Liebe Aliena,
vielen Dank für die hilfreichen, differenzierteren Angaben. Damit scheint mir nun wirklich klar, dass wir es mit dem zu tun haben, was eine Wahrnehmungsstörung genannt wird. Ein nicht ganz unproblematischer Begriff, angesichts der Tatsache, dass doch alle Wirklichkeit, wie Uexküll sagt, subjektive Erscheinung ist. `Falschnehmen‘ (Foerster 1996) gibt es demzufolge sicher nicht, so darf eine Wahrnehmungsstörung also nicht verstanden werden.
Wahrnehmung und Lernen sind sehr eng verbunden, so weist denn Zimmer (2005,166) darauf hin, das Wahrnehmungsstörungen sich in diesem Bereich beeinträchtigend auswirken. Dazu passt Ihr Hinweis, dass bei Ihrer Schülerin Lernstörungen im Bereich des Lesens und der Rechtschreibung vorliegen.
Wahrnehmen ist zudem nicht primär das Aufnehmen von beispielsweise visuellen Reizen, um nah an Ihrem Beispiel zu bleiben. Es ist vielmehr gezielte Informationssuche sowie die Aufnahme und Verarbeitung dieser Informationen. Wenn sog. Wahrnehmungsstörungen vorliegen, dann fällt es schwer, Reize in Informationen umzuwandeln, sie also sinngebend zu verarbeiten. Es ist erschwert:
Reize auszuwählen
• wichtige Reize von unwichtigen zu unterscheiden,
• Sinneseindrücke richtig einzuordnen und
• Sinneseindrücke mit vorhandenen Erfahrungen zu verbinden, also sie im Gedächtnis zu verankern (vgl.: Zimmer 2005, 160).
Wenn wir wissen, welche Kompetenzen beeinträchtigt sind, ist klar, in welchen Bereichen unterstützende Hilfen gefragt sind. Deutlich machen worauf es ankommt, die Inhalte mit Vorwissen verknüpfen, z.B. gleiche Zeichen für bestimmte Inhalte bzw. Aufträge verwenden, usw. Das Vorgehen muss selbstverständlich individuell abgestimmt sein. Anregungen bietet sicher der TEACCH-Ansatz, der eben nicht nur zentrale Hilfen für Lernende mit Autismus bereithält.
Helfen diese Überlegungen weiter, bleiben allenfalls noch Fragen offen? Nach meinem Gruss finden Sie noch Literaturhinweise.
Liebe Grüsse und gutes Gelingen
Adhei
Literatur:
Foerster von, H. (1996). Wahrnehmen oder Falschnehmen? In Doering, W.; Doering, W.; Dose, G.; Stadelmann, M. (Hrsg.) . Sinn und Sinne im Dialog. Dortmund: Borgmann.
Häussler, Anne (2005). Der TEACCH-Ansatz zur Förderung von Menschen mit Autismus - Einführung in Theorie und Praxis. Dortmund: Borgmann
Maturana, Humberto (1996). Was ist erkennen? Zürich: Piper Verlag.
Rosenkötter u.a. 2007 - http://www.dgspj.de/pdfs/QZ%20UES-2.pdf – Stand März
Schnabel, Ulrich; Sentker, Andreas (1997). Wie kommt die Welt in den Kopf. Hamburg: Rowohlt Taschenbuch Verlag.
Zimmer, Renate (2005).Handbuch der Sinneswahrnehmung. Freiburg im Breisgau: Herder Verlag.