Walk through classroom

Hallo zusammen

Bei uns soll das Walk through classroom etabliert werden. D.h., die Schulleitung kann jederzeit ohne zu klopfen und zu grüssen in den Unterricht reinkommen. Es wird uns verkauft als Tool zur Schulentwicklung. Ich sehe es als Kontrollmechanismus (z.B ob der LP21 richtig umgesetzt wird). Anscheinend gibt es auch eine App, in welcher zu jedem Lehrer Beobachtungen eingetragen werden.

Ich kann mir das Gewinnbringende daran nicht vorstellen. Dadurch entsteht jedes Mal eine Störung des Unterrichts. Was, wenn gerade ein Problem mit den Schülerinnen und Schülern besprochen wird und die Schulleitung dann mitten drin reinplatzt?!
Da die Schulleitung nicht interagieren wird, entsteht bei mir das Gefühl einer Bespitzelung und nicht wie dargelegt eine Beziehung zu den Schülerinnen und Schülern knüpfen. Ich kann mir nicht vorstellen, wie man eine Beziehung ohne Interaktion aufbauen soll. Es macht mir einen sehr einseitigen Top Down-Eindruck. Die Schulleitung möchte dann daraus pädagogische Massnahmen ableiten. Jedoch ist sie schon seit geraumer Zeit nicht mehr im pädagogischen Feld tätig.

Gibt es jemanden unter euch, der positive oder negative Erfahrungen damit gemacht hat?

Ich nehme an, wehren kann man sich dagegen ja nicht…

Liebe vrenelivomguggisbärg

Ich bin nicht Kenner der Führungsmethode «Walk through classroom» und habe auch keine eigenen Erfahrungen gemacht, weder in meiner Tätigkeit als Lehrer, noch später als Schulleiter. Ihre Anfrage leite ich gerne an eine in der Sache kompetente Person weiter und hoffe, dass sich Schulleitungen und Lehrpersonen mit positiven oder negativen Erfahrungen melden werden.

Ja, wehren können Sie sich nicht, es liegt in der Entscheidungsmacht der Schulleitung, ob sie diese Methode einführen will.

Als Berater gebe ich gerne einige Gedanken mit. Aus meiner Sicht sollte Führung wertschätzend, vertrauensvoll, fördernd und transparent sein. Bei Ihnen löst der Gedanke an den unangemeldeten Besuch der Schulleitung ein Gefühl des Bespitzelt-Werdens aus. So gehe ich davon aus, dass Sie die Schulleitung ohnehin schon kontrollierend oder gar argwöhnisch erleben, was meinem Bild einer guten Führung widersprechen würde.

Es liegt nicht in Ihrer Macht, die Schulleitung zu ändern. Viel mehr ist es Ihre Aufgabe, herauszufinden, wie Sie mit ihr umgehen. Sie können lernen, das Führungsverhalten zu akzeptieren. Sie können sich entscheiden, die Stelle zu verlassen. Oder Sie können verändern, was in Ihrer Macht steht. Ihre Macht ist eine Teil-Macht, nämlich die über sich selbst. Sie können herausfinden, was es für Sie so schwierig macht, wenn die Schulleitung plötzlich im Schulzimmer steht. Sind es Ihre überhöhten Ansprüche an einen guten Unterricht (wehe, er würde merken, dass ich ausnahmsweise nur kurz vorbereitet habe)? Ist es Ihre Angst, dass er merken könnte, dass Sie den LP21 grosszügig auslegen oder ein Lehrmittel lieber links liegen lassen (meine Freiheit ist in Gefahr)? Ist es Ihre Unsicherheit, ob Sie eine gute Lehrperson sind? Haben Sie grundsätzlich Mühe, geführt oder kontrolliert zu werden?
Je nach Antworten könnte sich die Schulleitung mit ihrem Verhalten in Ihren Dienst stellen, in den Dienst einer Persönlichkeitsentwicklung, die Ihnen helfen könnte, Ihre Muster zu erkennen und zu verändern. Eine Beratungsperson würde Sie sicher gerne im Finden einer Antwort unterstützen.

Alles Gute und mit freundlichen Grüssen
Kashgar

Liebe/r vrenelivomguggisbärg

Die unterschiedlichen Studien zum Classroom Walkthrough (CWT) heben folgende Punkte hervor:

  • Es geht um kurze, informelle Unterrichtsbesuche durch die Schulleitung oder durch ein Team von Lehrpersonen.
  • Es geht um schnappschussartige Einblicke in das Unterrichtsgeschehen.
  • Es ist keine Bewertung oder Beurteilung der Lehrperson intendiert.
  • Der Beobachtungsfokus liegt auf dem Verhalten der Schülerinnen und Schüler.
  • Ziel ist es, den Schülerinnen und Schülern optimale Lernprozesse zu ermöglichen und der Lehrperson Impulse zur Weiterentwicklung des Unterrichts zu geben.

Das bedeutet, dass es beim CWT nicht um Bespitzelung oder Bewertung geht. Damit dieser Eindruck nicht entsteht und CWT funktioniert, müssen allerdings ein paar Bedingungen erfüllt sein.
Eine davon ist, dass die Schülerinnen und Schüler darüber informiert werden, dass die Schulleitung plötzlich in die Stunde kommen kann. Die Lernenden sollten wissen, weshalb die Schulleitung das tut und dass das weder etwas mit der Qualität der Lehrperson zu tun hat noch mit dem Verhalten der Schülerinnen und Schüler. Damit können die Lernenden das Erscheinen der Schulleitung einordnen.
Eine weitere, sehr zentrale Gelingensbedingung ist die Vertrauensbasis zwischen Schulleitung und Lehrperson. Die Eindrücke aus dem CWT sollten beiden als Impuls für ein gemeinsames Nachdenken und Diskutieren über das Unterrichtsgeschehen dienen (=Unterrichtsentwicklung). Dies bedeutet aber auch, dass die Datenhoheit bei den Lehrpersonen liegen sollte. Das heisst, dass die Schulleitung allfällige Notizen, die sie während des Besuches macht, eigentlich nach dem Gespräch mit der Lehrperson dieser überlassen sollte. Denn sie dienen ja der persönlichen Weiterentwicklung und nicht der Qualitätsbeurteilung. Sollte es tatsächlich eine App mit Beobachtungen zu den Lehrpersonen geben, so sollten diese jederzeit Einblick in ihr Dossier erhalten.

Die Qualität des CWT steht und fällt mit der Umsetzung. Wenn Sie als Lehrperson den Eindruck haben, das Instrument diene der Bespitzelung, ist das für mich ein Hinweis auf das Verhältnis zur Schulleitung. Und was dieses betrifft, schliesse ich mich meinem Vorredner an.
Ich könnte mir vorstellen, dass es Sinn macht, der Schulleitung Ihre Befürchtungen mitzuteilen, damit sie dazu Stellung nehmen kann. Vielleicht kann es helfen, mit ihm/ihr auch zu vereinbaren, wie Sie ihr Rückmeldung darüber geben können, wie Sie die Umsetzung des CWT erlebt haben. Damit ermöglichen Sie gegenseitiges Lernen und stärken Ihre gemeinsame Vertrauensbasis.

Ich bin selber Schulleiter und finde es sehr wichtig, dass ein Vertrauensverhältnis zwischen der besuchten Lehrperson und mir besteht. Ist dies nicht gegeben, so macht CWT keinen Sinn. Überhaupt macht herzlich wenig Sinn. Ich finde es deshalb enorm wichtig, dass Sie Ihre Vorbehalte ganz offen ansprechen. Das ist zwar in den ersten 5 Minuten unangenehm, wird sich aber auf die nächsten 5 Jahre sicher sehr positiv auswirken.
Ich sehe die Einführung des CWT an Ihrer Schule als Chance, ein länger schwelendes, zugrunde liegendes Problem anzupacken.
In meinem Kollegium habe ich CWT mit der Steuergruppe vorbesprochen und den Lehrpersonen, die CWT gegenüber Vorbehalte haben, die Möglichkeit offen gelassen einen traditionellen Unterrichtsbesuch mit MAG zu wählen.

Ich wünsche Ihnen viel Mut!

Liebe vrenelivomguggisbärg

In unserem Schulhaus durften die LP selber bestimmen, ob sie lieber ein CWT wollen oder einen vorangekündigten, gemeinsam abgesprochenen Unterrichtsbesuch. Ich habe mich nach einigem Zögern für den CWT entschieden (zuerst war ich als Berufseinsteigerin unsicher „ob mein Unterricht den Ansprüchen der SL genügen würde“).

Die SL war bis heute einmal bei mir im CWT anwesend. In dieser Zeit hatten die SuS am ipad eine Aufgabe fürs Franz. Also nicht eine spezielle Aufgabe. Schlussendlich gab mir die SL ihr Beobachtungsprotokoll mit einem notierten, kurzen Hinweis ab. Seitdem weiss ich z.B., dass ich das Wort „magazine“ wie „magasin“ ausgesprochen habe und konnte dies korrigieren. Für mich war dieser Hinweis sehr wertvoll.

Bei uns an der Schule wurde es so vorgestellt, dass die LP eine Beobachtung oder eine Frage als Rückmeldung an die LP formulieren kann. Z.B. was könnte dem Kind XX helfen, damit dies an einer Aufgabe dranbleiben kann?

Ich bin daher positiv auf weitere CWT’s eingestellt. Ich kann auf diese Weise Inputs erhalten oder werde auf Dinge aufmerksam, die ich vielleicht nicht gerade im Blick habe. Ich persönlich empfinde es eine Kontaktmöglichkeit mit der SL und einen kurzen, knackigen Austausch um im Unterrichten zu wachsen.

Ich hoffe, Sie können für sich die Frage beantworten.

Lg Valora

Liebe vrenelivomguggisbärg
Hier einige spontane Gedanken:
Grundsätzlich finde ich das Anliegen der Schulleitung nachvollziehbar und sinnvoll.
Das Thema Rückmeldungen ‘geben und entgegen nehmen’ ist aus psychologischer Sich äusserst anspruchsvoll und störungsanfällig. Ohne sorgfältige Einführung im Kollegium sind Verletzungen und Enttäuschungen wahrscheinlich.
Als Aussenstehender frage ich nach bestehenden Vereinbarungen innerhalb des Kollegiums, verfügen Sie über ein Leitbild, das regelmässig reflektiert und weiter entwickelt wird? Sind gegenseitige Erwartungen ausgesprochen, zwischen Lehrpersonen und der Schulleitung, eventuell auch zwischen Eltern und den Lehrpersonen? Besteht an der Schule ein Klima gegenseitigen Vertrauens und respektiert man sich gegenseitig? Können Sie dem Schulleiter auch Beobachtungsaufträge geben vor dem Unterrichtsbesuch, Rückmeldungen zum Besuch? Der Aufbau einer Feedbackkultur braucht Zeit. Sind Schülerinnen und Schüler auch Teil der Feedbackkultur? Können sie auch Rückmeldungen geben zum Unterricht? Und die Eltern?
Das Konzept Walk through classroom kann durchaus gewinnbringend verlaufen, vor allem wenn die Lehrpersonen einbezogen werden und sich auf Augenhöhe mit der Schulleitung einbringen können.
‘……wehren dagegen kann man sich dagegen ja nicht…’ sollte sich wandeln zu: wir fühlen uns ernst genommen als Lehrpersonen von der Schulleitung, wir wurden von Beginn an einbezogen in die Planung. Wir arbeiten in die gleiche Richtung.
Ich wünsche Ihnen viel Geduld und gegenseitiges Verständnis im Umgang mit dem anspruchsvollen Thema ‘Rückmeldungen’.
Freundliche Gürsse
Jomali