Liebe Nadinska
Liebe Expertin
Beim Lesen des Newsletters der PHBern bin ich an Ihrer Frage und Antwort zur Begabtenförderung hängen geblieben. Es beeindruckt mich, wie Sie sich einsetzen und ich finde auch toll, dass es in der Zwischenzeit so gute Materialien und Unterstützung für Lehrpersonen gibt.
Gerne will ich noch einen anderen Aspekt einbringen.
Als unser Sohn in der 3. Klasse war, hat uns sein Klassenlehrer hingewiesen, wir sollten ihn bezüglich Hochbegabung abklären lassen. Wir sind beide Lehrer, hatten zu dieser Zeit auch eigene Erfahrungen mit hochbegabten Kindern in der Klasse und im Bekanntenkreis.
Wir haben uns eine Abklärung lange überlegt und uns als Eltern dagegen entschieden. Ich finde es anspruchsvoll für ein Kind, mit dem Etikett „ Hochbegabung“ in der Schule unterwegs zu sein: Kinder brauchen eine hohe Sozialkompetenz, um als „deklarierte Hochbegabte“ unter gleichaltrigen Kindern klar zu kommen, dies gehört nach meiner Erfahrung nicht zwingend zur einer Hochbegabung. Es gibt auch Lehrpersonen, die nicht gut damit umgehen können und keine Lust haben, sich auf das Thema einzulassen, so wie Sie, Nadinska. Das kann dann etwa so tönen:„Der soll doch mal einen anständigen Hefteintrag machen, seine sieben Sachen in Ordnung halten und die Wörtli lernen, bevor ich ihm noch Zusatzstoff aufbereite…“
Als Lehrpersonen sind wir auch Pädagoginnen. Das ermutigt mich, für eine Kindheit meiner Schülerinnen und Schüler einzustehen, wo auch Langeweile und Leerzeiten Platz haben.
Sie schreiben, dass die Eltern viel üben und lernen. Frau Wirz beendet ihre Hinweise auch mit den Eltern, das finde ich wichtig.
Für mich ist anreichernd, wenn Kinder Erfahrungen über das schulische Wissen hinaus machen können, daheim auch eigene Projekte und Gestaltungsraum haben, und nicht von einem Fördertermin zum nächsten gebracht werden. Darauf würde ich Eltern auch hinweisen.
Die Zeit der Kindheit ist kurz und kostbar.
Mit dem Kassenlehrer haben wir damals abgemacht, dass er unserem Sohn von Zeit zu Zeit offene Aufgaben gibt, dass wir in Kontakt bleiben, wenn er den Eindruck hat, er hänge ab und langweile sich.
Daheim haben wir durchgesetzt, dass unser Sohn ein Instrument spielt, dass er regelmässig übt und dran bleibt in einem Bereich, wo es ihm nicht grad in den Schoss fällt. Er selber wollte intensiv Sport machen, er hat sich für Computer interessiert, sich einen Ferienjob gesucht und aus den verschiedenen Komponenten einen PC zusammengebaut. Wir haben darauf geachtet, dass er ausserhalb der Schule immer mehr Zeit mit anderen Kindern verbringt, als am Computer tüftelt und spielt.
Später, im Gymer ist er mal nach Hause gekommen und hat uns gefragt, ob er eigentlich hochbegabt sei. Er habe da so eine Seite im Internet gefunden und einen Test gemacht…
Also kurz, nicht mehr desgleichen, vielleicht auch etwas ganz anders.
Mutter