Wiederholungsteste

Ich habe den Schulort gewechselt und bin mir seit Jahren gewöhnt, dass Schüler mit ungenügenden Testen eine Wiederholung schreiben müssen, damit sie die Note aufbessern können und sich nochmals mit dem Stoff auseinandersetzen.
Am neuen Schulort habe ich festgestellt, dass man dies nicht unbedingt machen muss. In der DVBS habe ich diesbezüglich auch nichts gefunden.
Was ist denn jetzt richtig? Immerhin wird ja im Beurteilungsbericht beurteilt, ob sich ein SchülerIn nach Misserfolgen noch anstrengt oder nicht.

Liebe/r maermu

In der Schule hat das Lernen Priorität. Die Beurteilung soll das Lernen in erster Linie unterstützen und sicher nicht behindern. Wir wissen jedoch beide, dass ungenügende Noten Demotivation und Resignation bei den betroffenen Schülerinnen und Schülern (SuS) auslösen können.
Die Aussicht auf eine Wiederholung der Lernzielkontrolle kann bei den Kindern Kräfte mobilisieren, denn alle zeigen gerne, was sie können.

Aus meiner Sicht ist dies jedoch nicht in jedem Fall eine sinnvolle Massnahme, wie ich hier kurz ausführen möchte:

DVBS:

Art. 19 Im deutschsprachigen Kantonsteil hat die Beurteilung während des Semesters zum Ziel,
. a der Schülerin oder dem Schüler prozessbegleitende Rückmeldungen zu geben, um den Lernerfolg zu verbessern,
. b der Schülerin oder dem Schüler bilanzierende Rückmeldungen aufgrund von Lernkontrollen zu geben und damit eine Standortbestimmung zu machen,
. c die Schülerin oder den Schüler im Hinblick auf Übertrittsentscheide zu beurteilen.

Eine summative Lernkontrolle (ein bilanzierender Test) ist also eine Standortbestimmung. Dies bedeutet, dass den SuS aufgezeigt wird, wo sie in Bezug auf die anvisierten Lernziele stehen. Wenn SuS in einer Lernkontrolle ungenügend sind, muss daher grundsätzlich nicht automatisch in Aktionismus verfallen werden, allerdings kann aus meinem Verständnis des lernbegleitenden Systems „Beurteilung“ auch nicht ohne Kommentar weitergearbeitet werden. Eine ungenügende Bewertung soll eine aussergewöhnliche Rückmeldung sein, die einer Analyse bedarf.

Wenn einige Kinder der Klasse eine ungenügende Leistung gezeigt haben, hinterfrage ich meinen Test, den evtl. verfrühten Zeitpunkt der Durchführung, erkenne, dass Vorwissen fehlt oder dass ich die Anforderungen zu wenig klar kommuniziert habe. In diesem Fall kann es sinnvoll sein, dass ich allen SuS eine Wiederholung ermögliche und empfehle.

Wenn nur wenige Kinder ungenügend sind, kann sich aus der Besprechung ergeben, dass die Kinder von falschen Vorstellungen ausgegangen sind (andere Testform oder andere Kriterien bei verschiedenen Lehrpersonen, Lernziele oder Bewertungskriterien unklar, …). In diesem Fall ist eine Wiederholung normalerweise sinnvoll und förderlich.

Ausnahmesituation: Kind konnte nicht lernen, Krankheit, emotional belastendes Ereignis. Wiederholung sinnvoll. Wenn sich diese Ausnahmesituationen bei einem Kind häufen, braucht es aber andere Massnahmen.

Bei der Besprechung wird mir klar, dass das Kind Wissenslücken hat oder dass bei ihm Fertigkeiten fehlen, die es nicht in kurzer Zeit aufholen kann. Wiederholung ist in der nächsten Zeit nicht sinnvoll.

Dem Kind ist nicht klar ist, wie es sich auf diese Testform vorbereiten kann, es fehlen ihm Lerntechniken. Wiederholung erst sinnvoll, wenn sich dieser Umstand geändert hat.

Hast du noch andere Situationen erlebt? Was gibt es dazu sonst noch zu sagen, liebe Forums-Community?

„Eine ungenügende Bewertung soll eine aussergewöhnliche Rückmeldung sein, die einer Analyse bedarf.“

Oha, da wäre ich fast nur noch am Analysieren. Aussergewöhnlich sind ungenügende Bewertungen bei Weitem nicht. In der Realschule sind sie bei sehr schwachen Klassen leider häufig.

Test-Wiederholungen bei ungenügenden Noten können auch einen unerwünschten Effekt auslösen: Die SuS lernen nicht mehr gezielt. Sie verlassen sich darauf, bei einem „Missgeschick“ nochmals eine Chance zu erhalten.

Ich wiederhole Tests daher nie.