Pausen ohne Lehreraufsicht

Hallo zusammen,

ich habe letztes Wochenende in einem Ratgeber über Handlungshilfen für den Schulalltag gelesen, dass es in der Schweiz an einigen Schulen in den Hofpausen keine Lehreraufsicht gäbe.

Als Grund dafür wurde genannt, dass Schüler außerhalb der Schulzeit auch unbeaufsichtigt spielen würden und wenn wirklich etwas passieren sollte, sie ja wissen, wo die Lehrer zu finden sind.
Diese Art der Organisation stand unter dem Punkt, dass viele Konflikte gerade in Pausen darauf beruhen würden, dass sich Schüler beobachtet und kontrolliert fühlen würden, wie Gefangene, und die Lehrer sich hingegen wie Wärter vorkämen, was mit diesem System „Hofpause ohne übliche Lehreraufsicht“ vermieden werden könne und damit die Konfliktquote senken werde.

Meine Fragen dazu an euch:

  • Unterrichtet oder kennt ihr Schulen, an denen das so gehandhabt wird?
  • Wenn ja, funktioniert dieses „System“ und wenn ja, wie lösen Schüler dann auftretende Konflikte unter sich?
  • Schafft man es, dass auch ältere Schüler bei Konflikten jüngerer Schüler helfen, bzw. werden dann auch von Schülern Lehrer freiwillig dazu geholt, wenn es Probleme gibt?

Und wenn ihr solch eine Organisation nicht kennt, wie steht ihr dazu?

Freue mich über eure Antworten!

Gruß
Matzze

Liebe Matzze

Vorab, ich kenne keine Schule, in der die Pausen ohne Aufsicht gehandhabt werden,
kann dir also zu deinen drei ersten Fragen keine Antwort geben.

Gerne hätte ich Genaueres zu den Überlegungen in deinem Ratgeber gelesen, vielleicht kannst du ja noch Angaben zu diesen Handreichungen machen?

Gerne schicke ich dir meine Gedanken dazu.

Mir leuchten die Überlegungen ein, dass sich mit einer herkömmlichen Pausenaufsicht das Zuweisen der Rollen der Aufsichtspersonen und der Beaufsichtigten zwischen Lehrpersonen und SUS geradezu aufdrängt und auch festigt.
Überspitzt bedeutet das: Während zwei Lektionen praktiziere ich vielleicht einen Führungsstil, dem Mitsprache und Eigenverantwortlichkeit zu Grunde liegen, und für die Zeit der grossen Pause schlüpfen alle in andere Rollen und spielen „ Wärter und Gefangene“.

Ich denke, ein Projekt „gemeinsame Pause“ müsste gut in die pädagogischen Konzepte einer Schule eingebettet und von allen Lehrpersonen mitgetragen sein. Gerade das Übernehmen von Verantwortung durch SuS, das Erlernen von Werkzeugen im Umgang mit Konflikten müsste immer wieder Thema sein. Die Pause wäre so ein Teil des gemeinsamen Schultags, mit den gleichen Regeln für den Umgang miteinander, ein gutes Übungsfeld ausserhalb der Klasse und des Unterrichts.

Ich hoffe sehr, es melde sich jemand und bringe seine Erfahrungen dazu hier ein, das wäre spannend!

Niesen

Liebe Matzze
wir haben in unserer Schule ein „Sowohl-als-auch“ Konzept. Es gibt eine Pausenaufsicht der Lehrpersonen (meiner Meinung nach ist das obligatorisch…!) aber daneben haben zwei Kinder Aufsicht mit dem folgenden Auftrag:
1.Ich beobachte, was auf dem Pausenplatz geschieht.
2.Wenn mir etwas Schwieriges auffällt, gehe ich hin und frage, ob ich helfen kann. Wenn ja, mache ich mit den beteiligten Kindern eine Kurzberatung (das haben sie in einer speziellen Schulung gelernt). Wenn nein, respektiere ich diesen Entscheid und gehe wieder weg.
3.Wenn ich mich nicht respektiert fühle, zeige ich meinen Ausweis (eine Art Securitas Ausweis, den die Kinder in der Pause auf sich tragen).
4.In Notfällen informiere ich die offizielle Pausenaufsicht (Lehrpersonen).

Mit diesem Modell werden die Erwachsenen entlastet und die SuS sind stolz, dass sie den anderen helfen können und oft mehr sehen und hören als die Erwachsenen. Dies, weil sie ihren Mitschülern und Mitschülerinnen und den alltäglichen Herausforderungen und Anliegen im Schulalltag näher sind. Gleichzeitig geniessen sie den Schutz der Erwachsenen für den Fall, dass sie selber angegriffen oder angepöbelt würden.

Vielleicht probiert ihr dies in eurer Schule auch mal aus??

Pandora

Hallo Pandora,

danke für deinen Nachtrag zu meinem schon etwas älterem Thread.

Schön, dass sich jemand mal meldet, bei dem dieses „System“ tatsächlich angewandt wird.
Ich habe bisher noch nie von einer Schule gehört, dass es dort so gehandhabt wird.

An welchet Schulform unterrichtest du? Wie alt sind dementsprechend die aufsichtsführenden Kinder?

Und wie sind die Erfahrungswerte was Konflikte zwischen Schülern während der Pausen angeht?
Gab es schon mal Zwischenfälle, bei denen die aufsichtsführenden SuS allein intervenieren und schlichten konnten, ohne dass ein Lehrer die Situation entschärfen musste?

Ich finde diese Idee des „Schüleraufsichtskonzeptes“ gut, weil ich eben auch der Meinung bin, dass es sowohl auf Seiten der SuS, die sich in den Pausen auf den Schulhöfen befinden, als auch für die geschulten Schüler, denen man diese Aufgabe zutraut, eine „Win-Win-Situation“ ist.
Die Schüler, die diese Aufsicht übernehmen, können ihr Selbstwertgefühl dadurch u.a. steigern und die SuS, die siese Aufsicht wahrnehmen wollen mit gleichaltrigen „Aufsehern“ in manchen Situationen sicher besser reden als mit Erwachsenen.

Das an unserer Schule durchzusetzen könnte schwierig werden, da Innovation was solche Dinge betrifft meist immer Skeptiker dabei sind, die die ein- oder andere Geschichte dann wieder auspacken, die einen die schlimmsten Vorstellungen von einer Pause ohne Lehreraufsicht vor Augen führen.

Grundsätzlich soll ja die Lehrerkonferenz einer jeden Schule über die Art und Umfang der Pausenaufsicht bestimmen. Sogenannte „Übertragungen der Aufsicht“ gilt nur als sogenannte „Hilfspersonen“, die nur unterstützend mit herangezogen werden dürfen, dabei die Verantwortung aber bei der Lehrkraft bleibt.

Weil es aber im Zusammenhang mit der Aufsichtspflicht in der Vergangenheit schon mal Probleme gab, weil es zu einer Keilerei zwischen Schülern während einer Vertretungsstunde kam, in der der Klassensprecher in der Stunde die „Aufsicht“ sicherstellen sollte, denke ich, dass nicht alle Kollegen/Kolleginnen sich auf eine Umstruktierung einlassen würden, leider.

Wir haben diese Art der Aufsichtsführung von Schülern über Schüler allerdings schon in der Nachmittagsbetreuung seit ein paar Jahren und das läuft bisher sehr gut.

Liebe Matzze

dein Beitrag ist zwar schon älter, aber das Thema immer noch brandaktuell!

Die Pausenaufsichtshelfer und Helferinnen an unserer Schule sind 11 bis 12 Jahre alt, gehören also zu den ältesten in der Schule (1.-6.Kl.)
Es gab einige kleinere Fälle, die sie ohne Pausenaufsicht lösen konnten. Sie waren so quasi die Verhinderer von schlimmeren Problemen.
Oder ab und zu sahen sie einen Vorfall oder einen Unfall, bevor die Erwachsenen etwas bemerkten und konnten sie schnell informieren.

Wichtig war der Auftrag: „Beobachte zuerst., und wenn du etwas Schwieriges siehst, frage zuerst, ob du helfen kannst. Dränge dich nicht auf und mische dich nicht ungewollt ein.“ Das war für die Beraterkinder sehr wichtig, weil sie befürchteten, sie könnten von den anderen in ihrer Rolle nicht ernst genommen oder angepöbelt werden.
Wichtig war auch die vorgängige Information in allen Klassen.

Übrigens: Zum Thema Kollegen oder Kolleginnen, die bei so Projekten zum Vornherein negativ reagieren und damit alles blockieren - dazu könnten wir eine neue ausgiebige Debatte führen…!

Ich wünsche dir trotzdem viele Mut und Energie, um die eine oder andere gute Idee in deiner Schule umzusetzen!
Und manchmal gehört dazu auch ein bisschen Glück, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein…!

Grüsse von
Pandora