grüsse
Eichhörnchen29