Die Schülerinnen und Schüler unserer neuen 7. Klasse nehmen uns (Fach-LP Math und IF-LP) während des Unterrichts stark in Anspruch. In den Phasen des selbständigen Arbeitens stellen sie sehr viele Fragen. Sie fragen meistens, bevor sie überhaupt selber nachdenken. Dies führt dazu, dass wir eigentlich ständig von Schüler zu Schülerin laufen und kaum Zeit haben, uns für einzelne von ihnen richtig Zeit zu nehmen.
Welche Strategien kennt ihr, um diesem Problem entgegenzuwirken?
Liebe Simonev
aus meiner eigenen Unterrichtstätigkeit kenne ich die Situation bestens. Dieses Verhalten kann verschiedene Ursachen haben:
Oft sind die Schüler*innen mit ihren Gedanken noch gar nicht richtig auf den Unterricht oder auch das Thema eingestellt (noch nicht kognitiv aktiv). Sie überfliegen die Aufgabenstellung und sehen im ersten Moment keinen Ansatz. Sie vertiefen sich nicht in die Aufgabe, sondern suchen sofort die Hilfe der Lehrperson.
viele Schüler*innen suchen Anerkennung und Aufmerksamkeit. Die Chance, diese zu bekommen ist gross, wenn man hilflos ist. Also ist man gerne hilflos.
Um eine gute Lernsituation zu erhalten, ist es wichtig, diese beiden Muster zu durchbrechen. Dazu gibt es einige Tricks, die sich in meinem Unterrichtsalltag sehr bewährt haben:
der nachhaltigste Lernerfolg erzielen Schülerinnen, wenn sie eine Herausforderung alleine in Angriff nehmen und sich intensiv damit auseinandersetzen - auch dann, wenn sie vielleicht schlussendlich nicht zum Ziel kommen. Durch die Auseinandersetzung mit dem Thema bereiten sie sich so vor, dass Verstehen überhaupt möglich wird. So sind sie mit ihren Gedanken aktiv. Ich vergleiche das oft mit dem Sport. Allen ist klar, dass man erst richtig mit dem Training beginnen kann, wenn man sich aufgewärmt hat - und allen ist klar, dass nicht der Trainer das Training für mich absolvieren kann. In der Mathematik ist es dasselbe. Erst, wenn sie sich selber mit dem Thema auseinandergesetzt haben, sind sie aufnahmebereit, um im Austausch mit Peers oder im Gespräch mit der Lehrperson deren Gedanken folgen zu können und abzuwägen, welche Impulse zielführend und relevant für den Lernerfolg sind und welche weniger - und nur so bleibt der bearbeitete Lernstoff nachhaltig verfügbar. Dies thematisiere ich auch immer wieder mit den Schülerinnen.
Um einzufordern, dass die Schülerinnen sich wirklich Zeit nehmen, sich in die Aufgabe zu vertiefen, bitte ich die Schülerinnen mir zu erzählen, was sie sich bis jetzt überlegt haben, welche Ideen sie in Betracht gezogen haben, welche Stolpersteine sie gefunden haben. Hilfe gibt es in der Regel erst dann, wenn ich durch diese Fragen spüren konnte, dass bereits eine ernsthafte Auseinandersetzung mit der Fragestellung stattgefunden hat. Sonst fordere ich die Jugendlichen auf, nochmals selber zu versuchen, das Merkheft zu konsultieren, etc und mir nachher zu erzählen, welche möglicherweise hilfreichen Ideen sie gefunden haben. Erst dann können wir in ein nachhaltiges Lerngespräch eintauchen, welches die Schülerinnen auf dem Weg zur Lösungsfindung begleitet. Achtung: es ist in vielen Fällen nicht sinnvoll, wenn die Lehrperson die Aufgabe für die Schülerinnen löst. Es ist nachhaltiger diese mit gezielten Fragen in Richtung Lösung zu lenken.
Zu guter Letzt vielleicht noch ein weiterer Gedanke:
Schülerinnen sollen sich Hilfe aktiv und bewusst holen. Da nützt es oft auch, wenn ich als Lehrperson nicht immer im Zimmer herumgehe, sondern auch mal an meinem Arbeitsplatz sitze und die Schülerinnen aktiv zu mir kommen müssen, wenn sie Unterstützung suchen - nicht immer, aber immer mal wieder. Dies gibt unter Umständen Ruhe in den Unterricht und Sie haben die Möglichkeit, mal aus Distanz die Dynamik im Unterricht zu beobachten.
Vielleicht kennen Sie das Angebot der Unterrichtsberatung. Sie können gerne eine solche Unterrichtsberatung in Anspruch nehmen und mit erfahrenen Experten ausführlich über diese Frage diskutieren und dann Ideen ausprobieren und gemeinsam reflektieren.
Ich wünsche Ihnen eine gute Adventszeit und frohe Festtage