Perfektionisten und Mille Feuilles

Liebes Forum

Ich unterrichte Französisch von der 3.-6. Klasse. In allen Klassen habe ich Schüler, die sehr Perfektionistisch sind und alles ganz genau wissen und machen wollen. Wenn ich ihnen Sachen erkläre (z.B. zum schreiben) sind sie aber schnell überfordert und können logischerweise nicht alles umsetzen. Dies stresst diese Kinder dann enorm, weil sie fast nicht damit leben können, dass sie den Text nicht allein so schreiben können. Ich sage den Kindern dann jeweils, dass dies nicht nötig sei und sie sich an dem freuen sollen, was sie schon können. Ich korrigiere auch bewusst nicht alle Fehler, da es die Kinder sonst noch mehr stressen würde.
Zudem möchten die Kinder bei allem, was sie machen wissen, ob es richtig oder falsch ist oder ob sie alles gefunden haben. Sie kommen nicht damit zurecht, dass eine Übung auch gut und fertig gelöst ist, wenn sie alles gefunden oder geschrieben haben, was sie eben können. Sehen sie, dass andere mehr oder anderes gemacht haben, sind sie wieder gestresst.

Ich versuche wirklich so zu unterrichten, dass alle Kinder die Sachen so aufschreiben und sich so merken, wie sie es eben am besten können (Regeln in der Revue). Auch sonst ist vieles frei und man kann eine Aufgabe so und so lösen oder es reicht auch mal nicht für alles.

Was könnte ich machen, damit meinen Schülern die Arbeit mit Mille Feuilles und den offenen Aufgaben leichter fällt?

Liebe Grüsse und danke für eure Rückmeldungen.

Liebe/r Ferenbalm
So wie du schreibst, arbeitest du förderorientiert und machst soweit alles richtig. Auch wenn die Offenheit der Aufgabenstellungen im Französischlehrmittel Mille feuilles vergleichsweise ausgeprägt ist: Mit dem Lehrplan 21 und den neuen Lehrmitteln wird auch in den anderen Fächern immer mehr mit offenen Aufgaben gearbeitet, und im Leben ist es ja ebenfalls oft so, dass es verschiedene Lösungswege gibt, oder dass die Zeit nicht immer für alles reicht… Deshalb würde ich sagen, dass die Arbeit mit Mille feuilles zu einem gewissen Grad auch eine „Lebensschule“ darstellt. Allerdings gibt es auch Möglichkeiten, deine „perfektionistischen“ SchülerInnen etwas zu unterstützen resp. von ihrem Leistungsdruck zu entlasten:

  1. Elterninformation: Den Eltern muss diese für die meisten noch ungewohnte Art zu Arbeiten erklärt werden, so dass sie dann zu Hause von den Kindern nicht mehr verlangen als die Lehrperson im Unterricht (keine Nachkorrekturen o.ä.)
  2. Absprachen im Kollegium: Es lohnt sich allenfalls, den Umgang mit Fehlern resp. Korrekturen u.ä. im Kollegium zu thematisieren und zu einer gemeinsamen „Kultur“ zu finden. Es macht es für die Kinder einfacher, wenn ein „roter Faden“ erkenn- resp. spürbar ist.
  3. Korrekturhinweise limitieren: Wenn du diesen Kindern Rückmeldungen gibst, beschränke dich auf einige zentrale Punkte (2-3), die sie dann in der Überarbeitung auch umsetzen können, ohne sich zu überfordern.
  4. Verschiedene Aufgabentypen einsetzen: Es soll auch Aufgaben geben, in denen auf die Korrektheit der Sprachmittel geachtet wird, im Gegensatz zu kommunikativen, inhaltsorientierten Aufgaben, welche oft im Vordergrund stehen. Dort können sie dann ihre Vorliebe ausleben. Oder Aufgaben mit geschlossenen Antworten, z.B. ein Lese/Hörverstehen mit Behauptungen, die falsch oder richtig sind (plus allenfalls noch eine Begründung, weshalb), etc.
    Ich hoffe, dass du oben den einen oder anderen brauchbaren Lösungsansatz findest – sicher haben deine KollegInnen noch weitere Tipps aus ihrem eigenen Unterricht!

Hallo Ferenbalm
Ich meine gut nachvollziehen zu können, welche Situationen und Verhaltensweisen von Schülerinnen und Schülern zu beschreibst - ich habe auch solche. Zunächst mal ist es ja wunderbar, dass man Kinder hat, die ihre Sache offensichtlich gut und mitmachen wollen. Ich versuche jeweils, den Fokus auf das Konstruktive im MF zu setzen und möglichst wenig Situationen zu schaffen, die den Kindern aufzeigen, was noch nicht korrekt ist. Konkrete Beispiele:
Wir sind in der 3. Klasse momentan an den Ein-Satz-Geschichten. Bis das gelaufen ist! Hier wollten manche Kinder die Wörter, die sie im Minidic suchen müssten, zuerst übersetzen, und sind dann vom Deutschen ausgegangen und kamen so auf eine ganz andere Spur, als dass vorgesehen ist. Sie hatten unheimliche Mühe, einfach mal loszulassen und das „Rezept“ in Activité G (glaubs) zu befolgen. Ich hatte dann die Idee, diese Übung wie ein Stadt-Land-Fluss-Spiel zu machen: Wir machten Spalten auf einem A4-Blatt, dann musste immer ein Kind A anzählen, das nächste Stopp sagen, und dann mussten alle z.B. mit D das Rezept befolgen…nach dem dritten Anlauf klappte das hervorragend, und die Kinder fingen an, Sätze gemäss Rezept zu bilden. Am Schluss hatte dann ein Mädchen, das sich sonst selten meldet, die meisten Punkte, weil es einfach das Rezept befolgt und rasch gearbeitet hat. Wie auch immer: „Jouer avec les mots“ heisst der Parcours, und das haben sie da gemacht. Und es gab Erfolgserlebnisse, auch für diejenigen, die sonst weniger an der Front sind.
Zweites Beispiel: In der 4. Klasse sind wir an den Reportagen. Üblicherweise wollen die Kinder auch hier alles Mögliche hinschreiben, fangen an, zu übersetzen, und kreieren so Sätze, die eigentlich noch gar nicht „gefragt“ sind gemäss Lehrbuch…oder die sie noch gar nicht kreieren können. So kann dann eine Lücke entstehen, die Frustrationen schaffen kann, eine Lücke zwischen Möglichem und Angestrebten. Nun habe ich klar versucht, einfach die Struktur im MF4 auf Seite 25 zu befolgen: Hier mussten sie ja einzelne Reportagen gemäss W-Fragen entschlüsseln, aber in der 3. Person Singular. Wir haben genau das dann, und nicht mehr, zusammen in die Je-Form umgesetzt, und auf die Hobbies der Kinder angepasst. Nicht mehr, nicht weniger. Nun haben die Kinder 6 bis 7 Sätze zu sagen, die sich im Unterricht üben konnten und sie wissen genau, was sie bringen müssen. Dazu gestalten sie ihr Plakat und üben die Präsentation und ich hoffe, es kommt so gut:-)
Dies meine Müsterchen aus dem Unterricht, wie ich versuche, solche Situationen klarer zu gestalten, und das viele Gute, was MF unbestreitbar hat, auch auf die Kinder, und solche, die alles gut machen wollen, zuzuschneiden. Weniger ist manchmal einfach mehr, daran versuche ich mich zu halten.

Liebe Mille- feuilles- Lehrpersonen
Seien wir ehrlich: Mille feuilles bietet viele interessante Aspekte und Inhalte… aber es hat auch sehr viele Lücken und ich bin der Ansicht, dass der Französischunterricht mit der unterrichtenden Lehrperson steht oder fällt. Ohne Zusatzaufwand funktioniert MF nicht.
Ich unterrichte Mille feuilles seit der ersten Stunde und vertrete den Fremdsprachenunterricht mit sehr viel Herzblut und Engagement. Ich liebe die Sprache.
Kein Fach gibt mir auch nach all den Jahren so viel zu tun wie der Französischunterricht und ich bin eine sehr effiziente Präperin. Für kein Fach habe ich so viel Zusatzmaterial hergestellt und eingekauft. Ich sehne mich nach einem Lehrmittel, welches Spass macht UND sehr gut strukturiert ist. Mille feuilles bietet das keinesfalls.
Vergleiche ich Schüler/innenarbeiten in verschiedenen Klassen bei unterschiedlichen Lehrpersonen, stehen mir oft die Haare zu Berge. Ganze Hefte sind halb leer, weder korrigiert noch mit Rückmeldungen versehen. Die wandern dann am Schluss des Schuljahres nach Hause. Als Mutter und Vater kann man sich nur wundern.
Mit aller Macht wird vertreten, dass Kinder JAAAAAAA nichts schreiben dürfen und auf KEINEN FALL richtig schreiben lernen sollen (der Schaden wäre zu gross)… besser 4 Jahre lautgetreu schreiben und dann an der OS vor lauter Frust und Überforderung die Sprache Französisch ennet den Röstigraben wünschen, wo sie bitte auch bleiben soll. Das kann doch nicht sein.
Nach 4 Jahren Französisch kommen Schülerinnen und Schüler nicht über einzelne Wörter hinaus. Von wegen, sie können besser sprechen und sich ausdrücken.Stimmt einfach nicht.
Ein neues Lehrmittel muss her. Punkt.
Sagt eine, die MF 3 - 6 unterrichtet und viele Lebensstunden mit MF verbracht hat und verbringt.

Hallo FHschule
Danke für den Input. Thematisch allerdings passt er nicht so in diesen Thread, es wäre wohl besser gewesen, einen neuen Thread zu eröffnen, Richtung Grundsatzdiskussion.
Ich teile deine Meinung nicht. Auch ich unterrichte MF seit der ersten Stunde und ich finde, Milles feuilles bietet ZUVIEL Möglichkeiten für Lehr- und Lernarrangements an. Worin ich übereinstimme ist, dass der Französischunterricht mit der Lehrperson steht und fällt - wie übrigens in jedem andere Fach auch. Meiner Meinung aber bietet die Plattform eine Menge Sachen, die man downloaden und verwenden kann (zu Beginn dieses Schuljahres hatte ich eine neue Heilpädagogin, die mir ganz viele Zusatzmaterialien mitbrachte, die sie von Kolleginnen erhalten hat. Aber irgendwie war das dann gar nicht nötig, weil ich alles hatte, was es brauchte).
Natürlich: Das Lehrmittel verfügt nicht über fixfertige Arbeits- und Übungsblätter, wenn man/frau gewohnt ist, den Kindern viel Papier abzugeben, muss man einiges selber vorbereiten. Ich bin bisher mit dem Lehrmittel sehr gut so gefahren, wie es daherkommt und was es bietet, was vor allem auch die Plattform und die App bieten. Davon mache ich regen Gebrauch.
An manchen Punkten erinnert dein Input auch ein bisschen an die vor einiger Zeit und immer wieder in den Medien zu lesenden Kritikpunkte - Stichwort Schreiben. Es stimmt schlicht nicht, dass man nicht darauf schaut, wie die Kinder schreiben. Das hat ja auch etwas mit Ernst nehmen zu tun. Natürlich soll den Kindern die korrekte Schreibweise aufgezeigt werden. Ich lasse die Kinder auch schreiben. Beispiel Fichierkarten: Selber schreiben und ich korrigiere sie zusammen mit den Kindern. Und nicht etwa ausdrucken und aufkleben lassen, wie das etwa einige Kolleginnen von mir tun. Aber eben: Ein Perspektivenwechsel ist nicht immer einfach.
Nein, den Eingangspost habe ich viel mehr dahingehend verstanden, wie man den Ehrgeiz so mancher Kinder und die offenen Unterrichtsformen in Milles feuilles vereinbaren könnte, um möglichst wenig Frustration zu schaffen.

Liebe/r fhschule
Es tut mir leid, dass aus deinen Zeilen eine sehr grosse Frustration spricht, und ich gehe mit dir einig, dass Mille feuilles und Clin d’oeil durchaus anspruchsvolle Lehrmittel sind, sowohl für die Lehrkräfte als auch für die SchülerInnen. Und dass der Unterricht damit mit der Lehrperson steht und fällt – man muss nicht nur die Sprache lieben, sondern auch das Lehrmittel verstehen wollen und grundsätzlich akzeptieren. Niemand verlangt bedingungslose Liebe, und ein gewisser Anpassungsspielraum besteht auf jeden Fall, aber wer mit grösstem Widerstand gegen das Lehrmittel vor die Schüler tritt, wird den Kindern sicher keine Freude vermitteln können. Ich hoffe, dass du den von dir ins Forum gestellten pauschalisierenden Aussagen wie „dass Kinder JAAAAAAA nichts schreiben dürfen und auf KEINEN FALL richtig schreiben lernen sollen“, die angeblich (von wem?) „mit voller Macht vertreten werden“, selber keinen Glauben schenkst, sondern hier Polemik gegen das Lehrmittel betreibst. Im Gegensatz dazu haben wir uns in diesem Forum bereits differenziert zu Fragen wie dem Schreiben mit Mille feuilles ausgetauscht, in Beiträgen wie „Franz: Wann lernen sie schreiben…“, „Rechtschreibung lernen/bewerten“, oder „Franz-Rechtschreibung wieder einmal“, und von Erfahrungen gelesen, die zeigen, dass durchaus erfolgreich mit dem Lehrmittel gearbeitet wird. Leider gibt es für komplexe Lernprozesse und Fragen keine einfachen Rezepte – deshalb möchte ich Helena an dieser Stelle für ihre konstruktiven Beiträge rund um den Einsatz von Mille feuilles ganz herzlich danken.