Übertrittsbericht 6 Klasse -- Sek 1

Liebe alle.

In unserem Schulhaus sind wir 3 Parallelklassen, die nächste Woche den Übertrittsbericht abgeben müssen. Mangels Zeit und Lust haben wir uns bisher nicht intensiv mit dem neuen Formular für den Übertrittsbericht auseinander gesetzt. Allerdings stellen sich je länger je mehr mehr und mehr Fragen zu dieser A4-Seite. Eine Auswahl unserer wichtigsten, auf die jemand aus dem Forum vielleicht Antwort hätte?

- Bedeutet ein Kreuz bei Fachkompetenz Mathematik bei gut automatisch Empfehlung Sek?
→ Wenn eine Schülerin zwar gute Leistungen bringt, aber bereits jetzt sehr viel leisten muss und in einer Sek-Klasse nicht bestehen könnte (im Sinne eines prognostischen Entscheides, wie in der DVBS verlangt), weil sie schlicht überfordert wäre: Muss ich ihre Fachkompetenz auf „genügend“ reduzieren? Oder kann ich „gut“ kreuzen und trotzdem die Real-Klasse empfehlen?
- Haben Kinder mit riLz automatisch das Kreuz in der Fachkompetenz bei „ungegnügend“?
→ Diese Kinder können ja nicht mit dem regulären Stoff mithalten und sind deshalb riLz… Aber ihre Leistungen für riLz sind ja nicht per se ungenügend.
- Personale Kompetenzen: Was heisst „zunehmend selbstständig und wenn nötig Unterstützung holen“?
→ Muss dazu eine Entwicklung beobachtet worden sein? Die einen holen sich bereits beim Lesen der Aufgabe Unterstützung, andere erst, wenn sie völlig am Anschlag sind. Wäre dann das Kind, welches bereits beim Aufgabenverstehen Hilfe benötigt höher zu bewerten? Bzw. näher bei „trifft meistens zu“?
- Wo und wie kann ich „über das eigene Lerne nachdenken“ sinnvoll und ‚effizient‘ beobachten, ausser im persönlichen Gespräch?

- Wie sollen sich die SuS bei den personalen Kompetenzen selber einstufen können?
→ Einfach das Blatt kopieren und austeilen funktioniert nicht. Bis der Hinterletzte verstanden hat, um was es bei fRage 1, 2 und 3 geht, ist ohne Mühe eine halbe Lektion Lernzeit vorbei. Nach Hause geben will ich das Formular um keinen Preis vor dem offiziellen Datum, sonst kreuzen die Eltern, bzw. es besteht die Gefahr dass. Und die Fragen aufschlüsseln in eine ausführlichere Selbstbeurteilung im Sinne von zu jeder Frage aus dem Übertrittsbericht gibt es mehrere Teilfragen ist a.) unverhältnismässig arbeitsintensiv und b.) komplex aus den Teilfragen wieder ein einzelnes Kreuz abzuleiten…
- Wo können auf dem Dokument Bemerkungen angebracht werden?
→ Bemerkungen zum anderen Arbeits- und Lernverhalten, ausser personalen Kompetenzen? Bemerkungen zu riLz, Nachteilsausgleich etc.?

Ihr seht, das Dokument löst bei uns mehr Fragen aus, als es das Verfahren vereinfacht. Wer kann uns helfen? Innert nützlicher Frist?

Danke für eure Tipps und Ideen! Wir wären unglaublich dankbar!

Kollegium 5./6. Klasse

Guten Tag

Da es sich um einen ganzen Fragekomplex handelt, werde ich die Antworten gleich zu den entsprechenden Fragen schreiben. Und weil einige Fragen selbst komplex sind, ist es oft nicht immer möglich kurz und knapp zu antworten.


  • Bedeutet ein Kreuz bei Fachkompetenz Mathematik bei gut automatisch Empfehlung Sek?
    → Wenn eine Schülerin zwar gute Leistungen bringt, aber bereits jetzt sehr viel leisten muss und in einer Sek-Klasse nicht bestehen könnte (im Sinne eines prognostischen Entscheides, wie in der DVBS verlangt), weil sie schlicht überfordert wäre: Muss ich ihre Fachkompetenz auf „genügend“ reduzieren? Oder kann ich „gut“ kreuzen und trotzdem die Real-Klasse empfehlen?

Die Leistungsbeurteilung muss sich schon auf die im Unterricht erfolgten summativen Beurteilungen beziehen. Der Zuweisungsentscheid ist dann, wie ihr schon geschrieben habt, prognostisch. Die Leistungsbeurteilung bildet lediglich die Grundlage für den Entscheid.

  • Haben Kinder mit riLz automatisch das Kreuz in der Fachkompetenz bei „ungegnügend“?
    → Diese Kinder können ja nicht mit dem regulären Stoff mithalten und sind deshalb riLz… Aber ihre Leistungen für riLz sind ja nicht per se ungenügend.

Wenn die Lernziele in einem bestimmten Fachbereich mehrheitlich über einen längeren Zeitraum hinweg nicht erfüllt werden können, werden gemäss DVBS individuelle Lernziele formuliert. Diese werden im Beurteilungsbericht (summativ) mit * markiert. Im Übertrittsbericht (prognostisch) geht es um erbrachte Leistungen im Hinblick auf eine Niveau-Zuweisung. Deshalb werden dort die Leistungen, die sich auf reduzierte Lernziele beziehen als «ungenügend» bezeichnet, auch wenn diese mit reduzierten Lernzielen durchaus genügend oder gut sein können.

- Personale Kompetenzen: Was heisst „zunehmend selbstständig und wenn nötig Unterstützung holen“?
→ Muss dazu eine Entwicklung beobachtet worden sein? Die einen holen sich bereits beim Lesen der Aufgabe Unterstützung, andere erst, wenn sie völlig am Anschlag sind. Wäre dann das Kind, welches bereits beim Aufgabenverstehen Hilfe benötigt höher zu bewerten? Bzw. näher bei „trifft meistens zu“?

Die personalen Kompetenzen orientieren sich an den Formulierungen im LP 21. Diese wurden nicht wörtlich übernommen, da sich das Protokoll an Eltern und SchülerInnen richtet. Ich zitiere die Lehrplan - Grundlagen zu dem von euch angesprochenen Aspekt:
«Selbstständigkeit:
Schulalltag und Lernprozesse zunehmend selbstständig bewältigen, Ausdauer entwickeln
Die Schülerinnen und Schüler …
• können sich in neuen, ungewohnten Situationen zurechtfinden.
• können Herausforderungen annehmen und konstruktiv damit umgehen.
• können sich Unterstützung und Hilfe holen, wenn sie diese benötigen.
• können einen geeigneten Arbeitsplatz einrichten, das eigene Lernen organisieren, die Zeit einteilen und bei Bedarf
Pausen einschalten.
• können sich auf eine Aufgabe konzentrieren und ausdauernd und diszipliniert daran arbeiten.
• können eigenverantwortlich Hausaufgaben erledigen und sich auf Lernkontrollen vorbereiten.
• können übertragene Arbeiten sorgfältig, zuverlässig und pünktlich erledigen.
• können Strategien einsetzen, um eine Aufgabe auch bei Widerständen und Hindernissen zu Ende zu führen.» (LP 21. Überfachliche Kompetenzen)
Die überfachlichen Kompetenzen werden in allen Zyklen systematisch aufgebaut und weiterentwickelt. So gibt es während des Unterrichts sicher viele Lernsituationen mit Hinweisen zu einer Einschätzung der Selbstständigkeit. Ausserdem basieren die Einschätzungen zu den personalen Kompetenzen ja nicht auf einer Einzelmeinung, sondern werden im Rahmen eines Austauschs in einem Team festgelegt.

-Wo und wie kann ich „über das eigene Lerne nachdenken“ sinnvoll und ‚effizient‘ beobachten, ausser im persönlichen Gespräch?

Hier kann grundsätzlich wiederholt werden, was im Kommentar zur Selbstständigkeit steht. Auch hier sind die Elemente, die eine Reflexionskompetenz ausmachen, vielfältig und bieten sicher Ansatzpunkte für eine individuelle Einschätzung. Die Festlegungen zur Selbstreflexion im Lehrplan 21 lauten:
Selbstreflexion:
Eigene Ressourcen kennen und nutzen
Die Schülerinnen und Schüler …
• können eigene Gefühle wahrnehmen und situationsangemessen ausdrücken.
• können ihre Interessen und Bedürfnisse wahrnehmen und formulieren.
• können Stärken und Schwächen ihres Lern- und Sozialverhaltens einschätzen.
• können auf ihre Stärken zurückgreifen und diese gezielt einsetzen.
• können Fehler analysieren und über alternative Lösungen nachdenken.
• können auf Lernwege zurückschauen, diese beschreiben und beurteilen.
• können eigene Einschätzungen und Beurteilungen mit solchen von aussen vergleichen und Schlüsse ziehen (Selbst- und Fremdeinschätzung).
• können aus Selbst- und Fremdeinschätzungen gewonnene Schlüsse umsetzen. (LP 21. Überfachliche Kompetenzen)**

- Wie sollen sich die SuS bei den personalen Kompetenzen selber einstufen können?
→ Einfach das Blatt kopieren und austeilen funktioniert nicht. Bis der Hinterletzte verstanden hat, um was es bei fRage 1, 2 und 3 geht, ist ohne Mühe eine halbe Lektion Lernzeit vorbei. Nach Hause geben will ich das Formular um keinen Preis vor dem offiziellen Datum, sonst kreuzen die Eltern, bzw. es besteht die Gefahr dass. Und die Fragen aufschlüsseln in eine ausführlichere Selbstbeurteilung im Sinne von zu jeder Frage aus dem Übertrittsbericht gibt es mehrere Teilfragen ist a.) unverhältnismässig arbeitsintensiv und b.) komplex aus den Teilfragen wieder ein einzelnes Kreuz abzuleiten…

[b]Falls für die Schülerinnen und Schüler keine Auseinandersetzung während des vergangenen Unterrichts mit den unter den personalen Kompetenzen aufgeführten Schlüsselbegriffe stattgefunden hat und sie sich nichts oder wenig unter Selbstreflexion, Selbstständigkeit und Eigenständigkeit vorstellen, kann vielleicht mit Beispielen illustriert werden, was genau die Lernenden hier bei sich selber einschätzen müssen und wozu diese Beurteilung letztlich dient.
**

- Wo können auf dem Dokument Bemerkungen angebracht werden?
→ Bemerkungen zum anderen Arbeits- und Lernverhalten, ausser personalen Kompetenzen? Bemerkungen zu riLz, Nachteilsausgleich etc.?

Die Beurteilung der personalen Kompetenzen ersetzt das bisherige ALV. Grundsätzlich braucht es keine weiteren schriftlichen Ausführungen, da im Gespräch eine differenzierte Beurteilung stattfindet. Bei Bedarf kann ein zusätzlicher Bericht geschrieben werden. Das entsprechende Formular findet man in der Applikation.


Ich hoffe, dass sich trotz des langen Antworttextes einige Impulse und Ansätze finden lassen um die geschilderten Herausforderungen anzugehen.

Herzliche Grüsse

Apostroph

LiebeR Apostroph

Vielen Dank für die Antworten.
Ich möchte gerne festhalten, wie wir es als Kollegium 5./6. die Übertrittsformulare angegangen sind:

  • „gut“ und „real“ kreuzen ist aus unserer Sicht machbar und kann im Gespräch auch so kommuniziert und ausgeführt werden (–> progonstischer Entscheid).

  • bei den riLz-Fächern kreuzen wir die Fachkompetenz als z.B. „gut“, machen von Hand ein Sternchen und schreiben unten hin: „*Beurteilt nach reduzierten individuellen Lernzielen“. Dies auch anch Absprache mit der SL. Sonst würden wir ja gegen Aussen das Bild abgeben, dass wir uns mehrere Jahre bemühen, ein Kind zu motivieren, ihm angepasste Aufgaben und Test zur Verfügung stellen und jetzt mit dem Hammer einfach draufhauen und schreiben „ungegnügend“ → Hier müsste aus unserer Sicht die ERZ aus unserer Sicht klar Stellung beziehen!

  • Anstatt einen leeren Übertrittsbericht abzugeben und die Fragen mündlich auszuführen, habe ich zu jeder Frage versucht, vier Teilfragen mit konkreten Unterrichtsbeispielen zu nennen, aus denen heraus sie dann die „Hauptfrage“ beurteilten. Die Fragen sind ganz zu unterst.

  • Für kurze Bemerkungen wie „ohne Noten, da Nachteilsausgleich“, oder riLz schreiben wir von Hand auf den Bericht. Sieht zwar nicht professionell aus, ist aber pragmatsich. Siehe auch bei der 2. Frage.

Alles in Allem stellen uns die neuen Formulare vor grosse Herausforderungen. Wir fragen uns, warum bei der Einführung des neuen Lehrplans eine Übergangsfrist von 4 Jahren gilt und die Formulare bereits im ersten Jahr komplett umgestellt werden müssen… Aber das ist wohl eine politische Frage, die die einfache Frau/der einfache Mann aus dem Klassenzimmer nicht beantworten kann.

Herzlichen Dank, Apostroph, für deine Hilfe und Denkanstösse!


Wie oben versprochen, die ausgeführten Fragen zu den personalen Kompetenzen:

Ich kann zunehmend selbstständig arbeiten und wenn nötig Hilfe holen.

  • Ich kann mir die Arbeitszeit so einteilen, dass ich in der vorgegebenen Zeit fertig werde (z.B. [Unterrichtsbeispiel]…)
  • Wenn ich nicht weiterkomme, kann ich mir Hilfe holen.
  • Ich kann verschiedene Hilfsmittel selbstständig nutzen (Duden, Midi-Dic, Taschenrechner…)
  • Ich kann meine Hausaufgaben so organisieren, dass ich alle Aufgaben erledigen kann.

Ich kann Argumente abwägen und einen eigenen Standpunkt einnehmen.

  • In Gruppenarbeiten kann ich den Andern zuhören und interessiere mich für die Einwände der Anderen.
  • In Gruppenarbeiten kann ich mich für meine Ziele einsetzen.
  • Wenn ich mit jemandem oder etwas nicht einverstanden bin, kann ich meine Meinung kund tun.
  • Auch wenn die meisten Anderen nicht die gleiche Meinung wie ich habe, kann ich meine Überzeugung begründen .

Ich kann über mein eigenes Lernen nachdenken.

  • Ich kann mir vor einem Test überlegen, wie ich mich gut vorbereiten kann.
  • Ich kann meine Leistungen nach einem Test (Selbsteinschätzung) gut einschätzen.
  • Nach einem Test sehe ich, wo und wie ich mich verbessern kann.
  • Ich kenne verschiedene Strategien (z.B. vier Leseschritte, div. Französisch, Überschlagen…) und kann diese zum richtigen Zeitpunkt einsetzen.

Guten Tag
„Allerdings stellen sich je länger je mehr mehr und mehr Fragen zu dieser A4-Seite“:
Eine Frage fehlt noch: Auf welchen Gesetzesartikel stützt sich die Volksschule beim Auftrag, Lernende nach der 6. Klasse in Real-und Sekundarschüler/innen aufzuteilen?
Die Antwort lautet: es gibt keine gesetzliche Grundlage, welche die Aufteilung der Lernenden in Real-und Sekundarschüler/innen nach der 6. Klasse rechtfertigt.
Mit der Aufteilung verstösst die Volksschule gegen das Diskriminierungsverbot (Bundesverfassung).
Übertrittsbericht ja, wenn er als Grundlage für individuelle Förderprogramme im 7. Schuljahr dient.

Was steht in der Bundesverfassung?
Art. 41
1 Bund und Kantone setzen sich in Ergänzung zu persönlicher Verantwortung und privater Initiative dafür ein, dass:

g.
Kinder und Jugendliche in ihrer Entwicklung zu selbstständigen und sozial verantwortlichen Personen gefördert und in ihrer sozialen, kulturellen und politischen Integration unterstützt werden

Mit eurer Fragehaltung liegt ihr richtig. Es wird wohl noch einige Zeit dauern, bis die Volksschule den gesetzlichen umsetzt.
Herzliche Grüsse
jomali

Liebe oder lieber jomali

Das ist ja sehr interessant, was einzelne Beiträge auslösen und in welche Richtung sich Diskussionen weiterentwickeln!

Tatsächlich, das übergeordnete (vom Staat vorgesehene) schulische Ziel ist umfassende Förderung und Integration aller Kinder und Jugendlicher und nicht die Selektion. Diese wird je nach Kanton unterschiedlich geregelt und ist nicht zuletzt bedingt durch politisch-gesellschaftliche Sachzwänge.

Die kritische Reflexion über Funktion und Absicht dieser Regeln muss und darf auf jeden Fall sein.
Besten Dank also für diesen Beitrag und herzliche Grüsse

Apostroph